Andrey Y. Prokopiev
DER DEUTSCHER ADEL UND DIE FRANZÖSISCHEN RELIGIONSKRIEGE
Die Reformation und die Glaubensspaltung haben die traditionellen Grundlagen der ständischen Gesellschaft Europas tief geprägt. Die konfessionelle Teilung korrespondierte paradoxerweise mit dem dynamischen sozialen Austausch, der sozialen Zusammenwirkung und nicht zuletzt mit der dynamischen Integration der bisher isolierten Regionen und Sozialgruppen. Die traditionellen Grundlagen von Westeuropa, die das gesellschaftliche Leben noch seit dem Mittelalter bestimmten, konnten erfolgreich ihre Existenz auch in der Reformation behaupten und Möglichkeiten und Grenzen der neuen Konfessionen beeinflussen.
In der Mitte des 16. Jahrhunderts wurden die Beziehungen der Krone Frankreichs zum Reich durch viele politische, dynastische und religiöse Faktoren mitbestimmt. In den ersten Jahrzehnten nach Ausbruch der Reformation im Reich und den ersten Erfolge der Protestanten seit der Gründung des Schmalkaldischen Bundes wurden die französischen Valois zu den Hauptverbündeten der deutschen evangelischen Reichsstände außerhalb des Reichs1.
Zweifellos wurden Genese, Gang und Folge der ersten Religionskriege in Deutschland hauptsächlich durch die politische Lage im Reich bestimmt. Die französische Krone aber versuchte immer noch die Position des Hauses Habsburg wegen ihrer Interessen in den italienischen
'Immer noch wichtig: Platzhoff, W. Frankreich und die deutschen Protestanten in den Jahren 1570-1573. München, 1912; Zu den verschieden Aspekte frühneuzeitlichen Beziehungen: Französisch-deutsche Beziehungen in der neueren Geschichte: Festschrift für Jean Laurent Meyer zum 80. Geburtstag / Hrsg. von K. Malettke, C. Kampmann. Berlin, 2007; Formen internationaler Beziehungen in der frühen Neuzeit. Frankreich und das Alte Reich im europäischen Staatensystem. Festschrift für K. Malettke zum 65. Geburtstag / Hrsg. von S. Externbrink. Berlin, 2001. © Andrey Y. Prokopiev, 2016
Kriegen zu schwächen und nutzte deshalb geschickt die politische Lage in Deutschland aus. Die ersten politischen Abkommen der deutschen evangelischen Fürsten mit den fremden Mächten ergaben sich deshalb mit Frankreich. Die Schlüsselfigur der deutschen evangelischen Reichsstände ab 1547 war Moritz von Sachsen, der neue Kurfürst von Sachsen aus der albertinischen Linie der Wettiner. Er suchte die Unterstützung für seine politischen Pläne in Frankreich und sein Vertrag in Chambord von 1552 galt als Gipfelpunkt der Bündnisbestrebungen der evangelischen Reichsstände außerhalb des Reichs.2
Eine ganz neue Lage entstand nach Mitte des 16. Jahrhunderts. Der Augsburger Religionsfriede markierte den ersten erfolgreichen Versuch eines Ausgleichs zwischen zwei Konfessionen -Luthertum und Katholizismus — im Rahmen eines politischen Organismus. Er machte die Stabilisierung des Heiligen Römischen Reichs als politisches System möglich und garantierte eine Friedenszeit faktisch bis zum Ende des Reformationsjahrhunderts. Im Gegensatz dazu verschärften sich die konfessionellen Gegensätze in Frankreich seit Ende der 50-Jahre besonders stark — im Zeichen einer tiefen politischen Krise. Wenn wir der Chronologie der Kon-fessionalisierung folgen, die Vorjahren von Heinz Schilling vorgeschlagen und erarbeitet wurde, so müssen die Religionskriege in Frankreich als entscheidende Etappe im Rahmen der gesamteuropäischen Konfessio-nalisierung angesehen werden, die von der Stärkung und Festigung des internationalen Calvinismus und ersten erfolgreichen Versuchen der Alten Kirche zur Rückgewinnung der verlorenen Positionen charakterisiert war.3
2 Neue Literatur zu Moritz von Sachsen: Herrmann, J. Moritz von Sachsen (1521-1553): Landes-, Reichs- und Friedensfürst. Beucha, 2003; Blaschke, K. Moritz von Sachsen — ein Fürst der Reformationszeit zwischen Territorium und Reich: Internationales wissenschaftliches Kolloquium vom 26. bis 28. Juni 2003 in Freiberg (Sachsen). Leipzig/Stuttgart, 2007. Wichtige Quellen zur Verhandlungen der deutschen evangelischen Reichsfürsten mit der Krone Frankreich: Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen / Hrsg. von Moritz; G. Wartenberg; J. Herrmann; E. Brandenburg; C. Winter. Berlin, 2006.
3 Schilling, H. Aufbruch und Krise: Deutschland 1517-1648. Berlin, 1994; Klueting, H. Das konfessionelle Zeitalter 1525-1648. Stuttgart, 1989. Koch, E. Das konfessionelle Zeitalter — Katholizismus, Luthertum, Calvinismus: 1563-1675. Leipzig, 2000. Über Augsburger Religionsfriede aus dem Licht des 500 Jahre: Gotthard, A. Der Augsburger Religionsfrieden. Münster, 2004; Der Augsburger Religionsfrieden 1555: Wissenschaftliches Symposium aus Anlass des 450. Jahrestages des Friedensschlusses, Augsburg, 21. bis 25. September 2005 / Hrsg. von H. Schilling, H. Smolinsky. Münster; Gütersloh, 2007.
Hierbei möchten wir einige Aspekte der Reaktion des deutschen Adels auf die französischen Ereignisse thematisieren. Im Fokus steht das Interesse der adeligen Gesellschaft im Reich an den Ereignissen in Frankreich. Dies soll in drei Schritten geschehen.
Wir müssen vor allem die Position der Kaiser, also des Hauses Habsburg, gegenüber den innenfranzösischen Wirren betrachten. Der zweite Aspekt betrifft das politische und militärische Eingreifen der Reichsstände — Kur-und Reichsfürsten — in die kriegerischen Ereignisse in Frankreich. Der dritte Aspekt umfasst die Beteiligung des niederen Adels und der Vasallen der Reichsstände an den Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Hugenotten in Frankreich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.4
Die Ausgangslage der österreichischen Habsburger seit der Abdankung Kaiser Karls V. 1556 war von vielen Faktoren, nicht zuletzt durch Konflikte mit den spanischen Verwandten bestimmt. Diese betrafen besonders die gespannte Lage in Norditalien und diplomatische Auseinandersetzungen im Kampf um die Festungen in Mailand und der Lombardei. Die Nachfolger Karls V. hatten kaum ernsthafte Hoffnungen auf vertrauliche Beziehungen mit Madrid. Die politischen Kontakte von Ferdinand I. und seinem Sohn Maximilian II. mit der spanischen Krone war von Vorsicht und Unsicherheit ausgefüllt.5 Stattdessen gab es eher
4 Problematik der Sozialverfassung des Alten Reichs in der frühen Neuzeit: Press, V. Das römisch-deutsches Reich — ein politisches System in verfassungs-und sozialgeschichtlicher Fragestellun, in: Das Alte Reich / Hrsg. von J. Kunisch. Berlin, 1997. S. 18-66; Ausgewählte Aufsätze. Hrsg. von Johannes Kunisch, Berlin, 1997, S. 18-66; Neuhaus, H. Das Reich in der frühen Neuzeit. München, 1997; Gotthard, A. Das Alte Reich: 1495-1806. Darmstadt, 2006.
5 Zu Ferdinands I. und Maximilians II. immer noch: Bibl, V. Maximilian II. Der rätselhafte Kaiser: Ein Zeitbild. Hellerau b. Dresden, 1929; Kohter, A. Ferdinand I., 1503-1564: Fürst, König und Kaiser. München, 2003; Sickert, B. Ferdinand I (1556-1564): in: Die Kaiser der Neuzeit 1519-1918. Heiliges Römisches Reich, Österreich, Deutschland, in: Die Kaiser der Neuzeit, 1519-1918: Heiliges Römisches Reich, Österreich, Deutschland. S. 55-77; Rudersdorf, M. Maximilian II. (1564-1576), in: Die Kaiser der Neuzeit, 1519-1918: Heiliges Römisches Reich, Österreich, Deutschland. S. 79-97. Italien in der spanisch-österreichischen Beziehungen: Aretin, K. 0. Reichsitalien von Karl V. bis zum Ende des Alten Reichs. Die Lehensordnungen in Italien und Ihre Auswirkungen auf die europäische Politik, in: Das Reich: Friedensgarantie und europäisches Gleichgewicht, 1648-1806 / Hrsg. von K. O. Aretin. Stuttgart, 1986. S. 76-163; Edel-mayer, F. Maximilian II., Philipp II. und Reichsitalien: Die Auseinandersetzungen um das Reichslehen Finale in Ligurien. Stuttgart, 1988.
eine Orientierung Richtung Frankreich und Valois. Darüber hinaus fühlten sich beide Kaiser verpflichtet, die für die deutschen Reichsstände wichtigen Friedensschlüsse von 1555 zu beachten und die innere Stabilität in Deutschland zu kontrollieren. Sowohl der Kaiserhof als auch die Reichsfürsten wollten kaum eine Wiederholung der blutigen Ereignissen des Schmalkaldischen Krieges und unkontrollierbare Veränderungen in der Reichsverfassung. Beide Aspekte gehörten für die Zeitgenossen immer noch zu den traumatischsten Erfahrungen der Zeit.
Daraus ergab sich die wichtigste Aufgabe der Reichspolitik: ein mächtiges Bollwerk gegen eventuellen Bedrohungen an den Reichsgrenze zu errichten. Die westliche Grenze mit Frankreich, die seit den 60-Jahren von den religiösen Auseinandersetzungen betroffen war, bereitete mehrere Probleme. Deshalb strebten die Habsburger nach einem sicheren Ausgleich mit dem Königshof in Paris und unterstützten die betont freundliche Politik mit den letzten Valois.
Am Wiener Hof glaubte man seit den 60-Jahren, dass sich der König von Frankreich großer Gefahr durch die Ketzer (Calvinisten) und rebellierendem Hochadel war. Der König von Frankreich als Souverän hatte das Recht, die Verbrecher gegen den Landfrieden als Hochverräter zu verfolgen und zu bestrafen. Die antispanische und für Valois freundliche Richtung in der Politik der Hofburg trat besonders deutlich nach der Regierungsübernahme Maximilians II. hervor. Sie bedeute aber keine Annährung an die calvinistische Hofpartei in Paris: Der Calvinismus wurde von den meisten Reichständen entschieden abgelehnt, die unter den Calvinisten die Vertreter einer Konfession sahen, die offiziell nach 1555 im Reich verboten war, und somit als potenzielle Gegner des Reichsfrieden und Reichssystem gesehen wurden. Es gab aber noch andere Probleme: Maximilian vertraute Madrid nicht und blickte mit großer Sorge auf die Präsenz der spanischen Truppen in den Niederlanden. Die Stabilität an der Westgrenze des Reichs geriet seit Beginn des niederländischen Befreiungskriegs in Gefahr. Die Rückwirkungen des niederländischen Krieges, verbunden mit Grenzverletzungen und militärischen Übergriffen, aber auch mit bewusster militärischer Drohung durch den das spanische Herr befehlenden Herzog von Alba gegen Trier und Jülich, führten 1568 zu einer Initiative des Pfalzgrafen und der übrigen rheinischen Kurfürsten bei dem Kaiser für eine
Vermittlung beim spanischen König. Maximilian nahm die angewünschte Vermittlung, weil er die Auffassung vertrat, ein Religionskrieg schade dem Lande und liefere es auch seinen äußeren Feinden aus, obwohl die Niederlande seit dem Burgundischen Vertrag von 1548 vom Religionsfrieden und den Exekutionsordnung des Landfriedens ausgenommen waren.6
Umso größer war die Enttäuschung in Wien beim Blick auf die erfolgreiche Zusammenarbeit der katholischen Radikalen des Pariser Königshofs und der spanischen Diplomatie. Deshalb erregten die Ereignisse der Bartholomäusnacht in Paris beim Kaiser und der Reichsdiplomatie große Aufmerksamkeit: das Blutbad an den Calvinisten bedeutete für Wien einen Sieg der unkontrollierten katholischen Radikalen mit den Guise an der Spitze.7 Wenn der Kaiser bis Ende der 60-Jahre kühl auf die Bitten der protestantischen Reichstände um Vermittlung in den französischen Religionskriegen reagierte, so gab es ab 1572 eine Periode der inoffiziellen diplomatischen Toleranz gegenüber den französischen Hugenotten. Erst die Thronbesteigung von Rudolfs II. markierte eine neue Etappe der streng hugenottenfeindlichen Politik. Trotzdem machte die Zusammenwirkung der spanischen Diplomatie und der katholischer Partei eine offene Unterstützung der Radikalen unter den Guise unmöglich, analog zum Verhältnis von Katholischer Liga und Wien. Mehrere militärische Erfolge von Heinrich von Navarra nach 1585 erregten auch kaum größere Sorgen in Wien. Diese Politik der Nichteinmischung bildete eine feste Konstellation für die österreichischen Habsburger bis zum Ende des Jahrhunderts. Die Kaiser wollten nicht den Religionsfrieden von 1555 aufs Spiel setzen.
Die Beziehungen der deutschen Reichsstände zu Frankreich war komplizierter und vielschichtiger. Viele Faktoren — dynastische, politische, konfessionelle und geographische — bestimmten das Verhalten der Reichsfürsten zu den französischen Religionskriegen.
6 Ausführliche Forschungen zu den Verhandlungen des Kaisers mit den Reichsständen über konfessionell-politische Lage in Frankreich, besonders 1568: Luttenberger, A. P. Kurfürsten, Kaiser und Reich: Politische Führung und Friedenssicherung unter Ferdinand I. und Maximilian II. Mainz, 1994. S. 191-202; über Niederlanden: Luttenberger, A. P. Kurfürsten, Kaiser und Reich. S. 202-205.
7 Platzhoff, W. Frankreich und die deutschen Protestanten. S. 62.
Der Friede von Cateau-Cambresis von 1559 legte die neue Beziehungskonstellation zwischen Valois und Madrider Habsburgern fest. Die Nachrichten über den Friedensschluss wurden von den protestantischen Reichsfürsten mit großer Unruhe aufgenommen. In den Augen der protestantischen Fürsten war die Kröne von Frankreich dadurch abhängig von Madrid und dem Heiligem Stuhl geworden. Die neuen Verfolgungen der Calvinisten seit Beginn den 60-Jahre erregte kaum Sympathie zu der Regierung von Karl IX.8
Der entscheidende Anstoß zur neuen Politik kam übrigens nicht aus Frankreich, sondern ergab sich aus dem neuen konfessionellen Kräftespiel der deutschen Reichsfürsten. Die Schlüsselrolle spielte hier der Übertritt des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz zum Calvinismus und die neue reformierte Kirchenordnung, die in Heidelberg 1563 eingeführt wurde. Dies war für die konfessionelle Situation an der Westgrenze des Reichs ein bedeutsamer Vorgang. Die Konversion in Heidelberg wurde nicht zuletzt durch das Einwirken von französischen und flämischen Reformierten, wie auch pfälzischen Reformierten möglich, die ihre Glaubensüberzeugung aus den Schriften desspäten Melanchthon und seiner Schülern gewannen. Die neuen geistlichen Strömungen haben das religiöse Verständnis Kurfürst Friedrichs III. tief geprägt. Dadurch entstand im inneren Gefüge des Reichs ein mächtiges Zentrum der neuen Konfession, die in der Kurpfalz trotz des Verbots im Augsburger Religionsfrieden auf dem Reichstag in Augsburg 1566 praktisch legalisiert war und seitdem politische Verbündete der gleichen Konfession westlich des Rheins suchte. Heidelberg und zahlreiche reformierte Enklaven der pfälzischen Wittelsbacher sahen in den französischen Hugenotten ihre Hauptverbündeten außerhalb des Reichs.9
Das evangelische Sachsen als Gegenpol im protestantischen Lager war in die französische Sache ausschließlich durch diplomatische Mitteln verwickelt. Außerdem waren die Wettiner als bedeutende Partner der
8 Platzhoff, W. Frankreich und die deutschen Protestanten. S. 1-2.
9 Zur Konversion des Kurfürsten Friedrich III.:
Kluckhohn, A. Friedrich der Fromme, Kurfürst von der Pfalz, der Schützer der refor-mirten Kirche, 1559-1576. Nördlingen, 1879; Schaab, M. Geschichte der Kurpfalz. Stuttgart, 1992; Press, V. Calvinismus und Territorialstaat; Regierung und Zentralbehörden der Kurpfalz 1559-1619. Stuttgart, 1970.
Habsburger gezwungen, ihre Bestrebungen nach Friedenswahrung im Reich mit dem Wiener Hof zu koordinieren.10
Andere protestantische Reichsstände bezogen zwischen diesen beiden konfessionell-politischen Polen Position, zwischen der aktiven hugenottenfreundlichen Politik von Heidelberg und der streng neutralen Linie des Kurfürsten August I. von Sachsen in Dresden.
Bernhard Vogler hat eine Chronologie der Beteiligung der Pfalz an den französischen Religionskriegen vorgelegen. Es handelt sich um drei Etappen, die der Regierungszeit der drei Kurfürsten von der Pfalz entsprechen. Die beiden ersten Etappen, die die Regierungszeit des Kurfürsten Friedrich III. umfassen, und die letzte, die der Regierungszeit seines Neffe Johann Casimir entspricht, bilden der Höhepunkt der pfälzischen Diplomatie. Eine Zwischenphase entspricht der Regierungszeit des lutherischen Ludwigs VI., die eher außenpolitisch neutral eingestellt war.11
Wir erlauben uns hier, die Position der evangelischen Reichsstände, vor allem von Sachsen, in die Periodisierung von Vogler einzugliedern.
Kurfürst August betrachtete das hugenottische Problem in Frankreich in den 60 und 70-Jahren auf diplomatische Ebene erst als eines von vielen, das das Reich und die evangelischen Reichsständen bedrohen konnte. Dank seiner Stellung im Reich als Bewahrer des Reichsfriedens, als wichtiger Partner der Habsburger und als Herrscher der protestantischen Führungsmacht in Deutschland konnte August die von Moritz hergestellten engeren Verbindungen mit Frankreich brechen. So verhinderte August, dass sächsische Adelige ab 1556 in französische Dienste treten konnte, um am spanisch-französischen Krieg teilzunehmen. Und auch später bis zum Ende der 60-Jahre verfolgte August im Ganzen eine antifranzösisch eingestellte diplomatische Linie, die sich besonders klar in der Zeit der sogenannten Grumbachischer Handel um 1567 äußerte,
10 Vgl.: Brüning, J. Die Kursächsische Reichspolitik zwischen Augsburger Religionsfrieden und Dreissigjährigem Krieg — nur reichspatriotisch und kaisertreu?, in: Die sächsischen Kurfürsten während des Religionsfriedens von 1555 bis 1618. S. 81-94; Schirmer, U. Sachsen und die Reichspolitik, in: Das Jahrhundert der Reformation in Sachsen /Hrsg. von H. Junghans. Leipzig, 2005. S. 234-235.
11 Vogler, B. Die Rolle der pfälzischen Kurfürsten in den französischen Religionskriegen (1552-1592), in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und relogiöse Volkskunde, 1970-1971. Bd. 37/38. S. 239-240.
als die Ernestiner ein breites Bündnis unter Beteiligung Frankreichs gegen Habsburg zu bilden versuchten .12
Erst später wechselte August seine Politik. Die Festigung des europäischen Katholizismus, die militante spanische Politik, die beginnenden Auseinandersetzungen zwischen Wien und Madrid bewirkten bei August, zur eine gesamteuropäische Koalition der deutschen Protestanten, England, Frankreich und niederländischen Aufständischen unter Nassau-Oranien gegen Madrid und Rom zu unterstützen. 1569 bisl572, also bis zur Bartholomäusnacht, war August an Plänen an einer gemeinsamen Beteiligung Sachsens und Pfalz am antispanischen Bund involviert.13 Dabei orientierte sich Dresden an der strengen Loyalität gegenüber Valois und der Kompromissbereitschaft mit der hugenottischen Hofpartei in Paris unter Coligny.
Der Zusammenbruch dieser Pläne im Sommer 1572 wurde durch die mangelnde Bereitschaft der deutschen Fürsten zur politischen Einigung verursacht und hatte eine wesentliche Schwächung der Position von Coligny in Paris zur Folge: der Admiral versprach König Karl IX. und Katharina von Medici schon länger die rasche Sendung von deutschen Hilfstruppen in den Niederlanden gegen den Spanien für den Fall einer eventuellen Bedrohung für Frankreich. In der Folge entzog die Königsfamilie Admiral Coligny ihr Vertrauen. Ältere Forscher, Friedrich von Bezold und Walter Plazhoff haben in ihren Studien bereits belegt, dass die mangelnde Unterstützung seitens der deutschen Fürsten kaum eine wichtige Rolle für den Fall des Admirals spielte. Zweifellos unterstützte sie aber den Sieg der katholischen Radikalen und der Anhänger Spaniens bei Hof am Vorabend der dramatischen Ereignisse.14
Die Bartholomäusnacht markierte einen tiefen Bruch in der kursächsischen Außenpolitik. Die Gewalt eskalierte derart, dass Kursachsen nach der Bartholomäusnacht seine Neutralität aufgab und wieder näher
12 Platzhoff, W. Frankreich und die deutschen Protestanten. 2 sq. Vgl.: Press, V. Wilhelm von Grumbach und die deutsche Adelskrise der 1560er Jahre, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, 1977. Bd. 113. S. 396-431; Gross, R. Geschichte Sachsens. Leipzig, 2001. S. 83; Gross, R. Die Wettiner. Stuttgart, 2007. S. 135.
13 Vgl.: Wolgast, E. Die kurpfalzische Beziehungen zu Kursachsen, in: Die sächsischen Kurßirsten während des Religionsfriedens von 1555 bis 1618. S. 19■, Platzhoff, W. Frankreich und die deutschen Protestanten. S. 23-48.
14 Platzhoff, W. Frankreich und die deutschen Protestanten. S. 48.
an den Kaiser heranrückte. Vor allem in Maximilian sah Kursachsen den Partner, mit dem der Frieden erhalten werden konnte, zumal Maximilian im Reich aufgeschlossen, duldsam und politisch zurückhaltend agiert hatte. Seitdem hielt sich Kurfürst August betont distanziert von den Ereignissen in Frankreich und alle Versuche der hugenottischen Vertreter in Sachsen, eine der für kalvinistischen Partei in Frankreich zugeneigte Richtung der Dresdner Diplomatie zu forcieren, blieben erfolglos. Nach dem Einschwenken auf den Kurs einer kaisertreuen Außenpolitik folgte 1574 der innere Umschwung mit dem Sturz jener in der Tradition Philipp Melanchthons stehenden Philippisten, die als „Kryptokalvinisten" diffamiert wurden. Dies machte die innere Konsolidierung des Luthertums und der evangelischen Kirche in Sachsen möglich und bewirkte im Reich schließlich die erfolgreiche Etablierung der lutherischen Konkordie. Die Bartholomäusnacht war in den Augen Kurfürst Augusts und der lutherischen Orthodoxie ein Resultat der provokanten Haltung der Kalvinisten, die angebliche eine Verschwörung gegen König und Krone geplant hatten. Die lutherische Publizistik bewertete die Massaker in Paris als eine Strafe Gottes gegen die Abtrünnigen der reinen evangelischen Lehre.15
Nach 1572 war zunächst die Kurpfalz die wichtigste Schutzmacht Protagonisten der französischen Hugenotten im Reich, wobei sich nach dem Tode von Friedrich III. die hugenottenfreundlichen Kreise um den Wittelsbacher Johann Casimir von Pfalz-Lautern konzentrierten. Erst ab Ende der 80-Jahren setzte die Wende in der Politik Kursachsens gegenüber Frankreich ein. Nach dem Tode des Kurfürsten August folgte die Regierungsübernahme seines Sohns Christian I. (1586-1591). Er war offenbar eine eher schwache Persönlichkeit ohne ausgeprägten Gestaltungswillen und mit seiner Position zwischen dem deutschem Luthertum und dem westeuropäischen Calvinismus vollkommen überfordert. Der Leiter der sächsischen Politik, der kursächsische Kanzler Nikolaus Krell, ein reformierter Christ, nahm unter Christian I. die Rolle eines Premierminister ein, der über eine große Machtfülle verfügte und wesentliche Veränderung
15 Platzhoff, W. Frankreich und die deutschen Protestanten. S. 61-62; Brüning, J. Die Kursächsische Reichspolitik zwischen Augsburger Religionsfrieden und Dreis-sigjährigem Krieg — nur reichspatriotisch und kaisertreu?, in: Die sächsischen Kurfürsten während des Religionsfriedens von 1555 bis 1618. S. 81-94. S. 87; Luttenberger, A. P. Kurfürsten, Kaiser und Reich. S. 237.
in der sächsischen Politik bewirkte. Die jahrzehntealten Bindungen zum Kaiserhof, zu Bayern und Kurmainz lösten sich, womit das Fundament der Friedensordnung von 1555 zerbrach. Im Gegenzug intensivierten sich die Beziehungen zu den Calvinisten in Frankreich und erstmals nach der Bartolomäusnacht stand die Frage über das Eingreifen der konsolidierten Streitkräfte der deutschen Protestanten unter Beteiligung der Kurpfalz und Kursachsens in den französischen Religionskriegen im Raum.16
1587 fand der berühmte Feldzug der deutschen protestantischen Truppen nach Frankreich mit mehr als 20.000 Soldaten unter Graf Fabian von Dohna statt. Die Resultate aber waren offenbar kläglich für die Glaubensgenossen: die meisten deutschen Kontingenten wurden von Lothringen und katholischen Truppen in Burgund vernichtet. Trotzdem erreichte Heinrich von Navarra eine Verbesserung seiner Lage, da die deutschen Truppen zwei katholische Armeen im Osten gebunden hatten. Die dritte Armee war von Heinrich von Navarra bei Coutras besiegt worden. Damit war der Weg für die Hugenotten nach Paris frei.17
Anfang 1591 wurde in Torgau ein neuer Bund zur Unterstützung der französischen Protestanten geschlossen, an dem neben Kursachsen auch die Kurpfalz, Kurbrandenburg, Hessen, Anhalt und andere Territorien beteiligt waren. Für das Reich bedeutete dies die Entstehung eines ersten Konfessionsbündnisses seit dem Augsburger Religionsfrieden und eine erneute Verschärfung der innendeutschen konfessionellen Gegensätze, in deren weiteren Verlauf weitere Spaltungen entstanden, die letztlich in der Bildung der Evangelische Union mündeten.
Es ist zusammenfassend schwierig, das militärische Eingreifen der deutschen Fürsten abschließend zu bewerten. Wesentliche Erfolge gab
16 Zum Bild Chrisitans I.und seiner Politik: Klein, T. Der Kampf um die zweite Reformation in Kursachsen, 1586-1591. Köln, 1962; Nicklas, T. Christian I. (1586-1591) und Christian II. (1591-1611), in: Die Herrscher Sachsens.Markgrafen, Kurfürsten, Könige: 1089-1918/ Hrsg. von F.-L. Kroll. München, 2007. S. 126-136; Koch, E. Ausbau, Gefahrdung und Festigung der lutherischen Landeskirche von 1553 bis 1601, in: Das Jahrhundert der Reformation in Sachsen, 2005. S. 207-210. Zu Krell immer noch grundlegend: Richard, A. V. Der Kurfürstlich sächsische Kanzler Dr. Nicolaus Krell: Ein Beitrag zur sächsischen Geschichte des 16. Jahrhunderts: nach den in dem königl. Sächs. Hauptstaatsarchiv in Dresden, der Stadtbibliothek in Leipzig etc. befindlichen und noch nicht benutzten Originalurkunden. Dresden, 1859.
17 Vogler, B. Die Rolle der pfälzischen Kurfürsten. S. 259-261.
es auf protestantischer Seite nur wenige, obwohl fast alle entscheidenden Schlachten unter Beteiligung der deutschen Hilfstruppen stattfanden. Die berühmte Schlacht bei Moncontour 1569 erscheint hierbei als die „deutsche" Schlacht überhaupt, weil hier deutsche Kontingente auf beiden — der katholischen und der protestantischen Seiten — kämpften. Die Beteiligung der deutschen protestantischen Truppen war vor allem mehr von strategischer als von taktischer Bedeutung, da sie eine zweite Front im Osten gegen die katholischen Kräfte in Burgund und in Ostfrankreich bildeten. Trotz der hohen Verluste und mehrerer Niederlagen gelang es den deutschen Bundesgenossen im Ganzen, die Bildung einer beständigen Kampflinie der katholischen Truppen zwischen Burgund, der Provence und der Gascongne, besonders während der die entscheidenden Etappe der Religionskriege (seit Ende der 80-Jahre), zu verhindern.18
Eine Betrachtung der Beteiligung der deutschen Fürsten gibt uns eine eindeutige Antwort: wir begegnen vor allem den unbegüterten Reichsfürsten der pfälzischen Territorien, vom Mittelrhein und in kleinerer Zahl Reichsvasallen aus Mittel- und Süddeutschland. Wolfgang von Pfalz-Simmern und selbstverständlich Johann Casimir von Pfalz — Lautern bildeten hier herausragende Beispiele. Die meisten Fürsten waren übrigens in die engen Klientelnetze und Satellitensysteme der größeren dynastischen Landschaften integriert. Ein Mangel an Geld und Besitz und ein starker Wille zur Vergrößerung der familiären Lande dominierten unter den Motiven der protestantischen Bundesgenossen in Frankreich. Wir begegnen ihen auch bei Johann Casimir während seiner zahlreichen Feldzüge. Das komplexe Satellitensystem der Kurpfalz bildete eine ideale Basis für das massive Eingreifen der kurfürstlichen Verwandte in die französischen Religionskriege.
Der deutsche Niederadel beteiligte an den französischen Religionskriegen ab Ende der 50-Jahre. Der Tod Kaiser Karls V. bedeutete das Ende des Verbotes, sich in den Dienst von Reichsfeinden zu stellen. In den 50 und60-Jahren tauchen die Angehörigen der deutschen Adelsfamilien beständig in den französischen protestantischen und königlichen Truppen auf. Geographisch dominierten selbstverständlich die pfälzischen Lehnsleute. Neben der Kurpfalz aber waren auch die zahlreichen
18 Vgl. dazu: Vogler, B. Die Rolle der pfalzischen Kurfürsten. S. 265.
Vasallen aus Schwaben, vom Mittelrhein, aus Kursachsen, aus den ernestinischen Territorien in Thüringen, aus Pommern und aus Preußen vertreten. Nach der Kurpfalz bildeten die kursächsischen Adligen die größte und bedeutendste Gruppe, die die Vertreter der führenden Familien Kursachsens einschloss: Schleinitz, Schönberg, Bünau, Löser, Ponickau, Berbisdorf.19
Die Ursachen der adligen Migration nach Frankreich waren unterschiedlich. Das Streben nach neuen Geldmitteln und Militärämtern, die eng mit hohem Prestige und de, „Ansehen" in der Gesellschaft verbunden waren, spielte hier gewiss eine wesentliche Rolle. Dies war umso wichtiger, als Deutschland sich nach 1555 im Frieden befand und nachgeborene Söhne der kinderreichen Adelsfamilien gezwungen waren, ihre Zukunft außerhalb des Reichs zu suchen. Es gab außerdem auch andere Faktoren, einschließlich der erzwungenen Migration aus Gründen der religiösen und politischen Repressionen — die relativ starren konfessionellen Grenzen im Reich nach dem Augsburger Religionsfrieden gaben dazu einen starken Anstoß. Weiterhin aufbegehrende Teile unter den protestantischen Adligen hatten kaum Chancen, sich im Rahmen der nach 1555 etablierten Reichsordnung zu behaupten. Die Religionskriege in Frankreich boten für sie ein großes Feld für aktive militärische Unternehmungen. Paradoxerweise nahmen hier die französischen Religionskriege eine ambivalente Funktion ein: sie bedeuteten neue Gefahren für das Reichssystem, machten aber
19 Die historisch-soziologische Analyse der Militärkarrieren der deutschen Adligen außerhalb des Reichs nach 1555 bleibt bis heute ein dringendes Forschungsdesiderat. Das reichste und bisher wichtigste Material für die Rekonstruktion der Kriegsdiensten bieten die Leichenpredigten, in denen wir seit Mitte des 16. Jahrhunderts die Lebensläufe oder „Personalia" der Verstorbenenen finden. Es betrifft die evangelische Seite. Vgl.: Winkler, E. Die Leichenpredigt im deutschen Luthertum bis Spener. München, 1967. Die Russische Nationalbibliothek und Bibliothek der Akademien der Wissenschaften zu St. Petersburg besitzen eine beachtliche Zahl der Leichenpe-digten aus den 16. und 17. Jahrhunderten, die meistenteil der kursächsichen Region gehören. Im Rahmen unserer Adelsforschung haben wir die Karrieren der sachsischen Adligern auch aus dem zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts rekonstruert: Prokopiev, A. J. Iogann Georg I, kurfyurst Saksonii (1585-1656) [Johann Georg I, prince of Saxony (1585-1656)]. Sankt-Peterburg, 2011. S. 729-809 [ПрокопьевА. Ю. Иоганн Георг, курфюрст Саксонии (1585-1656). СПб., 2011. С. 729-809].
gleichzeitig die Kanalisierung der radikalen Elementen unter den Adelseliten möglich.20
Zum Beginn der Religionskriege gab es in Frankreich mindestens zwei relativ große Gruppen der deutschen Adligen. Die erste rekrutierte sich aus radikalen Lutheranern, die sich in das Exil nach Frankreich nach der Niederlage Wilhelm von Grumbachs 1567 begeben hatten. Ihre Vertreter kämpften meistenteils auf die Seite der hugenottischen Partei. Hier begegnen wir vielen Adligen aus Thüringen — ehemalige Anhänger Grumbachs und seiner Bundesgenossen. Die zweite Gruppe zeichnete sich durch relativ wenige Radikalismus aus. Es handelte sich um die Nachkommen der sehr oft reichbegüterten und angesehenen Familien, die das Vertrauen ihrer Herren und fürstlichen Patrone genossen und über Jahrhunderte hohe Hofämter inne gehabt hatten. Die Mehrung des „Ansehens" und Erhöhung des sozialen Prestiges waren hier die Hauptziele der Karrieren in Frankreich. Typisch für die Repräsentanten dieser Gruppe war ein gewisses Maß an Opportunimus bezüglich der Fronten, man wechselte öfter die Partei und die Bundesgenossen. Evangelische Adliger aus dieser Gruppe finden wir oft am königlichen Hof der letzten Valois und in der Reihen der königlichen Truppen. Gute Beispiele hierfür sind die von Berbisdorf, Ponickau oder Löser.
Übrigens blieb Frankreich für die meisten deutschen Adligen nicht die letzte Station auf ihrem Lebensweg und wurde nicht zu ihrer zweiten Heimat. Die meisten beendeten ihr Leben in Deutschland. Dies liegt in mehreren Ursachen begründet: Familieninteressen, Streit um das Erbe und Erbteilungen, „Avokatorien" oder Verbote der Landesherren für ihre Vasallen als Landeskinder, nicht zuletzt die mangelnden Mittel zur Sozialintegration.
20 Zur sozial - politischen Lage des deutschen Adels nach 1555: Endres, R. Adel in der frühen Neuzeit. München, 1993; Endres, R. Die deutschen Führungsschichten um 1600, in: Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit: Eine Zwischenbilanz, Büdinger Vorträge 1978 / Hrsg. von H. H. Hofmann, G. Franz. Boppard am Rhein, 1980. S. 79-109; Press, IT Adel im Reich um 1600. Zur Einführung, in: Spezialforschung und Gesamtgeschichte: Beispiele und Methodenfragen zur Geschichte derfrühen Neuzeit / Hrsg. von H. Lutz, G. Klingenstein. München, 1982. S. 15-47; Press, V. Soziale Folgen der Reformation, in: Adel im alten Reich: Gesammelte Vorträge und Aufsätze / Hrsg. von V. Press. Tübingen, 1998. S. 435-479; Horst Rabe. Reich und Glaubensspaltung, Deutschland 1500-1600. München, 1989. S. 420-424.
Dennoch bestätigen Ausnahmen die Regel. Das Schicksal Caspars von Schönberg, eines sächsischen Adligen, der ab 1563 in königlichfranzösischen Diensten stand und dem es gelang, eine glänze Karriere am Königshof zu machen und sogar eine Nebenlinie der Familie von Schönberg in Frankreich zu begründen, ist das beste Beispiel der wenigen und erfolgreichen Integration.
Der gebürtige Sachse Schönberg, dessen Vater am Dresdner Hofe des Kurfürsten Augusts I. diente und ein Regiment von französischen Reitern kommandierte, begab sich als junger Mann nach Frankreich und kämpfte in den ersten Jahren als Parteigänger der Hugenotten. Später wechselte er die Seiten und zeichnete sich als Verteidiger der königlichen Partei in der Schlacht bei Moncontour aus. Als verdienter Offizier war er mit der Königsmutter vertraut, erhielt die Bezüge eines Kammerherren und genoss das Vertrauen des Hauses Guise, von denen er die Herrschaft und den Titel eines Grafen von Nanteil erhalten hat. Später ernannte der König ihn zum General-Obrist der Kavallerie und zum Marschall. Er heiratete durch Vermittlung und Protektion von Katharina de' Medici eine Adlige aus dem Poitou und naturalisierte sich dadurch in Frankreich. Als treuer Diener der letzten Valois konnte er seine Position mit der Thronbesteigung Heinrich von Navarras bewahren. Seine französischen Jahre waren aber immer wieder durch enge Beziehungen zu seiner Heimat Sachsen gekennzeichnet. Er war als Vertreter des Königshofs bei allen wichtigen politischen Angelegenheiten in Dresden tätig, besonders am Vorabend der Bartholomäunacht, genoss das große Vertrauen Kurfürsten Augusts I. und behielt seine Position unter dem Nachfolger, Kurfürst Christian I. Während der entscheidenden Etappen seines Lebens, im Sommer 1572 und erneut 1589 nach dem Tode Heinrichs III. blieb Schönberg in in Sicherheit in Deutschland für den Fall eines ungünstigen Ausgangs der politischen Sache in Frankreich. Darüber hinaus vergaß Caspar von Schönberg nicht seine Interessen, sein Erbe und die Verwandten in Sachsen. Schönberg spielte eine politisch ambivalente Rolle: in seiner Person besaß der Kurfürst von Sachsen ein Vertrauten und Diplomatem, der den Dresdner Hof über die französischen Angelegenheiten stetig informierte, der aber gleichzeitig die profranzösische Gruppe um den Kurfürsten beeinflusste, nicht zuletzt
durch die Familienbeziehungen. Sein älterer Bruder Hans Wolf von Schönberg war ein verdienter Höfling und Rat in Dresden und durch ihn hatte Caspar die Möglichkeit erhalten, das diplomatische Klima in Dresden teilweise zu bestimmen, besonders nach der Ernennung von Hans Wolf zum Oberhofmarschall des Kurfürsten 1589.
Caspar starb in Paris, seine Söhne blieben in Frankreich und etablierten die französische Nebenlinie der angesehenen Familie. Sein ganzes Leben dokumentiert den dynamischen Sozialaustausch der Eliten in der Frühen Neuzeit.21
Und zum Schluss: was brachte dem deutschen Adel ihr Engagement in den französischen Religionskriegen? Auf der Ebene des Reichsfürstenstandes hatten die pfälzischen Wittelsbacher durch die Kriege die größten Erfolge. Trotz der Bestrebungen der Habsburger nach Stabilisierung des Reichs und der neutralen Politik der evangelischen Fürsten mit Sachsen an der Spitze waren die südwestlichen Grenze des Reichs am Ende des 16. Jahrhunderts offen und wurden vielfach verletzt. Die Kurpfalz wurde zunehmend zum Vorreiter dieser Politik eines internationalen Calvinismus und ihre dynamische Beteiligung an den französischen Religionskriegen markierte wichtige Etappen der Internationalisierung der Politik der deutschen reformierten Reichsstände. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts war der vom ersten Bourbon auf dem französischen Thron unterstützte Radikalismus der Kurpfalz eine der Ursache für den Zusammenbruch des Reichsfriedens und Zerstörung der Reichsverfassung.
Im diesen Sinne waren die Religionskriege in Frankreich und die neue Krise der Reichsverfassung am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges eng miteinander verbunden. Dabei aber spielte Frankreich eine wichtige Rolle bei der Kanalisierung der letzten Radikalengruppen im Reich nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555. Die Anhänger Grumbachs, die kaum mehr eine wesentliche Möglichkeit zum weiteren Kampf gegen
21 Vgl.: Schönberg, R., Frhr. von. Das Wirken der Familie von Schönberg in Sachsen, in: von Schönberg'sehe Familienstiftungen Reichstädt und Purschenstein und das Wirken der Familie in Sachsen /Hrsg. von von Schönberg'scher Geschlechtsverein. Kothen, s. d. S. 22-23. Albert Fraustadt. Geschichte des Geschlechts von Schönberg Meissnischen Stammes. Leipzig, 1869. Bd. 1: A-B. S. 422-488; Platzhoff, W Frankreich und die deutschen Protestanten. S. 22.
die katholischen Reichsfürsten auf dem Reichsboden hatten, setzten ihre Militärtätigkeit in den Schlachten der hugenottischen Partei fort. Im Ganzen hat es zur Stabilisierung des Reichssystems seit Ende der 60-Jah-ren beigetragen. Das Eingreifen der deutschen Eliten in den französischen Konflikt verschärfte aber die Lage in den westlichen Grenzgebieten des Reichs und provozierte die unkontrollierte Internationalisierung der deutschen Politik. Daraus ergaben sich neue riskante Bündnisse, die viele Vertreter des Reichsfürstenstandes, vor allem die pfälzischen Wittelsbacher in Konflikte brachten. Darüber hinaus blieb die Beteiligung an den französischen Kriegen eine kurze Episode ohne wesentliche Folgen für die meisten deutschen Adligen.
Es ist schwer zu sagen, ob die französischen Ereignisse auch zu neuen kulturellen Erscheinungsformen der der Herrschaftseliten des Reichs geführt haben. Die Grenze des Kulturaustausches waren zweifellos durchlässig. Die Kurpfalz war hier ein kulturell durchmischtes Territorium im Reich. Wenn Kurfürst Friedrich III. der Fromme, der erste Beschützer der Hugenotten und der deutschen Reformierten, ganz in der Atmosphäre des altdeutschen patriarchalischen Alltags verblieb, so waren seine Nachfolge wesentlich anders orientiert. Friedrich V., der Absolvent der ritterlichen Akademie der Herzöge Bouillon in Sedan, beherrschte Französisch und bevorzugte französische Mode. Daraus resultierte möglicherweise für Friedrich eine Entfremdung zwischen ihm und seiner im kulturellen Regionalismus verbleibenden Untertanen, die eine große Entfremdung in Hinblick auf die Loyalität in den Jahren der beginnenden neuen Krise zur Folge hatte.
Und zum Abschluss. Die für die protestantische Sache kämpfenden deutschen Adligen versuchten ihr Engagement mit der Unterstützung von Glaubensbrüdern in Frankreich zu legitimieren. . In der Publizistik aber und im Rahmen der öffentlichen Medien betonten sie aber stetig ihre promonarchische und dem Königshaus gegenüber loyale Haltung. Man kämpfte für König, Königssache, Königsehre und königliche Interesse gegen verbrecherische Verschwörer, Hochverräter und für die Befreiung der Krone von den katholischen Radikalenmit den Guise an der Spitze, wie auch gegen spanischen Intrigen, man kämpfte schließlich für eine Monarchie und einen Staat. Hier sehen wir ein hohes Maß an Verschleierungsbestrebungen in den Zielen der realen Politik
und Propaganda.22 Ob wir hier auf diese Weise nicht mehr von einem Religionskrieg, oder doch von einem konfessionellen Kriegen sprechen können, in denen sich die Auffassungen beider konfessionellen Parteien von einer Monarchie als Fundament für die gemeinsame Zukunft spiegelten?
Information on the article / Информация о статье
Prokopiev, A. Y Der deutscher Adel und die französischen Religionskriege, in: Proslogion: Studies in MedievalandEarly Modern SocialHistory and Culture. 2106. Vol. 1(13). P. 270-292.
Андрей Юрьевич Прокопьев
Д. и. н., профессор, Институт истории Санкт-Петербургского государственного университета (199034, Россия, Санкт-Петербург, Менделеевская линия, д. 5)
prokopiev65@jmail.ru
УДК 94 (44)
Немецкая знать и французский религиозный конфликт XVI в.
В статье подчеркивается, что Реформация и религиозный раскол затронули и привели в движение все важнейшие структуры сословного общества Запада. Религиозное размежевание на протестантские и католические культурные сообщества переплеталось с мощными импульсами обмена, взаимодействия и с удивительной взаимной интеграцией подчас совершенно изолированных групп и территорий, что демонстрируется на примере Франции и немецких земель Священной римской Империи.
22 Zur Problematik der Dissimulation in den religiösen Auseinandersetzungen der frühen Neuzeit: Religionskriege im Alten Reich und in Alteuropa / Hrsg. von F. Brendle, A. Schindling. Münster, 2006. S. 15-52. Zum französischen Beispiel: Babel, R. Kreuzzug, Martyrium, Bürgerkrieg: Kriegserfahrungen in den französischen Religionskriegen, in: Religionskriege im Alten Reich und in Alteuropa /Hrsg. von F. Brendle, A. Schindling. Münster, 2006. S. 107-117; Die Kaiser der Neuzeit, 1519-1918: Heiliges Römisches Reich, Österreich, Deutschland. München, 1990; Schindling, A. Gab es Religionskriege im Westlichen Europa in der Frühen Neuzeit?, in: Vojna v zerkale istoriko-kul'turnoj traditsii: Ot Antich'nosti do Novogo vremeni [War in the mirrow of historical and cultural tradition: From antiquity to Modern time] / Ed. by A. J. Prokopiev. Sankt-Peterburg, 2012. S. 31-38 [Война в зеркале историко-культурной традиции: От античности до Нового времения / Под ред. А. Ю. Прокопьева. СПб., 2012. С. 31-38].
Автор демонстрирует, что наибольшие последствия религиозные войны во Франции имели для Пфальца, который все больше втягивался в орбиту интернационального кальвинизма. Его активное участие во французских делах важнейшим этапом политической и религиозной истории. В начале XVII в. радикализм Пфальца, подкрепленный дипломатией Бурбонов, станет одной из причин крушения мира в Империи.
Несомненно, Франция стала резервуаром для оттока радикальных групп немецкого дворянства в условиях все ещё не остывшей напряженности после Аугсбургского мира 1555 г. Но этот же отток сопровождался риском втягивания Империи в новый конфликт, потому всегда контролировался умеренными силами и был в целом ограничен. Людские потери во французских религиозных войнах не стали роковыми для немецкого дворянства.
Ключевые слова: История Франции, Священная Римская империя, Пфальц, XVI век, Религиозные войны, Реформация, немецкое дворянство, кальвинизм, католицизм.
Andrey Т. Prokopiev
Doctor in history, professor, Institute of History, Saint-Petersburg State University (199034, Rossiya, Sankt-Peterburg, Mendeleevskaya linia, dom 5)
prokopiev65(3jmail.ru
The German nobility and the French religious conflict of the 16t century
Reformation and religious schism affected and impelled all important structures of the estate society of the West. Religious division of the Protestant and Catholic cultural communities combined with the powerful impulses of exchange, interaction and mutual integration, sometimes of absolutely excluded groups and territories. These problems are studied on the example of France and the German lands of the Holy Roman Empire.
The author shows that the French religious wars impacted most greatly on Palatinate, that drawn into the orbit of international Calvinism. Its active participation in French affairs was the most important stage of the political and religious history. In the beginning of the 17th century the radicalism of the Palatinate, supported by the diplomacy of the Bourbons, would become one of the reasons of the collapse of peace in the Empire. Undoubtedly, France was a reservoir for the outflow of the radical groups of the German nobility in the conditions of confession tensions after the Augsburg peace 1555. But this outflow was accompanied by the risk of dragging the Empire into a new conflict, because it always was controlled by moderates and
was generally limited. Loss of life in the French War of Religion didn't become fatal to the German nobility.
Keywords: History of France, the Holy Roman Empire, Palatinate, the 16th Century, the Religious wars, Reformation, German nobility, Calvinism, Catholicism.
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Olga Okouneva
LA «FRANCE ANTARCTIQUE» AU BRÉSIL: LE PROLOGUE DES GUERRES DE RELIGION EN FRANCE?
L'histoire de la «France Antarctique» au Brésil, la première colonie française sur le territoire de l'Amérique portugaise, fondée en 1555 et qui a tenu quelque cinq ans, a été très fortement marquée par une opposition des catholiques et des huguenots. Les querelles idéologiques et les tensions qui en ont résulté ont affaibli la colonie et l'ont en grande partie conduite à sa chute. Cette opposition entre les catholiques et les protestants se distingue par le lieu où elle s'est manifestée, car les querelles religieuses européennes ont eu pour théâtre le Nouveau Monde et plus particulièrement le Brésil, que les voyageurs français connaissaient déjà depuis quelques décennies. Une autre particularité de cette France Antarctique est le fait que cette opposition religieuse puis politique — qui inclut un complot, une persécution, une trahison — a pris des formes si concrètes. C'est cette dernière considération qui conduit à considérer la «France Antarctique» comme une répétition générale des Guerres de Religion ou comme le prologue de ces guerres civiles.
La courte mais riche histoire de la France Antarctique et les écrits des auteurs français sur cette colonie sont devenus en France un objet d'études au croisement de l'histoire coloniale, de l'histoire des guerres de Religion et de la littérature géographique de la Renaissance. Parmi les plus grands spécialistes du sujet il faut nommer Frank Lestringant, auteur de plusieurs ouvrages1 et celui qui a publié et commenté les témoignages de première main sur la colonie brési-
1 Pour n'en citer que quelques uns: Lestringant, F. Le huguenot et le sauvage: L'Amérique et la controverse coloniale en France, au temps des guerres de religion (1555— 1589). Genève, 2004; Lestringant, F. Une sainte horreur ou le voyage en eucharistie: XVIe-XVIIIe siècle. Paris, 1996; Lestringant, F. L'expérience huguenote au nouveau monde (XVIe siècle). Genève, 1996. © Olga Okouneva, 2016