Y. Kuhlmann
spinne und spinola. das bild spaniens IN DER protestantischen flugblattpublizistik während DES DREISSIGJÄHRIGEN KRIEGES
Einleitung
Der Dreißigjährige Krieg kann als Schauplatz eines länderübergreifenden Konfliktfeldes verstanden werden, in den verschiedene Parteien und Akteure involviert waren. Die spanische Linie der Habsburger war einer dieser Akteure und trug aufgrund ihres übergreifenden Machtinteresses verschiedene Konflikte aus1. Des Weiteren wird der Dreißigjährige Krieg in der Forschung auch als Krieg der Federn2 bezeichnet, in dem sich die Kriegsparteien auf einer medialen Ebene mit politischen, konfessionellen und sozialen Streitfragen auseinandergesetzt hatten. Im Allgemeinen lassen sich innerhalb der Medien Schwerpunktsetzungen erkennen3: Dabei bilden die Ereignisse um den der «Winterkönig» Friedrich V. von der Pfalz (1596-1632) und die Schlacht am Weißen Berg den Anfang. Als weiteren Punkt ist die Eroberung Magdeburgs zu nennen und das publizistische Wirken um die Person des Schwedenkönigs Gustav Adolf (1594-1632). Die während jener Zeit entstanden
1 Dieser Aufsatz entstand aus einem Vortrag, welchen ich während des DeutschRussischen Nachwuchsworkshop «Heidelberg und der Dreißigjährige Krieg» am 17. 04. 18 in Heidelberg gehalten habe. An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei Prof. Dr. Susan Richter und Michael Roth, beide von der Universität Heidelberg, bedanken.
2 Der Winterkönig. Friedrich V., der letzte Kurfürst aus der oberen Pfalz: Katalog zur Bayerischen Landesausstellung im Stadtmuseum Amberg / Hrsg. P. Wolf, et al. Augsburg, 2003. S. 316.
3 Burkhardt, J. Der Dreißigjährige Krieg. Frankfurt am Main, 1992. S. 226-228. © Y. Kuhlmann, 2018
Flugblätter wurden auf diese Schwerpunkte hin bislang weitreichend erforscht. Doch so wie sich bestimmte Schwerpunkte, Verdichtungen und Konjunkturen innerhalb der Publizistik ausfindig machen lassen, so fanden andere Akteure, wie in diesem Falle Spanien, weitaus weniger Beachtung in der Forschung. Dies ist von einigen wenigen Historikern erkannt worden, so wie unter anderem von Peer Schmidt und Dietrich Briesemeister, welche die spanische Monarchie in verschiedenen Bereichen der Publizistik des Dreißigjährigen Kriegs untersucht haben4.
Der Dreißigjährige Krieg, als zweites großes Medienereignis nach der Reformation, weist eine große Vielfalt an publizistischen Quellen auf; neben Zeitungen und Flugschriften wurden auch einschlägige Gedenkmünzen geprägt sowie Lieder und Reime verfasst. Eine weitere Quellengattung, die für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges von Bedeutung war, ist das illustrierte Flugblatt. Das Flugblatt ist als ein multifunktionales Medium zu begreifen, welches seine Wirksamkeit durch die Verbindung zwischen Bild und Text erreichte und zuweilen durch eine mit dem Text verbundenen Melodie5. Da eine Eigenschaft des frühneuzeitlichen Flugblattes in Kriegssituationen die Meinungsbildung und der Polarisierung darstellte, liegt die Frage nahe, auf welche Weise politische Akteure — in diesem Falle Spanien — auf einer medialen Ebene präsentiert und auf welche Methoden dabei zurückgegriffen wurde. Dabei soll unter anderem danach gefragt werden, wie stereotypische Zuschreibungen in Flugblättern verarbeitet und instrumentiert wurden. Bei der Auswahl der Quellen liegt der Fokus auf der Publizistik, die eine antispanischen Standpunkt vertritt und sich thematisch auf das Reich beschränkt. Dies erfolgte zum einen aufgrund der aktiven Rolle Spaniens auf diesem Konfliktschauplatz und wegen der dynastischen und politischen Verbindungen zwischen der österreichischen und spanischen Linie der Habsburger. Des Weiteren wurde der zeitliche Rahmen auf den Beginn des Dreißigjährigen Krieges gelegt, da sich hier eine erhöhte
4 Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie oder «teutsche Libertet»: Das spanische Imperium in der Propaganda des Dreißigjährigen Krieges. Stuttgart, 2001; Briesemeister, D. «allerhand iniurien schmehkarten pasquill vnd andere schandlose ehren-rürige Schriften vnd Model»: Die antispanischen Flugschriften in Deutschland zwischen 1580 und 1635, in: Wolfenbütteler Beiträge. 1981. Vol. 4. S. 147-190.
5 Hubkova, J. Friedrich der V. von der Pfalz in den illustrierten Flugblättern und Flugschriften seiner Zeit, in: Der Winterkönig — Friedrich von der Pfalz. Bayern und Europa im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges / Hrsg. P. Wolf; E. Aichner. Augsburg, 2003. S. 107.
Dichte sowohl allgemein innerhalb der Produktion von Flugblättern aber auch diejenigen, die einen Bezug auf die spanische Monarchie, aufzeigen lassen6. Bereits vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges hatte Spanien ein Interesse an den Angelegenheiten im Reich. Dies ist auf die Herrschaft Karls V. (1500-1558) zurückzuführen, der gleichzeitig König der spanischen Reiche und Kaiser des Heiligen Römischen Reichs war7. Nach seinem Tod scheiterte zwar die Spanische Sukzession, aber durch die Art der Teilung zwischen Philipp II. (1527-1598) und Ferdinand I. (1503-1564) erhielt die spanische Linie mit dem Burgundischen Reichskreis Reichsterritorien beziehungsweise Reichslehen8. Auch waren dynastische Interessen bei der engen Verknüpfung der beiden Habsburger Linien von großer Bedeutung.
Doch was veranlasste Spanien überhaupt, sich dann aktiv an einem Konflikt im Reich zu beteiligen? War es nicht wegen des doch immensen globalen Interessengebietes naheliegender, sich anderen Konfliktfeldern zu widmen? Hatte Spanien nicht zuvor eine Zeit der Pax Hispanica erlebt, in der Friedensschlüsse unter anderem mit Frankreich und England sowie ein Waffenstillstand mit den Vereinigten Provinzen geschlossen worden waren? Diese vermeintliche Stillhaltepolitik, die durch den Herzog von Lerma (1553-1625) verfolgt worden war, wurde von dem nachfolgenden Baltasar de Zunigas (1561-1622) und Conde-duque de Olivares (1587-1645) abgelehnt, da es ihnen vorrangig darum ging die grandeza Spaniens wieder-herzustellen9. Unter ihnen widmete sich Spanien wieder verstärkt seinem internationalen europäischen Engagement. Dies wurde auch innenpolitisch durch ein umfassendes Reformprogramm vorangetrieben.
Die Entwicklungen im Heiligen Römischen Reich hatten auch Auswirkungen auf die spanische Linie der Habsburger. Es stellte sich somit unter anderem die Frage, ob bei der Präsenz protestantischer Wähler im Kurfürstenkollegium die spanische Position im Reich bei einem möglichen protestantischen Kaiser überhaupt gehalten werden konnte10.
6 Vgl. Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie. S. 271-272.
7 Vgl. Kohler, A. Karl V. 1500-1558: Eine Biographie. München, 2001.
8 Dotzauer, W. Die deutschen Reichskreise (1383-1806): Geschichte und Aktenedition. Stuttgart, 1998. S. 68-70.
9 Elliot, J. H. The Count-Duke of Olivares, the statesman in an age of decline. New Haven/London, 1986. S. 244-246.
10 Brightwell, P. The Spanish Origins of the Thirty Years' War, in: European Studies Review. 1979. Vol. 12. S. 419.
Des Weiteren fürchtete Spanien um die geostrategische Stellung, vor allem in Hinblick auf die Spanische Straße11 und die damit verbundene Möglichkeit Truppen aus deutschen Territorien zu rekrutieren12. Weiterhin wollte Spanien durch ein Eingreifen die böhmische Angelegenheit schnell zu einem Ende bringen, da der spanisch-niederländische Konflikt aufgrund des kurz bevorstehenden Auslaufens des Waffenstillstandes mit den Vereinigten Provinzen, wieder an Dringlichkeit gewann. Aber auch durch die bereits bestehenden dynastischen Verbindungen, musste die Solidarität innerhalb der Casa de Austria und die damit verbundene eigene Reputation gewahrt werden.
Methode der Flugblattanalyse
Bei der Betrachtung der Quellengattung «Flugblatt» lassen sich einige Merkmale herausstellen: Der Vorteil des Flugblattes liegt in der Kürze, da der Inhalt überschaubar und einprägsam gestaltet war. Die knappe, komprimierte Mittteilung konnte der Information, wie auch der Meinungssteuerung dienen. In Zeiten von Kriegen konnten Flugblätter unter anderem dafür genutzt werden, um innenpolitische wie auch außenpolitische Wirkungen zu erzielen13. So versuchten sie zu einem solidaritäts- und identitätsstiftend mit einer politischen Gruppe oder Herrschern zu sein und dabei zum anderen den politischen Gegner zu verleumden und zu diffamieren. Auch galt es politische Maßnahmen — wie Steuererhöhungen oder Truppenwerbungen — für die Bevölkerung plausibel zu machen.
Was den Bildanteil in den Flugblättern betrifft, so ging dieser über einen vignettenhaften Dekor hinaus, was auch den Wandel des Charakters und die Leistungsfähigkeit zeigte: dabei wurde die Beschreibung eines Sachverhaltes durch eine visuelle Note ergänzt, die sich dadurch gleichsam mit der Rhetorik des Verschriftlichten
11 Die Spanische Straße war im 16. und 17. Jahrhundert eine Art Handelsroute, die entlang des Rheins zwischen dem Burgundischen Reichskreis und den spanischen Niederlanden verlief. Vgl. dazu: Parker, G. The army of Flanders and the Spanish road, 1567-1659: The logistics of Spanish victory and defeat in the Low Countries' wars. London, 1972.
12 Parker, G. The army of Flanders and the Spanish road. S. 40.
13 Cilleßen, W. Vorboten des Krieges: Politische Graphik und Bildsatire im späten 17. Jahrhundert. S. 13.
verbinden konnte14. Die Texte der Flugblätter nutzten das breite Spektrum der literarischen Gattungen und Formen aus, die sich dadurch oft einer strikten Teilung in Epik, Lyrik und Drama widersetzen. Die Verfasser kannten die Vorzüge der einzelnen Genres und ihren Einfluss auf den Erfolg eines Flugblattes: Zudem spielte der Sprachstil eine wichtige Rolle um Zielgruppen zu erreichen und Identifikationsmöglichkeiten zu geben15.
Die Beschränkung hatte weiterhin Auswirkungen auf die zu behandelnden Themen, da diese bildfähig und knapp dargestellt sein mussten sowie werbewirksam die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich ziehen sollten. Dabei wurden bevorzugt abgeschlossene Ereignisse aus dem Nachrichtenfluss herausgehoben oder generell durch spezifische Darstellungsmodi zu einem dramatischen Höhepunkt im Fluss der Zeitgeschichte stilisiert16. Somit ist das Flugblatt mit seiner Konzentration auf Weniges vorzüglich dafür geeignet, Einzelaspekte komplexer Themenbereiche oder Einzelfälle darzustellen und zu erklären17. Aufgrund der besonderen Qualität des Mediums kommt Wolfgang HARMS zu dem Schluss, dass das illustrierten Flugblätter und besonders der Bildanteil aus mentalitätsgeschichtlicher Perspektive, Einblicke in Denkkonventionen, unreflektierte Selbstverständlichkeiten, Klischees, Ängste und Hoffnungen, sowie in die Wahrnehmung von fremden Kulturen und Ländern geben kann 18.
Sind diese Wahrnehmungen kollektiv geteilt, vereinfachend, generalisierend und emotional aufgeladen, spricht man von sogenannten Stereotype19. Dabei handelt es sich um diskursiv erzeugte Konstruktionen,
14 Harms, W. Historische Kontextualisierung des illustrierten Flugblatts, in: Das Flugblatt in der Frühen Neuzeit, Traditionen — Wirkungen — Kontexte / Hrsg. W. Harms, M. Schilling. Stuttgart, 2008. S. 21.
15 Hubkovâ, J. Friedrich der V. von der Pfalz in den illustrierten Flugblättern. S. 108.
16 Harms, W. Medienspezifische Modellierungen politischer Ereignisse auf Flugblättern des Dreißigjährigen Krieges, in: Das Flugblatt in der Frühen Neuzeit, Traditionen — Wirkungen — Kontexte / Hrsg. W. Harms, M. Schilling. Stuttgart, 2008. S. 279.
17 Wahrnehmungsgeschichte und Wissensdiskurs im illustrierten Flugblatt der Frühen Neuzeit. Basel, 2002. S. 15.
18 Schilling, M. Illustrierte Flugblätter der frühen Neuzeit als historische Bildquelle, in: Das Flugblatt in der Frühen Neuzeit, Traditionen — Wirkungen — Kontexte / Hrsg. W. Harms, M. Schilling. Stuttgart, 2008. S. 82; Harms, W. Feindbilder im illustrierten Flugblatt. S. 247.
19 Tschopp, S. Nationale Stereotype im literarischen Gewand: Das Bild des Spaniers
die nur unter Berücksichtigung der Bedingungen ihrer Genese und Gebrauches verstanden werden können. Sie bilden ein beliebtes Instrument politischer, ästhetischer und konfessioneller Kommunikation. Stereotype dienen unter anderem dem Abbau von Komplexität und tragen somit zu einer Ökonomisierung der Kommunikation bei20. Stereotype werden zudem als kohäsionsbildend und systemstabilisieren verstanden: Durch die Konstruktion von Alterität, also durch Bezugnahme auf ein fremdartig definiertes Kollektiv kann eine Abgrenzung zur eigenen Gemeinschaft erzeugt werden und gleichzeitig ein Identitätsangebot vorbringen. In Flugblättern konnten konventionalisierten Eigenschaftszuweisungen von Stereotype unter anderem für die Stärkung der eigenen konfessionellen Identität und den politischen Zusammenhalt instrumentalisiert werden21.
Die Vorläufer des Antihispanismus
Wird nach den Ursprüngen des Spanienbilds gefragt, so lassen sich diverse stereotype Charakterzuweisungen ausmachen: Auf der italienischen Halbinsel sowie auf Sardinien und Sizilien, war «der Spanier» an sich aufgrund von wirtschaftlichen Beziehungen, die sich bereits im Hochmittelalter herausbildeten, und der aragonesischen Expansion als wortbrüchiger, von Habgier getriebener und verschlagener katalanischer Kaufmann bekannt22. Als weiteren Schauplatz antispanischer Einstellungen zeichneten sich die Vereinigten Provinzen ab, die sich vor allem unter der Herrschaft Philipps II. auf einer medialen Ebenen mit dessen als ungerecht und grausam empfundener Herrschaft, der spanischen Inquisition, der zugeschriebenen moralischen Verdorbenheit und dem Streben nach einer Universalmonarchie auseinandersetzten23. In England war die antispanische Haltung bereits
in den Werken deutschsprachiger protestantischer Autoren während des Dreißigjährigen Krieges, in: Frühneuzeitliche Stereotype: Zur Produktivität undRestriktivität sozialer Vorstellungsmuster (Jahrbuch für Internationale Germanistik 99) / Hrsg. M. Crarnek-ka, T. Borgstedt, T. Jablecki. Bern, 2010. S. 75.
20 Tschopp, S. Nationale Stereotype. S. 76.
21 Tschopp, S. Nationale Stereotype. S. 75.
22 Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie, S. 270; Galasso, G. Caratteri della domi-nazione spagnola in Italia, in: Gli Spagnoli e l'Italia, Milano / Hrsg. D Puccini. 1997. S. 17-18.
23 Swart, K. W. The Black Legend during the Eighty Years War, in: Britain
durch das politische Vorgehen Elisabeth I. sowie durch die Heirat Marias I. mit Philipp II. und aufgrund der Ketzerverfolgungen geprägt worden24. Ein weiterer wichtiger Punkt war das «gegenreformatorische» Wirken Spaniens, welches in stereotypischen Zuschreibungen einer besonderen Verbundenheit zwischen Spanien und dem Papsttum resultierte25. Des Weiteren fand der Stereotyp einer spanisch-jesuitischen Allianz in der antispanischen Polemik einen großen Anklang26. Darüber hinaus wurde durch die Institution der Inquisition «der Spanier» auf protestantischer Seite zu einem Stereotyp des gewalttätigen und religiös — «gegenreformatorischen» Eifers verarbeitet27.
Das frühneuzeitliche Bild Spaniens im Reich war zum einen geprägt durch bereits im Hochmittelalter verfasste Reise- sowie Pilgerberichte und gewann erst ab 1500 durch eine gefestigtere Berichtslage an Konturen28. Weiterhin sind die aufkommenden wirtschaftlichen Beziehungen zu nennen, da etwaige Kaufleute und Handwerker sich in verschiedenen spanischen Städten niederließen29. Die Wahl Karls V. zum römisch-deutschen Kaiser 1519 brachte einen direkten Kontakt zwischen Spanien und dem Reich, welcher, geprägt durch politisch-religiöse Konflikte, einen öffentlich literarischen und propagandistischen Diskurs initiierte30.
and the Netherlands. Papers delivered to the fith Anglo-Dutch Conference, 5 / Hrsg. von J. S. Bromley, E. H. Kossmann. Den Haag, 1975. S. 38.
24 Pollmann, J. Eine natürliche Feindschaft. Ursprung und Funktion der schwarzen Legende über Spanien in den Niederlanden, 1560-1581, in: Feindbilder. die Darstellung des Gegners in der politischen Publizistik des Mittelalters und der Neuzeit / Hrsg. F. Bosbach. Köln, 1992. (Bayreuther Historische Kolloquien. Bd 6). S. 81; Briesemeister, D. Die antispanischen Flugschriften in Deutschland. S. 148.
25 Trotz der Spannungen, die zwischen Rom und Madrid zu jener Zeit herrschten, wurden bei als verbündete Allianzpartner betrachtet. Vgl.: Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie. S. 322.
26 Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie. S. 324.
27 Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie. S. 250-253.
28 Hönsch, U. Wege des Spanienbildes im Deutschland des 18. Jahrhunderts: von der schwarzen Legende zum «Hesperischen Zaubergarten». Tübingen, 2000. S. 13-17.
29 Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie. S. 237.
30 Hierbei bildeten der schmalkaldische Krieg und der dadurch resultierende Versuch eine Legitimationsgrundlage zum Vorgehen gegen den Kaiser einen Höhepunkt. Zugleich sei auf eine theologisch-religiöse Polemik verzichtet worden und somit resultierte weniger der Gegensatz protestantisch — katholisch, sondern eher christlich — heidnisch/dämonisch. Vgl.: Pollmann, J. Eine natürliche Feindschaft. S. 78, 87.
Innerhalb der Publizistik während des Dreißigjährigen Krieges wurden bereits bestehende, vornehmlich negative Stereotype mit etwas neuem propagandistisch Wertvollem verbunden und dabei modifiziert. Charakteristika, wie der «katalanische verschlagene Kaufmann», oder andere Projektionsflächen, welche zuvor im internationalen publizistischen Diskurs eine Rolle gespielt hatten, traten in den Hintergrund31. Für das Reich ist vor allem die starke militärische Präsenz Spaniens zu nennen, eine bedeutende Komponente bei der antispanischen Publizistik bildete32. Durch militärische Operationen wie der Einmarsch in Böhmen und die Teilnahme an der Schlacht am Weißen Berg (1620), sowie die Besetzung der Rheinpfalz (1620-1622) und die Schlacht bei Nördlingen (1634), erlebte die Bevölkerung im Reich die spanische Präsenz in Form von Soldaten und identifizierte sie somit mit dem Krieg und als Urheber allen Übels. Hierbei ist die besondere Rolle des Heerführers Ambrosio di Spinola (1569-1630) zu beachten33. Der im spanischen Dienst stehende Heerführer aus Italien konnte bereits vor Ausbruch des Krieges weitreichende Siege im Dienste König Philipps III. (1578-1621) erzielen. Er spielte eine tragende Rolle bei der Eroberung der Pfalz und war somit ein beliebtes Ziel der antispanischen Publizistik im Reich34. Des Weiteren fand der schon vorher bestehende antispanische Stereotyp des eifrigen Katholiken im Dreißigjährigen Krieg in der antispanischen Publizistik neuen Zündstoff35. Haben nun die schon vorher vorhandenen Stereotypen über Spanien Einzug in die Flugblattpublizistik gefunden und lassen dabei sich Tendenzen erkennen? Dies soll nun an zwei Flugblättern überprüft werden.
Der Antihispanismus in zeitgenössischen Flugblättern
Das erste Beispiel ist ein anonym erschienenes Flugblatt aus dem Jahr 1621 und trägt den Titel «Spanische Spinnstuben oder Rockenfahrt» (ill. 1)36. Der Titel bestimmt die räumliche Situation und das darauffolgende
31 Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie. S. 270; Swart, K. W. Black Legend. S. 37.
32 Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie. S. 240.
33 Rodríguez Villa, A. Ambrosio Spinola, primer Marqués de los balbases: Ensayo biográfico. Madrid, 1905.
34 Briesemeister, D. Die antispanischen Flugschriften in Deutschland. S. 158-161.
35 Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie. S. 240.
36 Spanische Spinnstuben oder Rockenfahrt» (1621, o.O.), in: Deutsche illustrierte
bildliche Programm, in das die dargestellten Personen eingebettet sind. Zudem werden die Aktivitäten der verschiedenen Personengruppen durch Spruchbänder begleitend erklärt.
In der Mitte links spinnt der bewaffnete Spinola einen Faden unter einem Spinnrocken voller Waffen und Flachs (Der Heilige Papst mich Spinnen laß). Rechts steht mit Tiara und Kreuzstab der Papst (Ichgib euch das Gratias). Im Hintergrund befindet sich eine Personengruppe, die den Flachs durch verschiedene Arbeitsschritte zum Spinnen vorbereiten und die aufgrund ihrer Bekleidung als Mitglieder des Jesuitenordens zu identifizieren sind (So hecheln wir dann destodatz). Aus einer Wolke erscheint die Hand Gottes mit einer Schere, die gerade dazu ansetzt den Faden zu zerschneiden, den Spinola spinnt (Unnd [sic] ich schneid ab den Fanden natz) Außen links stehen drei Herren, die weitere Arbeit in der Spinnstube zu sabotieren versuchen (Wie fein verwirren wir doch das). Hinter den drei Männer ergibt sich eine Landschaft mit drei Städten Oppenheim, Alzey und Kreuznach.
Der dazugehörige Text unterliegt einer inhaltlichen Dreiteilung. Zu allererst wird, unter der Überschrift Bedeutung dieser Figur in den generelle Raum der Spinnstube eingeführt; es folgt eine Erklärung über die Vorgänge in der Spinnstube mit den dazugehörigen Personengruppen. Im nächsten Abschnitt Treuherzige Erinnerung wird die Metaphorik des Spinnens fortgesetzt indem das Reich ermahnt wird Frieden zu spinnen und vor dem Türck37 gewarnt wird, welcher die vorige Arbeit abhaspeln könnte. In einem letzten Teil wird ein Appell an die christlichen Protestanten gerichtet sich von «von diesen wol versehen, die das falsch Spinnraht umdrrehen», denn diese würden durch das göttliche Gericht ihre gerechte Strafe erhalten: Auch Gottes Zorn wie Feuer brinnt/ Wann man so heilloses Garn spinnt/ Dann hat er geschworen hoch und theur/ Er wols werffen ins höllisch Feur. Der Text zeigt sich wenig polarisierend und ist teilweise nicht auf zeitgenössische Ereignisse abgestimmt. Das Flugblatt erhält erst durch den graphischen Anteil und den dazugehörigen Spruchbändern seine wertende Wirkung:
Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts / Hrsg. W. Harms. Tübingen, 1987. Bd IV. S. 151.
37 Vgl. auch Schilling, M. Aspekte des Türkenbildes in Literatur und Publizistik der Frühen Neuzeit, in: Das Flugblatt in der Frühen Neuzeit, Traditionen — Wirkungen — Kontexte / Hrsg. W. Harms, M. Schilling. Stuttgart, 2008. S. 227-244.
Die Spinnstube (oder auch Rockenstube) besaß zeitgenössisch einen moralisch-verwerfliche Konnotation38. Diese Auffassung spiegelte sich auch auf einigen frühneuzeitlichen Flugblättern wider, die ebenfalls die Spinnstube als Sujet hatten, da dieser Ort als ein Schauplatz für unsittliches und blasphemisches Verhalten galt39. Durch die Tätigkeit des Spinnens werden die Akteure teilweise degradiert, denn eine solche Tätigkeit steht hier vollkommen konträr zur gesellschaftlichen Position der gezeigten Personen, wurde diese Beschäftigung doch von der Landbevölkerung ausgeübt.
Ambrosio Spinola wird in diesem Bild die Rolle eines Protagonisten zuteil, was sich zum einen durch die Positionierung im Bildaufbau und zum anderen durch die ausführende Tätigkeit erklären lässt. Er ist es nämlich, der aktiv den letzten und entscheidenden Schritt der Wollverarbeitung ausführt. Durch die zentrale Rolle Spinolas wird deutlich, dass die spanische Monarchie durch eine Personifikation dargestellt wird, indem die Wahl auf eine Person gefallen war, die mit dem Einmarsch im Jahr 1620 in die Kurpfalz unmittelbar Einzug in die Lebenswirklichkeit der Menschen genommen hatte. Dies wird durch die drei Städte im Hintergrund verstärkt, da diese von Spinola und seinem Heer eingenommen worden waren. In dem Flugblatt wurde weiterhin das Thema einer spanisch-jesuitischen-päpstlichen Allianz aufgegriffen. Versinnbildlicht wird diese Allianz durch eine aktive Zusammenarbeit in der Spinnstube40. Die Position des Papstes als einen segenspendenden Beobachter könnte auf die Unterstützung der Operationen Spanien durch Subsidienzahlungen verweisen41. Der Aspekt des gewaltvollen Konfessionskonfliktes, durch den sich der Dreißigjährige Krieg auch charakterisierte, findet in diesem Flugblatt eindeutig Anklang: Spanien, Jesuiten und der Papst spinnen ein unheilvolles und gewaltverheißendes Garn, welches nur durch die eingreifende göttliche Instanz vernichtet werden kann und somit der protestantische Konfession zum Sieg über die katholischen Mächte verhelfen wird. Außerdem zeigt das Flugblatt mittels seines diffamierenden Charakters eine antispanische Einstellung.
38 Vgl. Frey, J. Art. «Spinnstube», in: Enzyklopädie der Neuzeit. 2010. No 12. Sp. 354358.
39 Vgl. Harms, W. Deutsche illustrierte Flugblätter, Bd II, No 157, 291.
40 Für weitere Beispiele vgl. Schmidt., P. Spanische Universalmonarchie. S. 325-333.
41 Burkhardt, J. Der Dreißigjährige Krieg. S. 144.
Was die Komposition aus Text- und Bildanteil betrifft, könnte man der These Wolfgang Harms folgen, dass hier eine Funktionsaufteilung vorgenommen worden ist, indem das Bild etwas Neues und damit Riskantes abbildet, wohingegen der Text sich auf etwas Konventionelles stützt und sich dadurch nicht direkt auf die dargestellte Szene bezieht42.
Das zweite Flugblatt trägt den Titel «Die Newe Wahrheydt»43 und ist anonym im Jahr 1621 erschienen. Das Flugblatt beeindruckt durch einen sehr komplexen Bildaufbau, indem sich verschiedene Handlungen auf unterschiedlichen Ebenen abspielen, eingebettet in eine Darstellung aus Tiermotiven.
Im Vordergrund befindet sich der pfälzische Löwe im Kampf mit einer Übermacht, bestehend aus einem Bär, einer Spinne sowie Schlange und Drache. Die Spinne hat sich aus ihrem Netz heruntergelassen, das über die linke obere Ecke des Bildes gesponnen ist und in dem sich drei Städte sowie mehrere Häuser verfangen haben. Zu Füßen der kämpfenden Gruppen liegen die böhmische Wenzelskrone, ein Zepter sowie einige Federn.
Unterhalb des Spinnennetzes, halb verdeckt durch Spinnenfäden, kämpfen zwei Löwen mit einem Adler. Rechts im Mittelgrund schauen drei junge Löwen, auf einem mit Federn und Kissen gepolsterten Thron sitzend den Kampfhandlungen zu. Hinter ihnen auf einem Gräberhügel befindet sich ein Schaf, welches von Dornengestrüpp eingeschlossen ist. Im Hintergrund eröffnet sich der Blick auf eine Landschaft, welche von Soldaten, teils im Marsch, teils kämpfend, bevölkert ist.
Das Motiv der Tierallegorie und die damit verbundene Attribuierung findet eine vielfache Verwendung auf Flugblättern44. Die hier verwendeten Tierallegorien, die damit vollzogene Umwandlung von Personen und politischen Gruppen in Tiere, basiert auf verschiedenen Assoziationsmechanismen, welche nicht allein durch Alltagserfahrungen von den Rezipienten entschlüsselt werden konnten45. So beruhten
42 Harms W. Wahrnehmungsgeschichte. S. 13.
43 Die Newe Wahrheydt (1621 o.O.), in: Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts / Hrsg. W. Harms. Tübingen, 1987. Bd II. S. 305.
44 Harms, W. Feinbilder im illustrierten Flugblatt, in: Feindbilder. die Darstellung des Gegners in der politischen Publizistik des Mittelalters und der Neuzeit / Hrsg. F. Bosbach. Köln, 1992. S. 150-151.
45 An dieser Stelle sei noch auf die Gattung der Fabel verwiesen, in der Tiere als Akteure handelten und mit verschiedenen charakterlichen Grundzügen ausgestattet
zum Beispiel Tiere auf der Verwendung heraldischer Elemente. Die beiden Löwen im Hintergrund des Bildes können zum einen aufgrund des Kurhutes als kurpfälzischer und zum anderen aufgrund des Doppelschwanzes als böhmischer Löwe identifiziert werden46. Übertragen wird diese Form der Löwenallegorie wohl auf Friedrich V., in seiner zeitweiligen Doppelfunktion als Kurfürst und König von Böhmen. Der gekrönte Adler, der von den zwei Löwen attackiert wird, steht stellvertretend für das Reich. Die auf dem Thron sitzenden Löwenjungen könnten somit als eine Anspielung auf drei Kinder Friedrichs interpretiert werden. Der Drache kann stellvertretend für den Papst angesehen werden. Dies ist daraus zu erklären, dass Paul V. Borghese (reg. 1605-1621) eben genau dieses Tier in seinem Wappen führte47. Auch die Etymologisierung spielte bei der Wahl der Tierallegorien eine wichtige Rolle, da hier eine Verbindung, unter Rückgriff auf einen Topos a nomine, zwischen Bär — Bayern (Maximilian I. von Bayern) und Spinne — Spinola — Spanien gesehen werden kann48. Die Abbildung des Lamms kann aus einer christlichen Auslegungstradition heraus als agnus dei interpretiert werden. Bei der Abbildung der Schlange ist sich die Forschung bei der Identifizierung nicht einig. Es wird vermutet, dass es sich um die Darstellung der Jesuiten handeln könnte49.
Die Wahl, den Feldherren Spinola als Spinne darzustellen, kann neben etymologischen Gründen auch aus weiteren Ansätzen erfolgen: Bereits im Alten Testament (Jesaja 59, 5-6) finden sich Verweise auf das negative Bild der Spinne50. Im Sprachgebrauch finden sich
waren. Die Tierfabel, die bereits in der Antike ihren Ursprung fand, war auch frühneuzeitlich bekannt und präsent und konnte somit als Vorbild für die Verwendung in Flugblättern dienen.
46 Oswald, G. Lexikon der Heraldik. Mannheim/Wien/Zürich, 1985. S. 103, 243-245.
47 Martin, J. Heraldry in the Vatican: A historical walk with the Prefect of the Pontifical household through the treasures of papal heraldry. Gerrards Cross, 1987. S. 119-121.
48 Vgl. Harms W. Flugblätter 16. und 17. Jahrhundert. S. 304; Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie. S. 358.
49 Harms merkt an, dass die Schlange innerhalb der protestantischen Propaganda zur Darstellung der Jesuiten genutzt wurde, und dies bei einer anderen Fassung des Blattes durch eine handschriftliche Notiz verbalisiert erscheint (Daß Schlange und Ottergezücht der Jesuiten), dennoch wendet er ein, dass die Schlangen dann meist mit Jesuitenhut dargestellt wurden. Vgl. Harms, W. Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Bd II. S. 304.
50 Jesaja 59, 5-6: Sie brüten Natterneier und weben Spinnweben. Isst man von ihren Eiern, so muss man sterben, zertritt man sie aber, so fährt eine Schlange heraus.
Ausdrücke wie «sich spinnefeind sein»51 und die Eigenschaften des Tieres wie Gier und das Giftigsein zeigen die negative Konnotation der Spinne52. Der Spinne wurden auch, wie vielen weiteren Insekten, in der christlichen Ikonographie lasterhafte Eigenschaften, wie Geiz und das vergebliche Schaffen aus Habgier und Ruhmsucht, zugeschrieben53. Auch das Spinnennetz, welches zeitgenössisch als Sinnbild für Intrigen und menschliche Schwachheit verstanden wurde, trägt maßgeblich zu dieser Assoziation bei54. Dies konnte dazu genutzt werden, eine feindliche Partei diffamierend darzustellen. Dabei wurde hier die negativ verstandene Tierbildlichkeit der Spinne genutzt, aktiv eine Wertung hervorzurufen, die sich in einer Abqualifizierung der gegnerischen Partei niederschlug55.
Der historische Hintergrund, auf den sich dieses Flugblatt bezieht, bilden die Eroberung und Besetzung der Pfalz. Zudem sollen die Kampfhandlungen im Vorder- und Hintergrund eine Verbindung zwischen den Ereignissen in Böhmen und den Ereignissen in der Kurpfalz herstellen. Dabei tritt der Kampf beider Löwen mit dem Adler als ein dem Hauptkampf vorangestelltes Ereignis auf. Verwiesen wird auf die Lage Friedrichs V., der Aberkennung seiner Kurwürde, die Flucht aus Böhmen und den drohenden Verlust seines Stammlandes. Die Löwenjungen als Repräsentanten einer zukünftigen Generation geben einen noch nicht gewissen Ausblick in die Zukunft. Auch das Spinnennetz zeigt eine zukunftsgerichtete Symbolik. Denn ob sich weitere Territorien in dem Netz verfangen werden, war zwar zu diesem Zeitpunkt offen, sollte sich aber als zutreffend erweisen.
Ihre Gewebe taugen nicht zu Kleidern, und ihr Gespinst taugt nicht zur Decke. Ihre Werke sind Unheilswerke, an ihren Händen ist Frevel.
51 Dieser Ausdruck ist bis in das 16. Jahrhundert zurückzuverfolgen und sei auf die Beobachtung, dass Spinnen ihre Artgenossen verspeisen, zurückzuführen. Vgl.: dazu Seebold, E. (Hrsg.) Kluge - Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Berlin, 2011. S. 868.
52 Langemeyer, G. (Hrsg.) Bild als Waffe: Mittel und Motive der Karikatur in fünf Jahrhunderten. München, 1984. S. 238.
53 Sachs, H., Badstüber, E., Neumann, H. (Hrsg.) Wörterbuch der christlichen Ikonographie. Regensburg, 2004. S. 194.
54 Sachs, H., Badstüber, E., Neumann, H. (Hrsg.) Wörterbuch der christlichen Ikonographie. S.194.
55 Harms, W. Feindbilder. S. 252.
Das vorliegende Flugblatt verfügt über keinen sich direkt angliedernden Textanteil. Peer Schmidt aber ist der Meinung, dass ein zu dieser Zeit entstandenes Volkslied eine Ergänzung zu diesem Flugblatt bilden würde56:
Nach so Viel, die da kommen seind / Das Unbild groß zu rächen / Kommt auch die Spinn, ein starker Feind/ Thut nach dem Gift hart stechen. / Das Hirn saugt sie dem Löwen aus / Aus seinem Haupt mit Zoren / Und macht ein Spinneweben draus / Der Raub ist nun verloren57.
So wurde Spanien als politischer Akteur in einem ersten Schritt personifiziert und dann in einem zweiten Schritt in eine Szene, zusammengesetzt aus verschiedenen Tierallegorien, positioniert. Mit der Wahl des Motivs der Spinne, charakterisiert durch die Attribuierung verschiedener Negativa und durch ein im Text beschriebenes grausames Vorgehen, wird der Stereotyp des gewalttätigen und brutalen Spaniers wieder aufgegriffen.
Fazit
Die zwei vorgestellten Flugblätter haben einen Einblick in die Themen- und Darstellungsvielfalt der antispanischen Flugblattpublizistik gegeben. Beispiele für eine weitere Untersuchungsfelder wären unter anderem die spanische Monarchie in der heilsgeschichtlichen Einordnung, Spaniens Anspruch als monarchia universalis sowie die Präsenz in den Amerikas. Des Weiteren lässt sich festhalten, dass die antispanische Flugblattpublizistik auf bereits bestehende Stereotype, wie zum Beispiel die besondere spanische Verbundenheit mit dem Papsttum als auch den Jesuiten oder eben eines besonders gewalttätigen Spaniens, zurückgreift um Ereignisse und gegenwärtige Zustände, wie zum Beispiel eine militärische Besetzung, zu verarbeiten. Als Instrument dienten dabei diffamierende Schauplätze, Tätigkeiten oder auch Tierallegorien. In beiden Flugblättern wurde sich mit dem «spinnen» auseinandergesetzt, sowohl aus handwerklicher Sicht als auch in Bezug
56 Das Volkslied wurde bereits bei einem Flugblatt verwendet, welches die gleichen Tiermotive verwendet hatte, vgl. Schmidt, P. Spanische Universalmonarchie. S. 358.
57 «Gehaime Andeutung über einen vermainten König» (o.J.) in: Die historisch-politischen Volkslieder aus fliegenden Blaettern, sonstigen Druckwerken u. handschriftlichen Quellen gesammelt u. nebst d. Singweisen zusammengestellt / Hrsg. F. W. von Ditfurth. Heidelberg, 1882. No 21, 1. S. 48.
auf das Tier selbst. Das eine wie das andere trägt dazu bei, den Rahmen beziehungsweise Auslegungspunkt für die jeweilige mediale Umsetzung zu geben. Der politische Gegner, in diesem Falle Spanien, wurde durch stereotype Zuschreibungen so verarbeitet und dem Publikum als inimicus sowie Verantwortlichen für Krieg und Leiden präsentiert. Das Vorgehen, Motive zu verwenden, die einen besonderen Wiedererkennungscharakter besaßen, führte dazu, dass Inhalte, trotz der komplexen Ausgestaltung des Bildanteils, klar verständlich waren und somit die Rezipienten leichter erreichen konnten. Eine Komplexitätsreduktion wurde dabei erreicht, indem die Person des Ambrosio Spinola als Projektionsfläche der stereotypen Zuschreibungen genutzt wurden, welcher symbolisch für die negativ konnotierte Präsenz Spaniens im Reich steht, sei es als Spinne oder als spinnender Feldherr.
Information on the article
Kuhlmann, Y. Spinne und Spinola. Das Bild Spaniens in der protestantischen Flugblattpublizistik während des Dreißigjährigen Krieges, in: Proslogion: Studies in Medieval and Early Modern Social History and Culture, 2018. Vol. 4 (2). P. 158-178.
Yannika Kuhlmann, Department of History, Heidelberg University (69117, Germany, Heidelberg, Grabengasse 3-5; aud. 229)
yannika.kuhlmann@zegk.uni-heidelberg.de
The Thirty Years War can be understood as the scene of a transnational field of conflict inwhich various parties and actors were involved. The Spanish line of the Habsburgs was one of these actors and it carried out various conflicts because of its overarching interest in power. Furthermore, the Thirty Years War is also referred to in research as the War of the Feathers, in which the warring parties dealt with political, denominational and social issues on a medial level. This article deals with the negative depiction of the Spanish monarchy during the early period of the Thirty Years War. It examines the continuity of pre-existing anti-Spanish stereotypes within the medium of the leaflet. First an introduction to the broader historical context, the role of the Spanish monarchy in the Thirty Years War, the medium of the leaflet with its characteristics as well as an explication of and some pre-existing anti-Spanish stereotypes is given. Against this backdrop two leaflets from 1621 are analyzed. The approach is limited to leaflets of German-speaking context and protestant authorship. On the first leaflet a key figure of the Thirty Years War, the military leader in services of the Spanish monarchy Ambrosius Spinola, is presented. The second leaflet shows a constellation of animal allegories. Finally, the adoption of already existing stereotypes, in a manner specific for leaflets, can be observed. This
article wants to present how the political opponent was assimilated with stereotypical allocation and was presented to the readers as an enemy and responsible for the suffering during the war.
Key words: Thirty Years War, stereotypes, Spanish monarchy, leaflets, Holy Roman Empire
Информация о статье
Kuhlmann, Y. Spinne und Spinola. Das Bild Spaniens in der protestantischen Flugblattpublizistik während des Dreißigjährigen Krieges, В кн.: Proslogion: Проблемы социальной истории и культуры Средних веков и раннего Нового времени. 2018. Вып. 4 (2). С. 158-178.
Янника Кульманн, Исторический семинар, Гейдельбергский университет (69117, Germany, Heidelberg, Grabengasse 3-5; aud. 229) yannika.kuhlmann@zegk.uni-heidelberg.de УДК 94(430).04
Тридцатилетнюю войну можно понимать как место транснационального конфликта, в котором участвовали различные стороны и субъекты. Испанская линия Габсбургов была одним из этих участников, и она провела различные конфликты из-за своего всеобъемлющего интереса к власти. Кроме того, Тридцатилетняя война также упоминается в исследованиях как «Война перьев», в которой противоборствующие стороны занимались политическими, конфессиональными и социальными проблемами на медиальном уровне. Эта статья посвящена негативному изображению испанской монархии в ранний период Тридцатилетней войны. В нем рассматривается преемственность ранее существовавших анти-испанских стереотипов в рамках брошюры. Сначала дается введение в более широкий исторический контекст, роль испанской монархии в Тридцатилетней войне, среда листовки с ее характеристиками, а также объяснение и некоторые ранее существовавшие антииспанские стереотипы. На этом фоне анализируются две листовки 1621 года. Подход ограничен листовками немецкоязычного контекста и протестантским авторством. На первой листовке представлена ключевая фигура Тридцатилетней войны, военачальник на службе испанской монархии Амброзий Спинола. Вторая листовка показывает созвездие аллегорий животных. Наконец, можно наблюдать принятие уже существующих стереотипов, характерных для листовок. Эта статья хочет показать, как политический противник был ассимилирован со стереотипным распределением и был представлен читателям как враг и ответственный за страдания во время войны.
Ключевые слова: Тридцатилетняя война, стереотипы, испанская монархия, памфлеты, Священная Римская империя
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