Научная статья на тему '«...DER RUSSE FüGT SICH LEICHTER, WENN MAN IHN IN SEINER SPRACHE ANREDET». ZUR BEDEUTUNG DER RUSSISCHEN WöRTERBüCHER UND DOLMETSCHER IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM 1813-1815'

«...DER RUSSE FüGT SICH LEICHTER, WENN MAN IHN IN SEINER SPRACHE ANREDET». ZUR BEDEUTUNG DER RUSSISCHEN WöRTERBüCHER UND DOLMETSCHER IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM 1813-1815 Текст научной статьи по специальности «Языкознание и литературоведение»

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Ключевые слова
РУССКИЙ ЯЗЫК / RUSSIAN LANGUAGE / СЛОВАРЬ / DICTIONARY / ПЕРЕВОДЧИК / НАПОЛЕОНОВСКИЕ ВОЙНЫ / NAPOLEONIC WARS / РУССКАЯ АРМИЯ / RUSSIAN MILITARY / МЕЖКУЛЬТУРНАЯ КОММУНИКАЦИЯ / INTERCULTURAL COMMUNICATION / ПОЛИТИЧЕСКАЯ ПРЕССА / POLITICAL DAILY PRESS / INTERPRETER

Аннотация научной статьи по языкознанию и литературоведению, автор научной работы — Шмоок Гюнтер

В своей статье автор представляет частично не опубликованные данные своих предыдущих исследований, касающихся русских словарей и работы переводчиков во время Наполеоновских войн 1799-1815, приурочивая свою публикацию к 200-летию освободительных войн в Германии, и освещает роль русской армии в изгнании Наполеона из германских государств. В статье рассматривается период между 1813 и 1815 гг., когда было выпущено большое количество этих книг, главным образом в Германии, а также в других европейских странах, чтобы подготовить население в языковом и культурном аспекте к появлению русской армии. Для выполнения этой цели были изменены подходы и концепция переводчиков русского языка, а также структура книг по русскому языку, которые теперь были нацелены на потребности пострадавшего от войны населения. Факты и тезисы, представленные в этой статье, должны позволить по-новому оценить значение переводчиков русского языка в те годы и не только с точки зрения лингвистики, но и комплексно. На основании документов показано, что их помощь затрагивала все слои общества, была востребована ими, и хотя качество перевода находилось на низком уровне, переводчики так или иначе помогли обеспечить сосуществование с русскими солдатами. Брошюры и листовки, выпущенные в 1813 г. и содержавшие сведения об особенностях русской культуры, также содействовали решению этой задачи. Изученные материалы, которые сегодня рассматриваются как библиографическая редкость, представляют ценные сведения по истории германских земель, в особенности истории повседневности, в период освободительных войн за счет их родства с политическими изданиями.

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О значении русских словарей и переводчиков для немецкоговорящих стран в 1813-1815 гг

The author presents currently unpublished findings from previous studies of Russian dictionaries and activity of translators at the time of the Napoleonic Wars 1799-1815, dated for the 200th anniversary of the wars of liberation in Germany, and examines the role of Russian army in the banishment of Napoleon out of the German countries. The article focuses upon the period between 1813 and 1815, when large quantities of phrase-books and dictionaries have been released, mostly in Germany, but also in other European countries, to make the population linguistically and culturally prepared for the arrival of the Russian forces. On this occasion translators of Russian language and authors of language books shifted conception and orientation from the «Satcheland Soldier-dictionary» to the needs of population affected by the consequences of war. The facts and arguments presented in this paper are aimed to new reassessment of the importance of interpreters of Russian of this period in its complexity, not only concerning their linguistic function. On the basis of documents it is shown, that this assistance was addressed to all strata of population and also was used by them. Though these translators had a low level of Russian language, they helped to some extent to arrange the coexistence with the Russian army. Intercultural information about the Russian military provided in extra-brochures and leaflets, which have been released in 1813, also contributed to this. These materials, which are regarded today as bibliophilic treasures, present a valuable evidence of the everyday history of the German population during the time of the wars of liberation due to their closeness to the political daily press of that period.

Текст научной работы на тему ««...DER RUSSE FüGT SICH LEICHTER, WENN MAN IHN IN SEINER SPRACHE ANREDET». ZUR BEDEUTUNG DER RUSSISCHEN WöRTERBüCHER UND DOLMETSCHER IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM 1813-1815»

y^K 94(47).072 94(430).063

G. Schmook

«...der Russe fügt sich leichter, wenn man ihn

in seiner Sprache anredet».

Zur Bedeutung der russischen Wörterbücher

und Dolmetscher im deutschsprachigen Raum

1813-1815

Mit nachfolgenden ausgewählten Erkenntnissen aus meinen bisherigen Untersuchungen zu russischen Wörterbüchern und Dolmetschern aus der Zeit der Napoleonischen Kriege (1799-1815) möchte ich die begonnene C^ wissenschaftliche Diskussion zu dieser Thematik bereichern.

o CS

tjh Die zeitliche und inhaltlichen Konzentration auf den Zeitraum 1813 bis 1815 so-^ wie auf die Bedeutung dieser Sprachbücher als wichtige interkulturelle Zeugnisse g der Alltagsgeschichte der deutschen Bevölkerung soll zugleich eine Würdigung des ^ 200. Jahrestages des konkret-historischen Hintergrundes der russischen Verständi-Jg gungshilfen ab 1813 sein: die Befreiungskriege in Deutschland und der Anteil russig scher Armeeangehöriger am Sieg gegenüber Napoleon.

| Ende Januar 1813, nachdem russische Truppen auf deutsches Gebiet vorstießen, ^ verlagerten die russischen Dolmetscher und Sprachbücher ihre konzeptionelle Ausg richtung vom «Tornister- und Soldatenwörterbuch» auf die Bedürfnisse der von den !g Kriegsfolgen betroffenen Bevölkerung.

o Mit dieser Zielstellung entstanden viele neue russische Dolmetscher. Aber

^ auch bisherige erschienen weiter, entsprechend den neuen interkulturellen Be-

^ dürfnissen leicht verändert oder ergänzt. So wurde z.B. der «Russische Dolmet-

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scher» von W.C. v. H., der 1812 ursprünglich «den nach Norden marschirenden Kaiserlich Königlichen Französischen und verbündeten Armeen gewidmet»1 war, natürlich ohne diesen Zusatz durch «...eine Nachricht über das russische Militär als Anweisung zur Behandlung desselben für Hauswirthe bei Einquartierungen» erweitert. Auch ein Hinweis auf die «französische Mundart» sowie der französischen Paralleltitel fehlte2. Den Einsatz dieses Wörterbuches im Russlandfeldzug nutzte der Verlag werbemäßig, indem er darauf hinwies, «dass dieser Dollmetscher, <...> der brauchbarste und vollständigste ist, wie der längere Gebrauch schon in entfernteren Gegenden bewiesen hat»3.

Exakt dieses Sprachbuch von W. C. v. H. wurde Anfang 1813 in Berlin durch F. C. Amelang unter neuem Titel vermarktet: «Russischer Dolmetscher für den Bürger und Landmann, worin die nothwendigsten russischen Wörter, Gespräche und Zahlen enthalten sind, wie solche nach der deutschen Mundart ausgesprochen werden müssen»4.

Beide genannten russischen Verständigungshilfen gehörten damit zu den ersten, die im Januar 1813 in Berlin angepriesen wurden und auf den Vormarsch der Russen reagierten. Auch aus eigenen Dolmetschern früherer Koalitionskriege stellten manche Buchhändler, wie Dreyssig in Halle, aus jeweils aktuellem Anlass «neue» Verständigungshilfen zusammen. Deshalb konnte dieser wie bereits 1812 auch Anfang 1813 sehr schnell auf neue Anforderungen reagieren, genauso wie die Leipziger Buchhändler Klein und Cnobloch, denen Dreyssig diese Materialien zu deren Verwendung zu Verfügung stellte5.

Die deutschen Verlagsorte der russischen Sprachführer hatten bei allen Veröffentlichungen seit 1799 stets einen konkreten Bezug zum jeweiligen Kriegsverlauf; seit 1813 verschoben sie sich parallel mit den Hauptstoßrichtungen der russischen Truppen von Ost nach West. Das Phänomen der Dolmetscher war nicht nur auf das deutschsprachige Gebiet beschränkt: es begleitete die verbündeten Truppen

1 Siehe Anzeige des Industrie-Comptoirs Leipzig in der Leipziger Zeitung No. 105 vom 1 Juni 1812, S. 1132: «Bey uns ist folgendes, für die jetzigen Zeitverhältnisse besonders zu empfehlende Werkchen erschienen: Russischer Dolmetscher, worin die nothwendigsten Russischen Worte, Gegen- ^ stände und Zahlen, wie solche nach der französischen und deutschen Mundart ausgesprochen 3 werden müssen, enthalten sind; den nach Norden marschirenden Kaiserlich- Königlich Franzö- ^ sischen und verbündeten Armeen gewidmet, von W.C.v.H., Taschenformat, Preis 4 gr. broschirt.» ^ (zusätzliche Nennung des französischen Titels «Interprète Russien..., par W.C.de H.») ^

2 W.C.v.H., Russischer Dolmetscher, worin die nothwendigsten Russischen Worte, Gegenstände g und Zahlen, wie solche nach der französischen und deutschen Mundart ausgesprochen werden  müssen, enthalten sind. Nebst einer kurzen Nachricht über das russische Militair als An- "g weisung desselben für Hauswirthe bei Einquartierungen, Industrie-Comptoir. Leipzig, 1813. 'g

3 Leipziger Zeitung No. 34. 17.02.1813. S. 342. Auf diesen inhaltlich-konzeptionellen Wechsel .3 hat F. Otten in seinem Beitrag in «Bibliothek und Medien» Otten 2012. S. 6 anhand eines An- ^ noncenvergleiches zu einem Dolmetschers im Wochenblatt Langensalza im Januar und Feb- ig ruar 1813 bereits hingewiesen. Hi

4 Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen No..11. vom 26.01.1813. -g

5 Siehe Protokoll der Durchsuchung und Befragung des Buchhändlers Dreissig v. März 1813 — ^ Archiv Geheimes Staatsarchiv Berlin. -S

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letztendlich bis nach Paris; es gab russische Dolmetscher in den Niederlanden, in Belgien, sowie in der Schweiz6, durch die — deren Neutralität verletzend — die Armeen Richtung Paris zogen, und in Frankreich selbst. Wenn man bedenkt, dass dann auch deutsche Soldaten Seite an Seite mit den Russen und Österreichern in die jeweiligen Länder einzogen, ist die Herausgabe eines «Kleinen Flämisch-deutschrussischen Wörterbuches» im belgischen Brügge Anfang 1814 sowie weiterer derartiger Verständigungshilfen nur folgerichtig7.

In Deutschland wurden die Dolmetscher bereits vor dem Eintreffen der russischen Armee durch Anzeigen in der lokalen Presse beworben und durch den örtlichen Buchhandel angeboten. Leipzig, das damals den Buchhandel und das Verlagswesen in Deutschland prägte, erwies sich neben Berlin und Halle als dominierender Verlagsort. Einige dieser Veröffentlichungen wurden auch direkt in Russland gedruckt und parallel in deutschen Verlagen herausgegeben. So wurde der in St. Petersburg 1813/1814 bei Pluchart verlegte «Kleine(r) russische(r) Dollmetscher für die Deutschen; Enthaltend die nothwendigsten Wörter und Gespräche» von N. C. Kreye, 1814 auch bei der Pluchart-Dependance in Braunschweig unter dem Titel «Kleiner russischer Dollmetscher für die Deutschen. Dritte umgearbeitete Auflage mit dem russi -schen Originaltexte» herausgebracht8.

Die russischen Dolmetscher und Sprachführer der Napoleonischen Kriege waren als in der Regel kleinformatige Broschüren (vor allem im Oktav-Format) drucktechnisch als Massenware angelegt und zu einem relativ günstigen Preis zu haben. Sie waren in der Regel zwei-, seltener auch dreisprachig. Die Transkription der russischen Wörter erfolgte nach Gutdünken der jeweiligen Autoren meist mit lateinischen Buchstaben, was man «für denjenigen, der sich dem Rußen nur durch Töne und Ausdrücke begreiflich machen will...» als ausreichend erachtete9. Die Bezeichnungen

Einer der in der Schweiz gedruckten russischen Wörterbücher jener Zeit ist: Dollmetscher 1814 (Basel).

Croiset van de Koop, 1913 — die Autorin nannte in ihrer Artikelfolge insgesamt 9 niederländisch-russische Dolmetscher und ein dreisprachiges Wörterbuch, das in Belgien herauskam und die deutsche Sprache einbezog: Kleyn woorden-boeksen vlaemsch, dytsch en russisch, in-houdende de meest-gebruykte worden en kleyne spreek-wyzen, dienende om zig te vertaen met

g de Russen en Dytsche., Brugge, by E.-J. Terlinck, 8, 14 S.

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Interessant ist, dass die in Holland und Belgien erschienenen Wörterbücher offensichtlich oberflächliche Übersetzungen in Deutschland erschienener Verständigungshilfen darstellten. Im Gegensatz zu diesen sind sie jedoch außerhalb Deutschlands stets einige Tage nach dem o Einmarsch der verbündeten Armeen erschienen!

t^ 8 Auf Kreye oder einen anderen Autor, die ihren damaligen ständigen Aufenthaltsort im rus-^ sischen Hoheitsgebiet hatten, weist die Tatsache hin, dass mancher Titel auch nach 1815 in Ü Russland selbst weitere Auflagen erlebte, siehe Dollmetscher 1819 (St. Petersburg); Doll-metscher 1839 (St. Petersburg) und Dolmetscher 1864 (Moskau). Auch außerhalb Russlands s hinterließ Kreyes Dolmetscher seine Spuren: John Christoph Frenckell veröffentlichte 1814 in ^ Abo seinen Sprachführer «Rysk Tolk för Swenskar... Abo, 1814»; «...his parleur itself is a translation of the third edition of the Russischer Dolmetscher für Deutsche by N. C. Kreye (1813)». Siehe: Janhunen, 2008. S. 88, 94.

Rußland, 1813. S. 7.

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«Nothelfer», «Not- und Hilfsbuch» (heute würde man sagen: Praktische Ratgeber) und vor allem «Dolmetscher» entsprachen der Erwartungshaltung der potenziellen Abnehmer. Wegen der großen Konkurrenz versuchte manch Autor oder Verleger sich durch werbewirksame Zusätze, wie «Neuer», «Ausführlicher» «Vollständigster», «Besserer» etc. von anderen abzugrenzen.

Bibliographisch erschwerend kommt hinzu, dass einige Dolmetscher sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzten, die auch als eigenständige Sprachbücher (manchmal zeitversetzt) einzeln verkauft wurden. Über die Jahre hinweg ist in manchen Bibliotheken und Bibliographien dieser Gesamtbezug dann verloren gegangen10.

So hatte beispielsweise der Leipziger Verlag E. Klein 1813 die drei Werke«Erste Anfangsgründe zur Erlernung der russischen Sprache oder deutsch-russisches ABC-Buch» (3 Groschen); «Neuester russisch-deutscher Dolmetscher; 1. Heft» (2 Gr.) und «Neuester russisch-deutscher Dolmetscher; 2. Heft» (2 Gr.) entweder einzeln oder aber unter dem Titel «Neuester russisch-deutscher Dolmetscher; mit ABC-Buch, als großer Dolmetscher» im Komplex verkauft. «Diese 3 Hefte zusammen als großer Dolmetscher, 6 Gr.»11

Von Thomas Szumski 1813 in Posen herausgebrachtem Russischen Selbstlehrer, der sowohl eine Grammatik, als auch Redensarten und Gespräche sowie ein zweisprachiges « Vokabulär» umfasste, wurden sowohl die Redensarten als auch das Wörterverzeichnis auch einzeln vermarktet12.

Der Schwerpunkt der Veröffentlichungen derartiger russischer Verständigungshilfen liegt eindeutig in den Jahren 1813-1814. Baumann nannte in seiner Habilitationsschrift 1969 für den gesamten Zeitabschnitt der Napoleonischen Kriege insgesamt 72 «deutschsprachige Lehrmittel des Russischen», wovon allein auf den Zeitraum 1813/14 61 entfielen13. Nach meinen bisherigen Recherchen kann man durchaus von einer doppelten Anzahl der in beiden Zeitabschnitten herausgebrachten russischen Wörterbücher und Dolmetscher ausgehen!

Der Bedarf der Bevölkerung an diesen Sprachbüchern muss riesig gewesen sein. Bellermanns «Kleine Sammlung der nothwendigsten Russischen Wörter und Redensarten nach ihrer Aussprache und deutsch erklärt» wurde in den Berlinischen Nachrich- !£ ten von Staats- und gelehrten Sachen am 11. Februar 1813 das erste Mal angezeigt; ö

10 Kusnetzows Dolmetscher — Kusnetzow 1813 — ist zeitversetzt in zwei Teilen (Abteilungen) erschienen und dabei gibt es besonders bei dem russischen Teil «Samyj novyj rossijskij ig perevodcik...», wenn er in Bibliotheken einzeln überliefert wurde, wie in Freiberg und Dres- Ä den Zuordnungsprobleme, die oftmals mit einer zeitlich unkorrekten Katalogserfassung einher "g gehen. Auch der Dolmetscher als Ganzes wird oft zeitlich später als 1813, wo er definitiv er- 'g schien, eingeordnet! -g

11 Dieses Wörterbuch geht offensichtlich auf Johann Adolph Erdmann Schmidt als Verfasser ^ zurück; siehe auch den entsprechenden Hinweis im Allgemeinen Anzeiger der Deutschen ig No. 230, Gotha vom 28. Sept. 1814, S. 2479. H2

12 Szumski, 1813. |

13 Baumann, 1969. In diese Kategorie fasste er «Allgemeine Wörterbücher, Grammatiken, Lehr- ^ bücher, Lektüre, Sprachführer und Lehrtafeln». -S

am 4. März 1813 wurde die zweite verbesserte Auflage mit der Bemerkung beworben: «So scheint auch das Publikum diese Schrift aufgenommen zu haben, da in kurzer Zeit die erste Auflage vergriffen ist». Die «Deutsch-Russische Haustafel» von Zeune, erstmals annonciert am 20.02.1813, erschien am 02.03 bereits in der zweiten und am 11.03.1813 in der dritten Auflage. Der «Deutsch-Russischen Dolmetscher für Jedermann», «zum Aufhängen im Zimmer eingerichtet», hatte innerhalb von ca. 3 Wochen 4 Auflagen!

Die hohe Nachfrage nach diesen Materialien hatte vor allem pragmatische Gründe:

a) Die Bevölkerung litt unter den fremden Truppen, unabhängig von ihrem militärischen Status als Verbündeter oder Feind, und versuchte sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren:«Man wartet ab, man nimmt hin, man passt sich an»14.

Eine fremde Kultur und vor allem eine völlig unbekannte Sprache stellten die Einwohner vor hohe Herausforderungen und versetzte sie «...oft mit dem fremden Militär in unangenehme Verhältnisse..»15. Um dem vorzubeugen, wurden, wenn möglich, in Ortschaften Sprachkundige als Dolmetscher eingesetzt16. Die Familienoberhäupter («Hausväter») besorgten sich zur existentiellen Absicherung ihrer Familie und ihres Vermögens russische Wörterbücher und Dolmetscher.

« Viele bereiteten sich auf den fremden Besuch aus dem Norden vor, schafften sich russische Dolmetscher und Heiligenbilder an, und stellten sie im Zimmer auf, wie man sich zur Zeit der Franzosenkriege Grammatiken und Dolmetscher angeschafft hatte»17.

b) Zugleich war man daran interessiert, als Kaufmann, Handwerker oder Vertreter städtischer Behörden mit den Vertretern der russischen Armee in geordnete Geschäftsbeziehungen zu gelangen, wenn dies die Kriegsumstände überhaupt zuließen.

Mit der Bereitstellung von Sprachführern, die oftmals in Tradition zu den früheren russisch-deutschen Wörterbüchern zusätzlich zum Wörterverzeichnis die für den Handel mit den Russen relevanten Maß- und Geldeinheiten sowie Gewichte beinhalteten, wurde zugleich ein Beitrag für die Schaffung von Rahmenbedingungen ^ für den Austausch von Informationen und Waren geleistet.

Informationsmaterialien zu den Handelsbedingungen mit der Russischen Armee wurden in allen Koalitionskriegen natürlich auch einzeln angeboten. In diese « Gruppe von Sprachmaterialien ordnen sich die besonders 1813 in den Verkauf ge-jH brachten « Wandanschläge» und «Sprachtafeln» ein. So erschien bei Joachim in Leip-% zig 1813 eine von Kusnetzow erstellte «Russische Sprachverständigungstafel» «zum J§ Anschlagen und Aufhängen in Gasthöfen und anderen Örtern, wo sich viele Russen & befinden..»18. Dreyssig warb in einem Verzeichnis der bei ihm in Halle und Leipzig

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^ 14 Mann, 2004. S. 12.

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s 15 Rittig, 1813, Deutsch-Russisches und Russisch-Deutsches Taschenbuch. Vorrede S. III.

16 In der stadtgeschichtlichen Literatur wird für diesen Zeitabschnitt häufig auf die Rolle der Dolo metscher verwiesen, die den Städten «damals große Dienste leisteten». Peschek, 1837. S. 676.

^ 17 Mann, 2004. S. 221. \o

^ 18 In einer Anzeige innerhalb der Schrift «Über die russischen Soldaten.» konnte man lesen: £ «Kusnetzow^s Sprach- und Verständigungstafel in großer Folio (zum Anschlagen und

erschienenen «ganz neuen russischen Verlagsbücher» unter anderem für einen «Russisch-deutschen Wandanschlag für Gastwirthe, Kaffeehäuser, Billard- und Tanzsäle»19.

Zur sprachlichen Unterstützung eines notwendigen Zusammenwirkens auf medizinischem Gebiet wurde in der Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrte Sachen, No. 31 vom 13.03.1813 von einem «Sachverständigen» bei Dieterici in der Spandauer Straße 52 für 3 Groschen ein Wörterverzeichnis unter dem Titel «Benennungen in Russischer Sprache der vorzüglichsten Arzneimittel, Krankheiten, Ger-äthschaften, Gewichte etc. Bequem und nützlich für Ärzte, Wundärzte und Apotheker» angeboten.

c) Ende Januar/Anfang Februar 1813 erfolgte in Preußen und anderen Ländern eine Parteinahme für die Russen, in Sachsen und anderen Rheinbundstaaten eine Umorientierung vieler Bürger auf die neue Besatzungsmacht. « Was von Osten kam, wurde verklärt durch den leidenschaftlichen Wunsch des Volkes. Niemand mehr als die Vortruppen des fremden Heeres, die Kosaken»20.

Nachweislich wurden die russischen Soldaten in den meisten deutschen Ortschaften freudig als Befreier begrüßt und bejubelt. «Es schien damals, als ob wir von den Russen gar nicht wieder loskommen könnten oder loslassen wollten. Sie erschienen als unsere Befreier und waren überall willkommen; man jubelte ihnen entgegen und wünschte es ihnen sagen zu können, wie lieb man sie habe. Viele schafften sich daher russische Sprachlehren an und machten sich daran, Russisch zu lernen»21.

d) Der deutsche Buchhandel, der durch die Napoleonischen Kriege in enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, hatte ein existentielles Interesse an hohen Druckauflagen und Verkaufszahlen. Die Herausgeber stimulierten den Absatz mit großangelegten Anzeigenkampagnen in der örtlichen und überregionalen Presse sowie durch die Gewährleistung von Rabatten. Eine «raffinierte Speculation fertigte russische Dollmetscher, um den Kosaken auf russisch ihre Freundschaft versichern zu können...»22.

Sofort nach dem Abzug der Franzosen entstand zur Bewältigung des großen Ansturms der Käufer auf Proklamationen der verbündeten Armeen, Bulletins, Flugblätter, Karikaturen usw. in vielen Orten zusätzlich eine Art Buchhandel «unter freiem Himmel», der auch russische Sprachbücher mit einbezog. Auch dieser Handel mit !£ «literarisch kurzer Waare»23 wurde durch die professionellen Buchhändler mit einem ö

Aufhängen in Gasthöfen und anderen Örtern, wo sich viele Russen befinden, um sich denselben c

verständlich machen zu können). Mit Aussprache des (mit russischen Buchstaben) gedruck- g ten Russischen, und einer Anweisung zum Gebrauch dieser Tafel in russischer und deutscher ^

Sprache; Preis 3 gr.». .y

19 Verzeichniß von Friedrich Christoph Dreißigs ganz neuen russischen Verlagsbüchern. In: Dol- +2 metscher 1813 (Leipzig). g

20 Freytag, 1867. S. 405. ff

21 Nagel, 1955. S. 167f.

22 Große, 1898. S. 473. |

23 Siehe Morgenblatt (Tübingen) Nr. 132. vom 03. Juni 1814, S. 526ff.: Beyträge zur Geschichte ^

von Dresden im Jahre 1813. IV. Handel mit literarischer kurzer Waare. -S

speziellen Mengenrabatt gefördert; siehe die Anzeige zu C. G. H. Geißlers zweitem Dolmetscher in der Leipziger Zeitung No. 206 vom 27.10.1813: «Wer mehr als ein Exemplar auf einmal kauft, oder sich mit dem Verkaufe derselben beschäftigen will, erhält einen bedeutenden Nachlaß»2^.

Die Mehrzahl derartiger Veröffentlichungen ist anonym bzw. unter Pseudonym erschienen, die sprachliche Kompetenz hervorhebend meist unter slawischen Namen, z.B. Jasükowski, Kusnetzow, Andrey Dmitritsch bzw. darauf verweisend, der Autor sei ein «geborener Russe», ein «wirklicher Russe» oder ein «Kenner der russischen Sprache»2"5.

Wie Baumann feststellte, halten manche dieser Behauptungen einer konkreten sprachlich-inhaltlichen Analyse der Wörterbücher nicht stand!26 Wenn man nur alleine die Arbeiten von «Andrej Dmitritsch aus Moskau»27 und des angeblich «gebore-nenen Russen» im «Kleinen Dolmetscher mit dem Kosaken, Frankfurt 1813» betrachtet, kann dem nur zugestimmt werden28.

Meine Recherchen ergaben, dass der bei Hexelschneider29 aufgeführte Trubt-schewsky tatsächlich ein «wirklicher Russe» ist. Es handelt sich offensichtlich um Nikolai (Nicolaus) Timofejewitsch Trubtschewskij (Trubcevskij), der als Kapellsänger zur ersten Generation des «angemessen ausgebildeten Klerus» gehörte, der zeitgleich mit der Tochter des russischen Zaren Maria Pawlowna, die 1804 mit dem Weimarer Thronfolger vermählt wurde, in Weimar eingetroffen ist und dort die Russisch-orthodoxe Gemeinde betreute. Er war 1808 Dolmetscher im Gefolge des Zaren und verrichtetet 1813-1815 beim Russischen Heer Dienst. Er ist zu den Russen in Goethes Umgang zu rechnen30.

Namentlich sind deutschsprachige Autoren derartiger Dolmetscher festzustellen, die sich jahrelang in Russland aufhielten, ihre sprachliche und interkulturelle Kompetenz einbrachten und neben anderen Veröffentlichungen über Russland auch

^ 24 Ähnliche Anzeige bei Dreyssig: «Daß sich jeder, der sich des Debits meiner Verlagsbücher geo gen baare Zahlung anzunehmen Lust hat, Rabat gut rechne, ist bekannt». Siehe Verlagsanzeige G Dolmetscher 1813 (Leipzig).

^ 25 Jazükowski heißt übertragen soviel wie: «Sprachkundiger»; welcher deutsche Autor mit rela-

« tiv guten Sprachkenntnissen wird sich wohl dahinter verbergen? Bei «Kusnetzow» (von Kus-

§ netz — der Schmied abgeleitet) könnte es sich um Johann Adolph Erdmann Schmidt handeln.

^ Erste Anzeichen sprechen dafür.

sS 26 Baumann. 1969. S. 77. Wörtlich schreibt B. unter anderem: «So ist es wahrscheinlich, dass der

§ sachverständige Kenner der russischen Sprache', der den «Kleinen russischen Dollmetscher'

<u Lübeck, 1813 (2. Auflage) besorgte, den im Titel erwähnten 'gebornen Russen' nach Gehör

s transkribierte, ohne selbst viel mehr als die ersten Anfangsgründe des Russischen zu kennen».

27 Dolmetscher, 1813 (Altona) .

s 28 Dolmetscher, 1813 (Frankfurt) .

s 29 Hexelschneider, 2000. S. 105. T. soll Autor des in Weimar 1813 erschienenen Wörterbuches

^ sein: Der Deutsch-Russe, oder: Neuester und wichtigster Dollmetscher der nothwendigsten ^ Wörter und Redensarten, zur Aushülfe für die Deutschen, um sich Russen verständlich zu ^ machen. 6. Auflage.

£ 30 Schröder. S. 297. Vgl. auch: Goethe Tagebücher 2008. S. 606.

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mit derartigen Sprachmaterialien ihrer Vermittlerrolle während der Befreiungskriege gerecht wurden, z.B.

Christian Gottfried Heinrich Geißler, Johann Joachim Bellermann, Johann Gottfried Richter.

Lorenz Heinrich Hessel.

Raubkopien und Plagiate schienen keine Seltenheit zu sein. Zudem stellten einige Herausgeber aus bereits vorhandenen Materialien anderer Autoren neue Bücher zusammen und verlegten sie unter neuem Titel.

Dies ist einer der Gründe, warum so viele russische Verständigungshilfen im relevanten Zeitraum, ungeachtet einiger Kürzungen und geringfügigen Veränderungen, fast völlig übereinstimmen. Bei der Übernahme entstanden eine Reihe neuer Fehler; die vorgefundenen wurden übernommen, auch von dem «geborenen Russen», der lt. Impressum den «Kleinen Dolmetscher mit den Kosaken» angeblich «verbessert» hatte31.

L. H. Hessels «Der Russische Dolmetscher in Fragen und Antworten für den Bürger und Landmann, in Büreaus für Reisende, im Handel, in Gasthöfen und für Militär», Zeh^sche Buchhandlung, Nürnberg 1813 (24 S.) ist identisch mit dem «Neuen deutsch-böhmisch-russischen Dolmetscher in Fragen und Antworten für den Bürger und Landmann, für Reisende, im Handel, in Gasthöfen, für Militär und in anderen nöthigen Fällen», Aloys Kramer, Prag 1813 (23 S.), der F. Tomsa zugesprochen wird.

Selten bekannten sich die neuen Herausgeber oder «Autoren» zu diesem Vorgehen, wie der Österreichische Offizier Andreas Rittig v. Flammenstern, der die Vorrede zu seinem 1813 in Wien herausgegebenen «Taschenbuch» mit den Worten abschloss: «Um keines Plagiats beschuldigt zu werden, finde ich es noch nöthig, zu erklären, dass ich bey Zusammenstellung dieses Taschenbuches alle bestehenden Russische Dolmetscher, wie ich mir schmeichle, mit zweckmäßiger Auswahl benutzet habe»32.

Mit den Dolmetschern («für Jedermann», «Für den Bürger und Landmann») wollte man so viel wie möglich Käufer aller Schichten ansprechen.

Der direkte Zugang zur Bevölkerung wurde unter anderem durch die Einbettung in die damals übliche Ratgeber-, Hausvater- und Aufklärungsliteratur unterstützt. !£ Deshalb die vielen Titelbezeichnungen, wie Not- und Hilfsbuch, «Der sorgsame und ö erfahrene Hausvater bei Einquartierungen» usw. Auch an die religiösen Traditionen 21 der neutestamentarischen Haus- und Pflichtentafeln, die in der Wohnung anzubringen waren, wurde angeknüpft, wie die Beispiele der «Deutsch-Russischen Haustafel» g von Zeune und des «Deutsch-Russischen Dolmetscher(s) für Jedermann zum Aufhän- ^ gen» beweisen.

31 In mehreren Dolmetschern gibt es zum Beispiel die Redewendung: «Morgen (wieder) auf den Marsch». Bei W. C.v.H. — zitiert nach Dolmetscher 1814 (Heidelberg), S. 38 — wird dies über- d setzt mit «Safftra opjat w pochod» / «Safftra w pochod»; ab dem Dolmetscher 1813 (Berlin) £ von Amelang (S. 36) wird daraus «Safftra of pagode». Der «geborene Russe» «verbesserte -g dann» im Dolmetscher 1813 (Frankfurt) diesen Ausspruch mit «Safftra uf pagodi»(S. 16).

32 Rittig, 1813. Vorrede. S. VI. |

Bezüglich der Landbevölkerung richteten die Verlage ihre Vertriebsaktivitäten zusätzlich auf die Personen, die die gesellschaftlichen Einstellungen und das Verhalten einer Dorfgemeinschaft besonders prägten.

Geißlers Dolmetscher, der gleich nach der Völkerschlacht erschien33, wurde in der Leipziger Zeitung No. 206 vom 27.10.1813 auf Seite 2159 damit beworben, dass er «unter den bisher herausgekommenen der vollständigste (ist), und verdient, <...> in jeder Haushaltung angeschafft zu werden; vorzüglich sollten Landgeistliche und Dorfschullehrer sich denselben kommen lassen, weil, wie bekannt, die meisten Unannehmlichkeiten dadurch entstehen, dass man sich gegenseitig nicht versteht, und sich nicht verständlich machen kann». Es ist davon auszugehen, dass die angesprochenen «Multiplikatoren» sich tatsächlich hie und da vorsorglich derartige Sprachbücher angeschafft haben.

Aus der Geschichte der sächsischen Schulpolitik ist mir ein Beispiel bekannt, wo ein Dorfschullehrer noch lange nach den Kriegsereignissen einen deutsch-russisch-französischen Dolmetscher, den er sich 1813 gekauft hatte, als Unterrichtsmaterial einsetzte: «Wir mussten aber auch französisch und selbst russisch zählen lernen. G. hatte zur Zeit des Freiheitskrieges 1813 mit Hilfe eines gedruckten Dolmetschers einige französische und russische Wörter, Redensarten und die Zahlen gelernt, und das mussten wir nun auch lernen», erinnert sich ein ehemaliger Schüler, der in der Folge bis in das gereifte Erwachsenenalter die russischen Zahlen aufsagen konnte34.

Nachweislich haben auch Vertreter des Bildungsbürgertums derartige Sprachbücher besessen, die sie sich vor der Ankunft der Russen vorsorglich zugelegt hatten!

Dies dürfte bibliophil äußerst wertvoll sein: im Bestand von deren Privatbibliotheken und Nachlässen war die Wahrscheinlichkeit der Erhaltung dieser Sprachbücher wohl am größten.

So konnten im Bibliotheksnachlass von Alexander von Humboldt35 sowie von Varnhagen von Ense Jasükowskis «Russische Gespräche...» festgestellt werden 3 6.

^ Der Philosoph Friedrich Heinrich Jacobi überlieferte das «Handbuch der Russischen Wörter und Redensarten, die im gemeinen Leben am häufigsten vorkommen können...»

J von J. A. E. Schmidt, Leo, Leipzig 181337.

« Bestandteil der Bibliothek von Carl Friedrich Gauß war neben Heyms Russischer

jH Sprachlehre für Deutsche aus dem Jahre 1804 auch der «Russische Dolmetscher..» von

^ Kästner und Kralitzky, Leipzig 1813 [GAUSS BIBL 1224] sowie das «Russisch-deut-

Jg sche Handbuch», Lüneburg 1813 (Handbuch 1813) [GAUSS BIBL 413]38.

0 _

1 33 Geißler, 1813.

^ 34 Dobritz, 1904. S. 103.

H

g 35 Schwarz, 1998. S. 282.

36 Stern, 1911. Jasükowski's «Russische Gespräche» (Jasükowski 1813) sind unter der Signatur

o 2394 Bestandteil der Bibl. Varnhagen. Auf dem Titel des Wörterbuches hat Varnhagen handschriftlich seinen Namen gesetzt.

^ 37 Wiedemann, 1989. S. 866. Das «Handbuch» von J. A. E. Schmidt ist unter Nr. 3736 registriert.

J 38 Lehfeld, 2011. S. 276-334.

In der Privatbibliothek des Freiberger Geologen Abraham Gottlob Werner befinden sich unter den Wörterbüchern der russischen Sprache, die zwischen 1731 und 1813 erschienen sind, allein sieben, die im relevanten Zeitraum herausgebracht wurden39.

Der Stadtbibliothek Zschopau wurde 1883 aus dem Nachlass des ehemaligen Direktors der Bodemer Bleicherei und Baumwollspinnerei Imanuel Gottlieb Hesler (verstorben 1830) der «Ausführliche Deutsch-Russische Dolmetscher», Naumburg 1813 übergeben40.

Der Berliner Künstler Johann Gottfried Schadow, der auf eigenen Wunsch Kalmücken, Kosaken und Baschkiren bei sich beherbergte, damit er «seiner Sammlung von National-Physiognomien nöthigen Zuwachs gab»41, nutzte zur Verständigung mit ihnen mindestens ein russisches Wörterbuch. Dies erfährt man aus dem Vortrag zur Entstehungsgeschichte seiner Karikatur «Die Fechtstunde», den der Künstler am 16. April 1814 in der Gesellschaft der Freunde des Humanismus in Berlin gehalten hat. Auf dem Bild ist unter anderem ein Kosak dargestellt, der das Russische Reich repräsentieren soll und dem Schadow die Aussprüche in den Mund legte: «Podass Swetschku; padi Spatt».

In dem Vortrag erklärte er die Herkunft dieser Wörter: «Die russischen Redensarten habe ich aus einem kleinen Wörterbuch»42.

In den Jahren 1813 bis 1815 gehörten zu den Käufern der russischen Dolmetscher nach wie vor auch Militärangehörige. Der russisch-deutsche Teil in manchem Wörterbuch «Für Deutsche und Russen» war den russischen Armeeangehörigen vorbehalten. In der Leipziger Zeitung No. 211, vom 03.11.1813 auf S. 2329 wurde gar ein «Kleiner russischer Dol-metscher für die Russen, welche sich den Deutschen

39 Schmidt, 1981. S. 697-711. Besten Dank an die Mitarbeiter (innen) der Universitätsbibliothek der TU Bergakademie Freiberg, die mir auf meine Anfrage hin im September 2009 weitere Wörterbuchtitel nannten, die bisher im Katalog als solche nicht erfasst waren. Insgesamt stammen aus dem Werner-Nachlass: Geißler C. G. H. Hand- und Hülfsbuch für Deutsche und Russen, um sich gegenseitig verständlich zu machen..., Hinrichs. Leipzig, 1813; Kästner Ch. A., Kralizky, Russischer Dolmetscher.; Kleines russisches, deutsches und französisches Wörterbuch nach J. Heim, Dreissig, Halle, 1813; Russisch-deutsches Handwörterbuch zur nothdürf- in tigen Verständigung zwischen Personen beider Völkerschaften. zweite vollständigere Auflage, ^ Herold und Wahlstad, Lüneburg, 1813; Schmidt J. A.E. Handbuch der Russischen Wörter. ^ Leipzig, 1813; Der Russisch-Deutsche und Deutsch-Russische Nothelfer für Bürger und Land- Z; mann. Leipzig: Vogel, 1813; Kusnetzow. Samyi novyj rossijskij perevodcik. Leipzig, 1813; Deutsch-Russisches Verzeichnis nach dem Alphabete, mit einigen Zusätzen, zum Gebrauche g des neuen Hülfsmittels die Russische Sprache leichter zu verstehen. (Verzeichnis) — Hierbei Ä handelt es sich nach meiner Erkenntnis um eine gesonderte Veröffentlichung des Wörterver- "g zeichnisses aus Dobrovskys «Hilfsmittel» 1799, die er nach Feststellung eines sofortigen Pla- 'g giates für nötig erachtete und die 1813 eventuell neu erschien. -g

40 Schenkungsvermerk vom 28.09.1883 ist angebunden an den Dolmetscher 1813 (Naumburg), ^ der mir in Kopie vorliegt. Die Übergabe des Buches erfolgte durch Herrn G. Bodemer. ig

41 Zitiert nach: Keienburg, 1974. S. 190. 1»

42 Kaiser, 1955. Vortrag G. Schadows, gehalten am 16. April 1814 in der Gesellschaft der Freun- tj de der Humanität, S. 33. Beachte: Buchstabenverwechselung bei podass — eigentlich pogass! ^ Siehe auch: Scheffler, 1995. S. 290 ff. -S

verständlich machen wollen» beworben. Dabei handelt es sich um das bei Friedrich August Leo in Leipzig 1813 herausgebrachte «Маленькш росаиско-немецкш словарь самыхъ нужныхъ в общежитш словъ и изреченш, вместе съ произношетемъ россшскими буквами выраженнымъ для росаянъ которые желают изъясняться немцамъ», bei dem Titelblatt und Vorwort zweisprachig gestaltet waren.

In einer Annonce vom 30. Juni 1814 in russischer Sprache, gerichtet an alle russische Armeeangehörigen («Объявление ко всемъ российскимъ войнамъ всякого чина»), wird auf die 4. Auflage des sechssprachigen «Handbuches für Reisende zur Conversation...» der Madam de Genlis (Hinrich, Leipzig 1814) aufmerksam gemacht43.

Inwieweit die russischen Soldaten derartige Sprachbücher tatsächlich genutzt haben, ist nicht belegt; bei den unteren Dienstgraden wegen des dort anzutreffenden hohen Anteils an Analphabeten jedoch eher unwahrscheinlich44. Andererseits kann davon ausgegangen werden, dass diese einfachen Soldaten sich im Laufe des Feldzuges auch ohne derartige schriftliche Hilfen einige deutsche Alltags-Grundwörter einprägten.

Der Publizist, Schriftsteller und Sozialpädagoge Johannes Daniel Falk erinnert sich später an die «Baschkiren», die er in Weimar «zum ersten Mal mit verwunderten Augen sah» und an «die erste Frucht ihres glücklich in Deutschland genommenen Sprachunterrichts, <...> Mutter, koch Hirsenbrei'»45.

Falk berichtet interessanter Weise auch von einem «jungen Baschkiren», der «in Weimar während der Muße ihrer Winterquartiere zur Schule angehalten worden [ist]. und es bald in unserer Sprache zu bedeutendem Fortschritte [brachte]; so auch, dass er in kurzem... einen Dolmetscher abgeben konnte»46.

Da seit 1813 russische und vor allem preußische Verbände gemeinsam in den Kampf zogen, werden sich auch deutsche Soldaten russische sowie französische Verständigungshilfen privat zugelegt haben, die sie dann bis Paris im Tornister mit sich führten.

^ In der Literatur wird auch ein Beispiel einer organisierten Verteilung derartiger Verständigungshilfen auf preußische Kampfverbände genannt:

Im Korps von Dobschütz der Schlesischen Landwehr hat man im Juni 1813 den « Einheiten eine «Sammlung der nothwendigsten Wörter und Gespräche in russisch-jH deutscher, wie auch in deutsch-russischer Sprache» zugeteilt41.

=s -

§ 43 Beilage zum 91. Stück der Berlinischen Nachrichten für Staats- und gelehrte Sachen vom £ 30.06.1814.

tr1

44 Например, в Александрийском гусарском полку «из 353 рекрутов грамотными были

g шесть человек» (Бегунова А. С. 58) .

es 45 Zitiert nach: Knebbel H. Weimar in der Zeit der Befreiungskriege 1806-1814. Stadtmuseum

J§ Weimar, Schriften zur Stadtgeschichte Heft 1/19155. S.14.

^ 46 Ebenda. S. 15.

^ 41 Aus einem Parolebuch der Schlesischen Landwehr des Korps v. Dobschütz (3. Juni — 21. Nov. ^ 1813). Mit Bemerkungen versehen und veröffentlicht von Metzke... in: Neue Militärische Й Blätter. 1885. S. 521f. С

Wie Paye anhand der Akten der Westphälischen Polizei ermitteln konnte, haben sich im besagten Zeitraum auch französische Militärangehörige häufig russische Dolmetscher zugelegt48.

Auf einige Dolmetscher griffen die Verlage über die gesamte Spanne der Koalitionskriege mit russischer Beteiligung 1799-1806/07-1813/14, ihren Titel beibehaltend, immer wieder zurück. So erschien das Lüneburger Handbuch 1806 auch im Jahr 181349.

J. Dobrovskys 1799 in Prag erschienenes «Neues Hülfsmittel, die russische Sprache leichter zu verstehen, vorzüglich für Böhmen, zum Theile auch für Deutsche...»'50 ist auch «Beim zweiten Durchmarsche der Russen 1813 <...> durchaus vermehrt erschienen»51 und im Anhang durch eine von W. Hanka besorgte Beschreibung der «Russischen Staats- und Kriegsmacht» / «Kraticke vypisani Rusie a jejihio vojska» ergänzt worden52. Gleichzeitig mit der Neuauflage von Dobrovskys «Hilfsmittel» erschien 1813 eine durch F. Tomsa besorgte eigenständige Veröffentlichung eines erweiterten Wörterverzeichnisses aus diesem Werk unter dem Titel: «Verzeichnis der russischen Wörter und Redensarten, die im gemeinen Leben am häufigsten vorkommen, um sich Russen leichter verständlich zu machen. Prag 1813»53.

Dobrovsky hatte Tomsa das Manuskript unentgeltlich zur Verfügung gestellt und diesen Schritt angeregt, weil er wegen eines bereits 1799 erschienenen Plagiats seines «Hilfsmittels» durch einen anonymen Autor ziemlich verärgert war: «Hr. v. Schönfeld hatte die Güte, es in einem Auszuge unter dem Titel: Russischer Dollmetscher nachzudrucken. Dies macht es nothwendig, dass man zum Hülfsmittel noch ein Register drucken liess... H. Tomsa in der Normalschulbuchhandlung hat die Auflage besorgt»54.

Bei dem Plagiat könnte es sich um das bei Francev aufgeführte Werk handeln, das 1799 in Prag (bei Schönfeld?) erschienen ist: «Der russische Dolmetscher, welcher den Deutschen dahin unterrichtet, dass er sich auf der Stelle jedem Russen verständlich machen, ebenso aber auch den Russen verstehen kann»55.

48 Paye, 2013. S. 186.

49 Handbuch 1806 und 1813. Es gibt auch eine Ausgabe 1813 aus Celle. £

50 Dobrovsky J. Neues Hülfsmittel die Russische Sprache leichter zu verstehen, vorzüglich für ö Böhmen, zum Theile auch für Deutsche. Selbst für Russen, die sich den Böhmen verständlicher machen wollen. Ein zweckmäßiger Auszug aus Heyms Russischer Sprachlehre, k.k. Nor- ^ malschul-Buchdruckerey. Prag 1799. c

51 Palacky, 1833. S. 61. Lt. Mesfan, 1980. S. 174 kam «eine zweite, erweiterte Auflage. 1812 j| heraus». ^

o

52 Die Schrift Hankas scheint bereits 1812 anonym erschienen zu sein (siehe: Jirasek 1929. S. 216) 'g und ist anlässlich des Rückmarsches der russischen Truppen 1815 im Prager Verlag «Ceske -g expedici» als Broschüre wiederum anonym erschienen. Es handelt sich um «ein Werkchen, ffi welches <.> Hanka^s Sympathien zur nordischen Großmacht. beurkundeten» (Wurzbach, I? 1861. S. 124) .

53 Kudelka, 1995. S. 254. Oftmals wird auch dieses Verzeichnis Dobrovsky zugesprochen. ja

54 Dobrovsky, 1948. Brief v. 18.08.1799, XXVIII, S. 69. / Vgl. auch: Dobrovsky, 1953. S. 12, Fußnote 24. ^

55 Francev, 1935. S. 42. |

Ich bin mir fast sicher, dass die meisten der russischen Sprachbücher, die ab 1813 erschienen, direkte und indirekte Vorläufer hatten sowie sich an einigen wenigen inhaltlich-konzeptionellen Grundmustern ausrichteten. Neben der teilweisen Fortführung der Tradition der Gesprächsbücher des 18. Jahrhunderts nahmen die russischen Dolmetscher im deutschsprachigen Raum vor allem das im Anhang zur Sprachlehre von J. Heym (Ausgaben Riga: 1789; 1804) aufgeführte Wörterverzeichnis mit anschließenden Redensarten sowie auch seine russischen Wörterbücher zum Vorbild.

Nur wenige dieser Autoren geben Heym als genutzte Hauptquelle an: Josef Dobrovsky nannte sein 1799 erschienenes «Neues Hülfsmittel...» einen «zweckmäßiger Auszug aus Heyms Russischer Sprachlehre».

Dreyssig gab seinem 1813 in Halle und Leipzig herausgebrachten «Kleinem russischen, deutschen und französischem Wörterbuch» den Zusatz «geschöpft aus der Quelle von Johann Heim».

Durch weiterführende Forschungen könnte meinen Vermutungen nachgegangen werden, dass J. Heyms Spracherbe über zwei Linien in die deutsche Dolmetscherliteratur gelangt sein könnte, die beide direkt über Dobrovsky als Schaltstelle führen:

1. Die vom «Hilfsmittel» 1799 ausgehende direkte Linie Dobrovsky (1813) — Tomsa (1813) usw.

2. Über die Folgeveröffentlichungen auf der Grundlage des Plagiats (1799).

Auf die sprachlichen und konzeptionellen Defizite sowie die hohe Fehlerquote

der russischen Dolmetscher 1813 hatte bereits Otten hingewiesen56.

Das linguistische Niveau war niedrig. Es gab jedoch auch Ausnahmen, z. B. die Sprachbücher von Kusnetzow, Kreye, Jasükowski, deren Autoren offensichtlich einen sprach-wissenschaftlichen Hintergrund hatten.

Bei der Bewertung dieser Verständigungshilfen darf nicht vergessen werden, dass zu den Veröffentlichungen 1812-1815 auch reine Sprachlehren und Grammatiken gehörten, die zum Beispiel von Heym, Vater, Tappe erneut aufgelegt wurden bzw. ^ als reine Neuerscheinungen vor allem von J. A. E. Schmidt den Angebotsmarkt bereicherten. Ein abschließendes Urteil über die sprachliche Seite all dieser russischen ^ Wörterbücher und Dolmetscher kann erst nach einer weiterführenden inhaltlichen « Untersuchung im Rahmen einer Gesamtbibliographie erfolgen. jH A. W. Tappe jedenfalls äußerte sich in seiner «Neuen theoretisch-praktischen Rus-% sischen Sprachlehre» zu den russischen Verständigungshilfen kritisch: «Die in den s Jahren 1813 und 1814 in Deutschland erschienenen Noth- und Hülfsbücher der russ. & Spr. sind, so viel mir deren hier zu Gesichte kamen, voll von Fehlern aller Art, und außer ^ jenem Nothbedarf, unbrauchbar»51.

£ In der Literatur gibt es aber auch Hinweise, dass die Dolmetscher der mit ihnen s angestrebten Funktion als Verständigungshilfen durchaus gerecht wurden und wie § bei dem Naturforscher J. M. Bechstein «ein kleiner gedruckter russischer Dolmetscher

^ zur Verständigung half»5s. ^ _

fr 56 Otten, 2012. S. 4f.

H

£ 57 Tappe, 1835. S. 6.

58 Beckstein, 1855. S. 308.

Carl Julius Weber erinnert sich, einige Jahre später Prag bereisend, an die Methodik seines Russischlernens im Jahre 1813: «Ich lernte daher so viel böhmisch, als früher ungarisch oder 1813 russisch, d.h. einzelne Phrasen und die nöthigsten Wörter..»59.

Trotz mancher Unzulänglichkeiten müssen die mit Hilfe dieser Sprachbücher hervor gebrachten russischen Wörter auf die Adressaten einen großen psychologischen Eindruck hinterlassen haben, wie anerkennende Reaktionen russischer Zeitzeugen beweisen:

Michailowsky-Danilewsky berichtete, auf die Begegnung mit der deutschen Bevölkerung zurück blickend: «Повсюду насъ принимали, какъ избавителей. <...> Некоторыя изъ нихъ учились нашему языку, по книгамъ, изданнымъ для этого предмета сметливыми Немецкими книгопродавцами. Во многихъ домахъ находились ручные Руссюе словари, и наши миловидныя хозяйки просили объяснять имъ значетя Русскихъ словъ»60.

In den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, No. 31 vom 13. März 1813 bezog der «Russisch-kaiserliche Kapitain Andreas Mollwo aus St. Petersburg» in einer «Literarischen Anzeige» Stellung zu den «sogenannten deutschrussischen Dolmetscher(n)», die er «in einem hiesigen Buchladen gefunden hat. Dergleichen kleine Schriften verdienen zwar Dank, nicht allein von den Deutschen, sondern auch von den Russen selbst, welche durch solche leichter verstanden werden können; aber bei den meisten ist nichts als der gute Wille zu loben. Ich habe unter der großen Menge russischer Dolmetscher nur zwei gesehn, die mir brauchbar erschienen»61.

Ob nun tatsächlich ein dankbarer russischer Offizier hier das Wort nahm oder die besagte Buchhandlung vielleicht eine Absatz stimulierende Marketingidee umsetzte — in jedem Fall eine historisch interessante Fundstelle!

Wie oben bereits erwähnt, versuchten ab Ende Januar 1813 einige Dolmetscher, zusätzlich zur Funktion als sprachliche Verständigungshilfen, die Käufer mit der Bereitstellung von Informationen «über das russische Militair» sowie mit Ratschlägen «zur Behandlung desselben für Hauswirthe bei Einquartierungen»62 auf die Ankunft der russischen Truppen vorzubereiten.

Dabei wurden oftmals bereits vorhandene Broschüren und Flugschriften über !£ die russischen Soldaten als Ergänzung des Sprachteils genutzt. Mit diesem Ansatz ö unterstreichen diese Materialien und die entsprechenden Dolmetscher ihre Nähe 21 zur damaligen politischen Tagesliteratur.

Im «Ausführlichen Deutsch-Russischen Dolmetscher..», von Karl August Wild, g Naumburg 1813, begründet der Herausgeber im Vorwort die Notwendigkeit, sei- ^ nem Dolmetscher «eine kurze Übersicht der russischen Lebens- und Handlungsweise»

59 Weber, 1855. S. 49. ы.

60 Михайловский-Данилевский, 1836. С. 464-465. jd

61 Dabei meinte Mollno das Deutsch-Russische Taschenbuch, C. G. Schöne, Berlin 1813 sowie das ju Handbuch der Russischen Wörter und Redensarten die im Leben am häufigsten vorkommen eü können, als Hülfsmittel um sich Russen auch ohne nähere Kenntniß der Sprache leicht verstän- -g dlich

zu machen, Friedrich August Leo, Leipzig 1813, das J.A.E. Schmidt zugesprochen wird. ^

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62 Vgl. Titelblatt zu: Dolmetscher, 1813 (Pirna /Dresden) .

beizufügen, damit, dass «eine richtige und dieser Nation angemessene Behandlung und Verpflegung zum guten gegenseitigen Vernehmen vielleicht mehr beiträgt, als einige auswendig gelernte gedruckte Wörter»63.

Mit dem Versuch einer objektiven Darstellung der russischen Militärangehörigen auch als Bestandteil von Russischen Dolmetschern wurde in einer Art Gegenpropaganda ein konkreter Beitrag im Kampf um die Hoheit über Informationen, Stimmungen und Interpretationen geleistet. Wladen Sirotkin nannte diese Auseinandersetzung zwischen Napoleon und Alexander I. den «Krieg der Schreibfedern», «voijna perj'ew»64.

Die Bereitstellung «eines neuen Bildes der russischen Krieger» wurde von den Autoren als wichtig erachtet, «um so mehr da die Begriffe, die man sich von ihnen macht zum Theil ganz falsch und unrichtig sind»65. Auch C. G. H. Geißler, seit seinem Russlandaufenthalt mit der russischen Lebensweise gut vertraut, äußerte sich ähnlich: «Die Furcht vor den russischen Soldaten, und namentlich vor den Kosaken und Baschkiren, die man fast überall über alle Bewohner deutscher Staaten verbreitet findet, schreibt sich von nichts anderem, als von den lügenhaften Erzählungen unwissender oder besoldeter Zeitungsschreiber»66.

In den meisten derartigen Veröffentlichungen über die russischen Soldaten wurden vor allem die Kosaken sehr ausführlich behandelt, die zugleich Absatz fördernd den Titel einiger Verständigungshilfen ergänzten, z.B. «Der kleine Dolmetscher mit dem Kosaken, worinn die nothwendigsten russischen Wörter, Gespräche und Zahlen, wie solche nach der deutschen Mundart ausgesprochen werden müssen, enthalten sind. Neue von einem geborenen Russen verbesserte Auflage, Frankfurt 1813»; «Der beßte Dollmetscher für Russen und Kosaken, um sich mit ihnen verständlich zu machen. Nach dem Zeitbedürfniß eingerichtet. Leipzig 1813»61.

Die russische historische Forschung würdigt derartige Veröffentlichungen aus deutscher Hand, die die russischen Soldaten objektiv und mit Sympathie be-^ schreiben, als «памятник совместной борьбы двух народов против общего врага в 1813 г.»68. Die Schrift «Über die russischen Soldaten und wie man es anzufangen hat, dass man mit ihnen gut auskommt, Joachim, Leipzig 1813» («О правильном общении « с русскими солдатами, чтобы хорошо с ними ладить») auswertend, schätzt

q 63 Dolmetscher, 1813 (Naumburg), Vorwort des Herausgebers.

§ 64 Sirotkin, 2000. S. 6. Ausstellungskatalog Hildesheim 2003 — Beitrag von Victor Besotosny, <u S. 32: «Im 'Krieg der Schreibfeder' und im Kampf um die öffentliche Meinung Europas war s Alexander überlegen». ^ 65 Schilderung, 1813. S. 4.

es 66 Geißler, 1813. S. 57: Beginn des Abschnittes «Einige Worte über die Behandlung der Russischen Soldaten».

^ 67 Dieser Dolmetscher wurde im Juni 2013 bei ebay versteigert. Er ist ein Beleg dafür, dass es ^ auch Verständigungshilfen gab, die nicht über Zeitungsannoncen beworben und auch auf an-^ dere Weise bibliophil nicht erfasst wurden.

£ 68 HcKmxb, 2005. C. 1. C

С. Н. Искюль den historischen Wert derartiger Veröffentlichungen als sehr bedeutend ein. «Некоторые неточности в терминах, особенно военных, и отдельные противоречивые и наивные суждения нисколько не снижают общего благоприятного впечатления об этом оригинальном сочинении немецкого автора»69.

Manch Russischer Dolmetscher trug dem Bedürfnis ihrer potenziellen Abnehmer Rechnung, die Zielpersonen ihrer zukünftigen Sprachbemühungen auch anschaulich betrachten zu können. Deshalb fügten einige Herausgeber ihrem Sprachmaterial Graphiken von Russischen Militärangehörigen, Porträts des russischen Zaren usw. an.

Der «wichtigen Rolle... die den Kosaken in der populären Druckgraphik zuteil wurde»10 entsprechend standen diese auch hier im Mittelpunkt der künstlerischen Darstellung. Ich besitze die Kopien zweier Dolmetscher, auf deren Titelseiten jeweils eine Soldatenfigur aus Geißlers Werk «Schilderung und Abbildung der merkwürdigsten Russischen Völkerschaften, welche in dem jetzigen Kriege gegen Frankreich kämpfen», das er gemeinsam mit J. A. Bergk 1801 im Leipziger Industrie-Comptoir herausgab, abgebildet wurde11.

Im «Deutsch-russischen Dolmetscher», den F. C. Dreyssig 1813 in Leipzig herausbrachte, ziert die Umrissradierung eines «Krimmschen Tataren» das Titelblatt, auf dem «Neuen Dollmetscher für Deutsche, um mit Russen zu sprechen, Dietlein, Halle 1813», die eines «Nogaischen Tataren». Beide Tataren wurden im Original auf Tafel II, S. 8 von Geißler als illuminierte Gruppe dargestellt.

Die 4. vermehrte Auflage des obigen Dolmetschers von Dreyssig erschien in Leipzig zusätzlich zur Umschlagsillustration mit einem Porträt von Alexander I.12

Die Haltung der französischen Herrschafts- und Überwachungsorgane zu den russischen Dolmetschern wechselte innerhalb verschiedener Zeitabschnitte während der Napoleonischen Kriege von der Förderung als Soldaten-Wörterbuch, über deren argwöhnisch beobachteten Duldung bis hin zu Verfolgung und Unterdrückung.

Diese letzte Etappe setzte spätestens im Moment der Annäherung und des Überschreitens der jeweiligen Landesgrenzen durch Truppen der verbündeten Armeen, insbesondere von russischen Verbänden ein. Ab diesem Moment bekamen die russischen Dolmetscher analog den Flugschriften, Pamphleten, Karikaturen, Lieder etc. !£ einen politischen Stellenwert, da sie «eine Beziehung auf die neuesten politischen Er- ö eignisse haben könnten»13 und sich «zumpolitisieren» eignen14. ^

69 Там же. С. 3. g

10 Coupe, 2001. S. 481. ^

11 Bergk, 1801. Es gab 1801 auch eine Ausgabe in Meißen; aus aktuellem Anlass erfolgte 1812/13 'g eine Neuauflage.

12 Im Leipziger Auktionshaus Wend wurde dieser Dolmetscher bei der Auktion 18 im Jahr 2009 ® bei 60,00 EUR Anfangsgebot für 260,00 EUR versteigert! g

13 Archiv — Geheimes Staatsarchiv Berlin. Siehe Protokoll der Durchsuchung und Befragung des Buchhändlers Gebauer v. 13.03.1813. $

14 Archiv — Geheimes Staatsarchiv Berlin. Siehe Protokoll der Durchsuchung und Befragung ^ des Buchhändlers Schwetzsche v. 13.03.1813. -S

Diese «Wende in der Zensurpolitik» (formeller Anlass war die Illustrierung eines Dolmetschers mit einer antinapoleonischen Vignette), wird von Straube75 und Paye bezüglich des Königreichs Westphalen anschaulich beschrieben (Affäre Dreyssig)76.

Es gibt ähnliche Beispiele eines rigiden Vorgehens der örtlichen und der französischen Behörden in anderen Rheinbundstaaten gegen die Verleger und Buchhändler, die russische Dolmetscher auf den Markt brachten.

So wurde der Erfurter Buchhändler Friedrich Keyser im Januar und im Oktober 1813 verhaftet, «weil er ein russisches Wörterbuch gedruckt und verlegt hatte»11.

In Solingen veranlasste man wegen des Nachdrucks eines russischen Wörterbuchs durch Siebel Zwangsmaßnahmen (Schließung einer Druckerei/Verbot einer Zeitung), zog diese später jedoch wieder zurück, nachdem Maire Grah in einem Bericht an den Unterpräfekten in Elberfeld «das deutsch-russische Wörterbuch für sehr nützlich» erklärt hatte78.

In Sachsen ist mir keine direkte Verfolgung russischer Dolmetscher bekannt geworden. Selbst eine vorsorgliche Mitteilung des damaligen Oberbürgermeisters von Leipzig Siegmann vom 15.02.1813 an die Regierungsbehörden in Dresden blieb ohne Reaktion. «Siegmann hatte die große Zahl der inserierten russischen Wörterbücher moniert, die >auswärts< missgedeutet werden könnten»19.

Diese ausgewählten Beispiele belegen, dass die Polizeimaßnahmen gegen die russischen Dolmetscher (im Unterschied zur Flugschriftenliteratur) keiner einheitlich vorgegebenen Richtlinie folgten und landesspezifische sowie regionale Besonderheiten aufwiesen. Die Schlussfolgerung, die Rüdiger Busch im Hinblick auf das Großherzogtum Berg machte, sind sicher für den Rheinbund als Ganzes anwendbar: «Hierbei handelte es sich nicht um nach gesetzlichen Vorschriften durchgeführte Zen-surmaßnahmen-<...>-, sondern um ohne jegliche Anordnung durchgeführte Akte der Verzweiflung»80.

Die Buchhändler jedenfalls waren von dieser Wende in der Bewertung der Dol-^ metscherliteratur sichtlich überrascht und mussten sich auf die neue Situation durch entsprechende Gegenmaßnahmen einstellen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die russischen Dolmetscher und « Wörterbücher zur Napoleonzeit von vorneherein nicht auf nachhaltigen Spracher-

^ 75 Straube. S. 138. Straube wertete Materialien des Deutschen Zentralarchivs (DZA Merseburg, | Westfalen, Rep. 2, I, Nr. 24.) aus.

<u 76 Paye, 2013. S. 180f. Die von Paye beschriebene Vignette habe ich in dem anonym bei Friedrichs Christoph Dreyßig in Halle und Leipzig 1813 erschienenen «Kleinen russischen, deutschen fr und französischen Wörterbuch, geschöpft aus der Quelle von Joachim Heim...» vorgefunden ^ (Wörterbuch 1813). Ich bin mir aber ganz sicher, dass es weitere derartige Vignetten innerhalb sS von Dolmetschern gab.

| 77 Gutsche, 1986. S. 208 und 211.

k 78 Rosenthal, 1972. S. 254.

^ 79 Buttgereit, 2009. S. 165.

£ 80 Busch, 1970. S. 53. C

werb gerichtet waren; sie maßten sich selbst keinerlei didaktische Funktion an. Darin ähneln sie den Reisewörterbüchern, die damals ebenfalls gern genutzt wurden; hier aber nicht abgehandelt werden konnten. Die russischen Dolmetscher waren für den Augenblick als reine Verständigungshilfen konzipiert, was alle Beteiligten wussten und akzeptierten. Sie stellten nach Croiset van de Koop «producten van eeridag»8 dar. Selbst die französische Polizei hat dies so eingeschätzt: «ils ne sont rediges que pour un usage momentane»82.

Deshalb wird den russischen Dolmetschern und Verständigungshilfen meines Erachtens ihre bisherige durchgängige Zuordnung zu den Lehr- und Lernmitteln der russischen Sprache nicht gerecht. Sie haben starke Bezüge zur damaligen politischen Tagesliteratur und wurden von den Verfolgungsbehörden auch in dieser Eigenschaft betrachtet und teilweise verfolgt.

Unbestritten jedoch sind diese Materialien, die heute bibliophile Kostbarkeiten darstellen, wertvolle Zeugnisse der Alltagsgeschichte der deutschen Bevölkerung während der Zeit der Befreiungskriege! In dem Moment, wo die flächendeckende Einquartierung als Hauptgrund für das massenhafte Auftreten dieser Sprachbücher wegfiel, verschwand auch das Interesse der örtlichen Bevölkerung an ihnen83. Mit dem endgültigen Rückmarsch der russischen Armeeeinheiten in ihre Heimat 1815 war das Kapitel russische Dolmetscher und Verständigungshilfen in Deutschland beendet und das kurzzeitige Interesse der Bevölkerung an Russland und der russischen Sprache erloschen.

«На все Русское была тогда мода; однако же, по своему обыковеню, эта своенравная и непостоянная богиня нам изменила, и языкъ нашъ не сделалъ успеховъ в Германш»84.

References / Список литературы

Ausführlicher Deutsch-Russischer Dolmetscher welcher die im gemeinen Leben vorzüglich aber bei russischer Einquartierung nöthigsten Redensarten, um sich einander verständlich zu machen, enthält, nebst einem alphabetischen Wörterbuch von mehr als 1000 der nöthigsten Wörter und der Angabe des Namens und Werthes des russischen Geldes. Naumburg: Bei Karl August Wild, 1813.

Baumann H. Zur Geschichte der für Deutsche gedruckten Lehrmittel des Russischen 1131-1945. Uni- ^ versität Jena. Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät. Habilitationsschrift. Jena, 1969. (Maschinenschrift). 3 Beckstein L. Johann Matthäus Bechstein und die Forstacademie Dreissigacker, 1855. ^

Begunova A. Povsednevnaa ziznv russkogo gusara v carstvovanie Aleksandra I. М.: Molodaa gvardia, 2000. ^ BergkJ. A., Geißler C. G. H. Schilderung und Abbildung der merkwürdigsten Russischen Völkerschaften, welche in dem jetzigen Kriege gegen Frankreich kämpfen. Oder die Kosaken, Tataren, Kirgisen und Baschkiren g

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81 Croiset van de Koop, 1912. S. 314. ^

82 Paye, 2013. Brief Mertens an de Bongars, S. 184 u. Fußnote 81. '§

83 Als zum Beispiel in Leipzig ab 1814 alle russischen Soldaten innerhalb der Garnison in Kaser- g nen untergebracht waren, war man zwar an einem sachlichen, freundschaftlichen Umgang mit й0 ihnen interessiert, russische Sprachbücher und Verständigungshilfen waren aber nicht mehr Э notwendig. «Bei den wenigen Sprachkenntnissen und den meist mangelhaften Hilfsmitteln £ blieb die Anteilnahme der Bevölkerung auf militärische Schauspiele beschränkt.» Orzschig, -g 1934. S. 41.

84 Михайловский-Данилевский, 1836. С. 465. -S

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Der kleine Dollmetscher mit dem Kosaken, worinn die nothwendigsten russischen Wörter, Gespräche und Zahlen, wie solche nach der deutschen Mundart ausgesprochen werden müssen, enthalten sind. Neue von einem geborenen Russen verbesserte Auflage. Frankfurt, 1813.

Der neueste Dollmetscher zwischen dem Deutschen und Russen oder deutsch-russisches Handwörterbüchlein. Enthaltend eine Menge der vorzüglichsten Wörter und geläufigsten Redensarten. Nach der letzten Berliner Ausgabe in alphabetischer Ordnung bearbeitet. Basel: Bei Samuel Flick, [1814] .

Der Russische Dolmetscher für Deutsche welcher all nöthigen Wörter und Redensarten enthält um sich den Russen verständlich zu machen. 1813.

Der Russische Dolmetscher für Deutsche, welcher die allernöthigsten Wörter und im gemeinen Leben vorkommenden Redensarten nach alphabetischer Ordnung enthält, wie sie nach Deutscher Mundart ausgesprochen werden müssen. Nebst Schilderung der Russischen Krieger in Hinsicht auf ihren Charakter, Lebensart, Religion und Gewohnheit. 3., verbesserte Auflage. Heidelberg: Bei Engelmann und Meder, 1814.

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sS ter und Ausdrücke, welche die Bewohner einer Stadt oder eines Dorfes wissen muß, wenn er die Russen S verstehen, oder sich ihnen verständlich machen, und sich dadurch manche Unannehmlichkeiten vermeiden ^ will. Nebst einer nach achtjährigen in Russland selbst gemachten Erfahrungen niedergeschriebenen Schil-fr derung der russischen Nation, in Hinsicht ihrer Sitten, Gebräuche, Wohnungen, Kleidung, Speisen, Ge-^ wohnheiten, etc.; desgleichen, mit einer Schilderung des russischen Militairs, sowohl der Linientruppen, als: h der Kosaken, der Kalmücken, der Tartaren, und der Baschkiren; nebst Angabe der sämmtlichen russischen

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