Б. Брайг*
ГЕНДЕРНАЯ КВОТА В НЕМЕЦКОМ КОРПОРАТИВНОМ ПРАВЕ — НОВЕЛЛЫ ТАК НАЗЫВАЕМОГО ЗАКОНА О ПАРТИЦИПАЦИИ
Аннотация. Статья посвящена новеллам, введенным в 2015 году в Закон об акционерных обществах и в ряд других законов. Для определенных категорий крупных акционерных обществ устанавливаются гендерные квоты и обязанность определить целевые показатели для доли женщин на руководящих должностях. Эти новеллы отчасти являются спорными и могут противоречить праву ЕС и Основному закону Германии.
Ключевые слова: акционерные общества, акционеры, гендерные квоты, право ЕС, законодательство Германии.
DOI: 10.17803/1994-1471.2016.68.7.215-218
Burkhard BREIG, Inhaber der Professur für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie osteuropäisches Recht mit besonderer Berücksichtigung Russlands am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin
FRAUENQUOTE IM DEUTSCHEN GESELLSCHAFTSRECHT — NEUERUNGEN NACH DEM SOGENANNTEN «TEILHABE-GESETZ»
Mit Gesetz vom 24. April 20151, das zum 1. Mai 2015 in Kraft getreten ist, wurden mehrere Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter im Gesellschaftsrecht und im öffentlichen Dienst eingeführt, die über das bisherige Instrumentarium der Frauenförderung hinausgehen. Damit wurden Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD für die 18. Wahlpe-
riode des Bundestags vom 16. Dezember 2013 umgesetzt .
Hier sollen die Vorschriften dargestellt werden, die das Gesellschaftsrecht betreffen. Darüber hinaus enthält das Gesetz Vorschriften, die den öffentlichen Dienst des Bundes betreffen und ähnlich wie im Gesellschaftsrecht bestimmte Geschlechterquoten vorgeben und die Festlegung von Zielgrößen vorschreiben.
1 Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24. April 2015, BGBl I, 642, im Folgenden: „Teilhabe-Gesetz".
© Брайг Б., 2016
* Брайг Буркхард, доктор права, профессор, заведующий кафедрой гражданского права, торгового права, корпоративного права и права стран Восточной Европы с особым учетом России Свободного университета Берлина Burkhard.Breig@fu-berlin.de 14195 Berlin, Deutschland, Kaiserswerther Str. 16-18
I. Inhalt der Regelung
Ziel der gesellschaftsrechtlichen Regelungen des Teilhabe-Gesetzes ist es, die Unterrepräsentation der Frauen in den Führungspositionen der Privatwirtschaft auszugleichen. In der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs wird ein starkes Ungleichgewicht der Geschlechterverteilung zu Ungunsten der Frauen in solchen Führungspositionen festgestellt2. Das Gesetz führt bestimmte Instrumente ein, um den Frauenanteil zu erhöhen (s.u. 2—4).
1. Anwendungsbereich
Das Gesetz betrifft nur Gesellschaften, die entweder an einer Börse notiert sind oder die der sogenannten paritätischen unternehmerischen Mitbestimmung unterliegen.
Für eine Börsennotierung kommen unter den inländischen Rechtsformen nur die Aktiengesellschaft (AG) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) in Betracht. Dazu kommt die unionsrechtliche Rechtsform der Societas Europaea (SE).
Unternehmerische Mitbestimmung besteht im Wesentlichen darin, dass ein Teil der Mitglieder des Aufsichtsrats durch die Arbeitnehmerschaft bestimmt werden. Paritätische Mitbestimmung bedeutet, dass dieselbe Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Aktionäre und die Arbeitnehmerschaft bestimmt wird. Sie wurde zunächst für bestimmte Kategorien aus dem Bereich der Schwerindustrie eingeführt (durch das Mon-tan-Mitbestimmungsgesetz von 1951). Später wurde sie durch das Mitbestimmungsgesetz von 1976 auf AG und KGaA ausgedehnt, die bestimmte Größengrenzen überschreiten.
2. Geschlechterquote für den Aufsichtsrat
Nach § 96 Abs. 2 AktG n.F. setzt sich in Gesellschaften, die sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind, der Aufsichtsrat zu mindestens 30 % aus Frauen und zu mindestens 30 % aus Männern zusammen. Die Vorschrift bestimmt weiter, dass diese Anforderung grundsätzlich für den Aufsichtsrat insgesamt gilt. Fordert aber entweder die Arbeitnehmerseite oder die Kapitaleignerseite die getrennte Erfüllung der Quote, so muss die Quote getrennt von beiden Seiten erfüllt werden. Die Regelung gilt ab 1. Januar 2016 für neue Ernennungen.
3. Zielquoten für den Frauenanteil für Vorstand und Aufsichtsrat
Für Gesellschaften, die entweder börsennotiert oder paritätisch mitbestimmt sind, statuiert das Gesetz die Pflicht, Zielquoten für den Frauenanteil festzulegen:
Gem. § 111 Abs. 5 AktG n.F. legt der Aufsichtsrat für den Frauenanteil im Aufsichtsrat und im Vorstand Zielgrößen fest. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 %, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Es sind Fristen von höchstens fünf Jahren für die Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Zielgrößen für den Aufsichtsrat müssen dann nicht festgelegt werden, wenn für diesen bereits die Pflichtquote nach § 96 Abs. 2 AktG gilt.
Gem. § 76 Abs. 4 AktG n.F. legt zusätzlich der Vorstand für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen fest. Auch hier gilt, dass der Frauenanteil die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten dürfen, wenn der erreichte Frauenanteil unter 30 % liegt. Auch hier müssen Fristen von höchstens fünf Jahren für die Erreichung der Zielgrößen festgelegt werden.
Die Zielquoten waren gem. Art. 25 Abs. 1 S. 1 EGAktG n.F. erstmals zum 30. September 2015 festzusetzen.
4. Berichtspflichten über Erreichung der Zielgrößen
Nach § 289a Abs. 2 Nr. 4, 5 HGB müssen die betroffenen Gesellschaften, sofern sie aufgrund einer Börsennotierung ihrer Aktien oder anderer Wertpapiere zur Abgabe einer Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a Abs. 1 HGB verpflichtet sind, sich auch über die Erreichung der Zielgrößen für den Frauenanteil nach § 76, 111 AktG und die Erfüllung der Geschlechterquote nach § 96 AktG berichten und bei Nichterreichung der jeweiligen Kennziffern die Gründe dafür angeben.
II. Gleichberechtigung und Gleichstellung
Das Teilhabe-Gesetz ist eines der jüngsten Beispiele für rechtliche Maßnahmen der Gleichstellungspolitik. Gleichstellung der Geschlechter hat zum einen ihre Wurzel im Gleichheitssatz, steht
2 Bundestags-Drucksache 18/3784 vom 20. Januar 2015, abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/ btd/18/037/1803784.pdf (zuletzt angesehen: 23. Mai 2016).
aber zum anderen auch in einem Spannungsverhältnis zu ihm. Das Grundgesetz sieht in Art. 3 Abs. 1 vor: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich." Zusätzlich regelt Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Man kann sich fragen: warum reicht nicht die allgemeine Regelung in Art. 3 Abs. 1 GG aus? Enthält sie nicht auch bereits das Gebot der Gleichberechtigung von Männern und Frauen? In der Tat enthält Art. 3 Abs. 1 GG das Prinzip inhaltlicher Rechtsgleichheit, d.h. er verbietet nicht nur die partielle Nichtanwendung von Rechtssätzen auf einzelne Personen, sondern er verlangt, dass Gleiches auch rechtlich gleich behandelt wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass alles unterschiedslos gleich zu behandeln wäre, sondern dass das, was gleich ist, auch gleich behandelt werden muss: verboten ist eine ungleiche Regelung gleicher Sachverhalte3 . Nun gibt es auf der Welt keine zwei vollständig gleichen Sachverhalte. Rechtliche Regelungen abstrahieren vielmehr von den meisten Einzelheiten und greifen bestimmte Merkmale heraus, an die Rechtsfolgen geknüpft werden. Der Gleichheitsgrundsatz verlangt daher eine Entscheidung darüber, welche Sachverhalte wesentlich gleich sind. Gerade die Frage danach, inwieweit das Geschlecht ein zulässiges oder gar gebotenes Kriterium für Differenzierung ist, war gerade in der Zeit, in der das Grundgesetz entstand, in Bewegung. Das Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896 etwa wies Frau und Mann in der Ehe ganz unterschiedliche Rechte und Pflichten zu. Das Grundgesetz schließt nun in Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG grundsätzlich das Geschlecht als Differenzierungskriterium für rechtliche Regelungen aus. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Regelung zunächst als Verbot der rechtlichen Ungleichbehandlung angesehen . Die Norm sollte aber nicht geeignet sein, gesellschaftliche Wirkungen der faktischen Ungleichheit der Geschlechter zu überwinden. Später änderte das Bundesverfassungsgericht aber seine Auffassung und begann, in Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG auch ein Instrument dazu zu sehen, die faktische Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen: der Gesetzgeber sollte danach auch berechtigt sein, faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, durch begünstigende Regelungen auszugleichen.
Beispiel: Im Januar 1992 entschied das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit einer Regelung, nach der es verboten war, Arbeiterinnen in der Zeit zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr morgens zu beschäftigen4. Die Regelung wurde für verfassungswidrig erklärt, da sie gegen Art. 3 Abs. 2 und Art. 3 Abs. 3 GG verstoße. Den Zweck des Gesetzes, Frauen vor gesundheitlichen Schäden durch Nachtarbeit zu schützen, erkannte das Gericht nicht an. Regelungen, die zwischen den Geschlechtern differenzieren, seien nur zulässig, soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich seien. Dieses Erfordernis sei beim Nachtarbeitsverbot aber nicht erfüllt. Es gebe keine Nachweise dafür, dass Frauen aufgrund ihrer Konstitution weniger zur Nachtarbeit geeignet seien. Soweit Nachtarbeit sie jedoch wegen Hausarbeit und Kindererziehung stärker belaste, beruhe dies auf einer sozialen Rollenverteilung und stelle kein geschlechtsspezifisches Merkmal dar. Das Nachtarbeitsverbot schließe damit Frauen ungerechtfertigt von dem Wettbewerb um die betroffenen Stellen aus.
Im Jahr 1994 fügte der Gesetzgeber Art. 3 Abs. 2 einen neuen Satz 2 an, der lautet: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Diese Formel stellte einen Kompromiss dar. Das Wort „Gleichstellung" wurde bewusst nicht aufgenommen. Ohne ausdrückliche Antwort blieb die Frage, ob und inwieweit Regelungen zulässig sind, die auf die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter dadurch hinwirken, dass ein Geschlecht gegenüber dem anderen bevorzugt wird. Die Anforderungen an solche Differenzierungen nach Geschlecht zur Erreichung der Gleichstellung wurden in mehreren Gerichtsverfahren nach und nach herausgearbeitet. Zu Geschlechterquoten im öffentlichen Dienst entschied der Europäische Gerichtshof, dass es zwar unzulässig sei, feste Quoten für Geschlechteranteile festzulegen, dass aber eine Regelung, nach der bei gleicher Qualifikation Frauen zu bevorzugen seien, dann zulässig sei, wenn sei eine Öffnungsklausel enthalte, nach der dennoch der Mann eingestellt werden könne, wenn dies die besonderen Umstände des Einzelfalles verlangten.
3 Hesse: Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage 1999.
4 BVerfGE 85, 191.
Grundlage für diese Entscheidungen ist u.a. Art. 157 Abs. 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (bzw. des Vorgängervorschrift im Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Nach dieser Vorschrift „hindert der Grundsatz der Gleichbehandlung die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Erleichterung der Berufstätigkeit des unterrepräsentierten Geschlechts oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in der beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen."
Damit ist einer der Kritikpunkte gegenüber dem Teilhabe-Gesetz angesprochen: In der Literatur wird häufig vorgetragen, die „harte" Geschlechterquote für den Aufsichtsrat in Gesellschaften, die sowohl börsennotiert als auch paritätisch mitbestimmt sind, verstoße gegen Europarecht und gleichzeitig auch gegen deutsches Verfassungsrecht. Hier fehle es gerade an einer Öffnungsklausel, die es erlaube, aufgrund der Umstände des Einzelfalls Ausnahmen von der Quote zuzulassen5. Zwar bezieht sich die Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs bisher auf Geschlechterquoten im öffentlichen Dienst. Jedoch spricht einiges dafür, dass sie auch auf die Privatwirtschaft übertragen werden kann, da beide Bereiche von Art. 157 AEUV sowie Art. 23 der Europäischen Grundrechtecharta erfasst werden.
III. Schluss
Das Teilhabe-Gesetz musste Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD umsetzen, die eher politisch als rechtlich exakt gefasst waren. Die Verfasser des Programms mögen von einem weit verbreiteten Gefühl des Ungenügens an den bisherigen Erfolgen der Gleichstellungspolitik motiviert gewesen sein. Gleichzeitig wird an dem Gesetz jedoch auch deutlich, dass der Handlungsspielraum von Gleichstellungspolitik seinerseits auf rechtliche Grenzen stößt. Diese Grenzen sind nicht mehr allein durch autonomes deutsches Recht, sondern in großem Maße auch durch das Recht der Europäischen Union (und auch der Europäischen Menschenrechtskonvention) definiert.
Материал поступил в редакцию 30 мая 2016 г.
GENDER QUOTA IN GERMAN CORPORATE LAW - AMENDMENTS IN THE SO CALLED PARTICIPATION ACT
BREIG Burkhard — Doctor of Law, Professor, Head of the Department of Civil Law, Merchant Law, Corporate Law and Law of Countries of Eastern Europe with particular reference to Russia at the Free University of Berlin
Burkhard.Breig@fu-berlin.de
14195 Str. Kaiserswerther str. 16-18, Berlin, Deutschland
Review. The article is devoted to the amendments made in 2015 in the Law on Joint Stock Companies and in a number of other laws. For certain categories of large public joint stock companies gender quotas and the obligation to identify target indications for the percentage of women taking managerial positions are set forth. These amendments are to some extent controversial and may be contrary to EU law and the Basic Law of Germany.
Keywords: joint stock companies, shareholders, gender quotas, EU law, German law.
5 Vgl. etwa Olbrich/Krois: Das Verhältnis von «Frauenquote» und AGG, NZA 2015, 1288—1293.