Е. А. Дудина*
Ответственность руководителя в российском праве в сравнительном аспекте с немецким правом
Аннотация. В статье изложены основные положения ответственности руководителя в российском праве в сравнительном аспекте с немецким правом. В частности, отмечена значительная роль постановления Пленума ВАС РФ от 30 июля 2013 г. № 62 «О некоторых вопросах возмещения убытков лицами, входящими в состав органов юридического лица» в формировании института ответственности руководящих органов юридического лица. Указаны лица, которые могут быть привлечены к ответственности, а также лица, уполномоченные на обращение в суд с соответствующим требованием. Приведены условия наступления ответственности руководителя, а также обстоятельства, освобождающие руководителя от ответственности. Перечислены случаи, когда недобросовестность и неразумность руководителя презюмируются. В заключение сделан вывод об усилении ответственности руководителя для его побуждения действовать в интересах юридического лица добросовестно и разумно.
Ключевые слова: ответственность руководителя, корпоративное право.
DOI: 10.17803/1994-1471.2016.68.7.223-226
Ekaterina DUDINA, LL.M. Associate der Praxisgruppe Gesellschaftsrecht im Moskauer Büro der BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltskanzlei, Magistertitel (LL.M.) der Freien Universität Berlin
Managerhaftung im russischen Recht mit vergleichenden Bezügen zum deutschen Recht
Haftungsfragen nehmen traditionell eine zentrale Stellung beinahe in jedem Rechtsgebiet ein. Das Gesellschaftsrecht bildet dabei keine Ausnahme. Das russische Managerhaftungsrecht befindet sich derzeit noch in der Entwicklung (wobei diese vom Gesetzgeber und der Rechtsprechung mit rasantem Tempo vorangetrieben wird). Dabei hat die Anordnung des Plenums des Obersten Arbitragegerichts der Russischen Föderation (nachfolgend «OAG»)
«Über einige Fragen des Schadensersatzes durch die die Organe der juristischen Person bildenden Personen» Nr. 62 vom 30. Juli 2013 (nachfolgend «Anordnung Nr. 62») eine besondere Bedeutung. In der Anordnung Nr. 62 wurden die Ergebnisse der zahlreichen Entscheidungen der Arbitragegerichte zusammengefasst, so dass sie zu einem Meilenstein in den Fragen der Haftung von Leitern geworden ist. Die nicht zu unterschätzende Bedeutung der Anordnung Nr. 62 zeigt sich auch
© Дудина Е. А., 2016
* Дудина Екатерина Александровна, юрист отдела корпоративного права московского офиса юридической фирмы «БАЙТЕН БУРКХАРДТ», магистр права (LL.M.) Свободного университета Берлина dudina_ekaterina@inbox.ru
14195 Berlin, Deutschland, Kaiserswerther Str. 16-18
dadurch, dass die Anzahl der von den Arbitragegerichten verhandelten Fälle zur Managerhaftung seit deren Verabschiedung mehr als auf das Doppelte gestiegen ist1 .
Die deutsche Managerhaftung ist hingegen viel progressiver, was insbesondere die im Vergleich zu Russland verbreitete Nutzung einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (Directors and Officers Liability Insurance (D&O-Versicherung)) belegen mag. Aus diesem Grund wäre die Hinwendung zur relevanten gesetzlichen Regelung in Deutschland von Nutzen .
Der Kreis der Betroffenen ist relativ umfangreich und erfasst insbesondere alleinige geschäftsführende Organe (Generaldirektor, einschließlich des ehemaligen Generaldirektors, eines «Strohmannes» sowie eines Hintermannes), kollegiale geschäftsführende Organe (Vorstand), kollegiale Leitungsorgane (Aufsichtsrat) sowie grundsätzlich Liquidator und Insolvenzverwalter.
Anspruchsbefugte sind die juristische Person selbst, ihre Gesellschafter, Aktionäre mit mindestens 1 %-Aktienanteil sowie Gesellschafter, die zum Zeitpunkt der Vornahme der betreffenden Handlung durch den Leiter noch keine Gesellschafterposition besaßen (die Verjährungsfrist fängt dabei mit der Kenntnisnahme bzw. Kenntnismüssen des Rechtsvorgängers an)2 .
Die Grundvorschrift in Bezug auf die Haftung eines Managers stellt Art. 53 Pkt. 3 des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation (nachfolgend «ZGB») dar, wonach die Person, welche kraft Gesetzes, eines anderen Rechtsaktes oder gemäß dem Gründungsdokument einer juristischen Person berechtigt ist, in deren Namen aufzutreten, im Interesse der von ihr vertretenen juristischen Person gewissenhaft und vernünftig zu handeln hat.
Die Anforderungen an die Tätigkeit eines Leiters sind als wertende Kategorien formuliert. Der Inhalt dieser wertenden Kategorien und ihre praktische Anwendung werden im konkreten Fall durch das russische Gericht unter Berücksichti-
gung des jeweiligen Sachverhalts festgelegt. Hierbei sind vor dem Hintergrund von Rechtsprechung und gesetzlichen Vorschriften insbesondere die Kriterien der Gewissenhaftigkeit und Vernünftigkeit zu berücksichtigen. Dies wird im deutschen Recht als «Sorgfaltspflicht» bezeichnet3 .
Nach Art. 53.1 Pkt. 1 Ziff. 1 ZGB ist die Person, welche kraft Gesetzes, eines anderen Rechtsaktes oder gemäß dem Gründungsdokument einer juristischen Person berechtigt ist, in deren Namen aufzutreten (nachfolgend «Leiter»), verpflichtet, auf Verlangen der Gründer (Gesellschafter) der juristischen Person, die in ihrem Interesse auftreten, den Schaden zu ersetzen, welchen sie der juristischen Person schuldhaft zugefügt hat. Laut Art. 53.1 Pkt. 1 Ziff. 2 ZGB haftet der Leiter, wenn nachgewiesen ist, dass dieser bei der Wahrnehmung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten nicht gewissenhaft und vernünftig gehandelt hat, insbesondere, wenn sein Tun (Unterlassen) den gewöhnlichen Umständen des bürgerlichen Verkehrs bzw. dem unternehmerischen Risiko nicht entsprach.
Die Haftungsvoraussetzungen lassen sich somit wie folgt zusammenfassen:
— rechtswidrige Handlung (Tun oder Unterlassen) des Leiters,
— Schadenseintritt,
— Kausalzusammenhang zwischen rechtswidriger Handlung und Schadenseintritt,
— Verschulden.
Aus dem Wortlaut des Art. 53.1 Pkt. 1 Ziff. 2 ZGB sowie Pkt. 1 der Anordnung Nr. 62 ergibt sich, dass unternehmerisches Risiko als Haftungsbefrei-ungsgrund zu qualifizieren ist. In diesem Zusammenhang kennt das deutsche Gesellschaftsrecht ähnliche Regelungen. Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG liegt eine Pflichtverletzung nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.
1 So wurden 2013 z. B. vom Arbitragegericht des Nordwestlichen Bezirks 20 Fälle über die Heranziehung der Manager zur Haftung verhandelt. 2014 waren das bereits 49 Fälle. (Quelle: E.N. Bytschkowa, K.S. Kalinit-schenko, Rechtsprechung zu Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Haftung eines alleinigen geschäftsführenden Organs einer juristischen Person// Arbitrashnyje spory. 2015 Nr. 3 S. 38—64; SPS «KonsultantPlus»).
2 Pkt. 10 der Anordnung Nr. 62.
3 Vgl. § 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (nachfolgend «Gmb-HG»), § 93 Abs. 1 des Aktiengesetzes (nachfolgend «AktG»).
Diese Formel ist als «Business Judgement Rule» bekannt und setzt Folgendes voraus:
— eine unternehmerische Entscheidung
— unter Beachtung der Legalitätspflicht
— auf der Grundlage angemessener Information
— zum Wohle der Gesellschaft
— in gutem Glauben und
— ohne Eigeninteressen und sachfremde Einflüsse4. Bei der Bestimmung der Interessen der juristischen Person muss mit berücksichtigt werden, dass deren Tätigkeit zuvorderst auf die Gewinnerwirtschaftung gerichtet ist. Zudem dürfen die entsprechenden in den Gründungsdokumenten und Beschlüssen der Gesellschaftsorgane verankerten Bestimmungen (z. B. Prioritätsrichtungen in der Tätigkeit der Gesellschaft, Strategien und Geschäftsplane) nicht außer Acht gelassen werden. Sollte der Leiter im Interesse eines oder mehrerer Gesellschafter, jedoch zum Nachteil der Gesellschaft gehandelt haben, ist das Verhalten des Leiters im Interesse der Gesellschaft zu verneinen5 .
In Anlehnung an Art. 10 Pkt. 5 ZGB werden die Gewissenhaftigkeit der Teilnehmer von zivilrechtlichen Verhältnissen und die Vernünftigkeit ihrer Handlungen vermutet. Dies bildete früher ein beträchtliches Hindernis, um Leiter zur Haftung heranzuziehen, da der Kläger die Tatsachen für ein nicht gewissenhaftes Handeln bzw. nicht vernünftiges Handeln des Leiters zu beweisen hatte. Aus diesem Grund hat das OAG eine Beweislastumkehr vorgesehen, die das Verfahren zum Nachweis des nicht gewissenhaften bzw. nicht vernünftigen Handelns erheblich erleichtern sollte .
Das nicht gewissenhafte Handeln des Leiters gilt u.a. als bewiesen, wenn der Leiter:
1. beim Vorliegen eines Konflikts zwischen seinen persönlichen Interessen (Interessen der affiliier-ten Personen des Leiters) und den Interessen der juristischen Person handelte, u.a. beim Vorliegen eines tatsächlichen Interesses des Leiters an der Tätigung des Geschäfts durch die juristische Person, mit Ausnahme der Fälle, wenn die Information über den Interessenkonflikt im Voraus offengelegt und die Handlungen des Direktors in einem gesetzlich festgelegten Verfahren gebilligt wurden;
2. Informationen über das von ihm getätigte Geschäft gegenüber den Gesellschaftern der juris-
tischen Person verheimlichte (insbesondere wenn die Informationen über ein solches Geschäft unter der Verletzung eines Gesetzes, der Satzung oder der internen Dokumente der juristischen Person nicht in die Berichte der juristischen Person aufgenommen wurden) oder wenn er den Gesellschaftern der juristischen Person falsche Informationen über das entsprechende Geschäft vorgelegt hat;
3. das Geschäft ohne eine gesetzlich erforderliche oder in der Satzung festgelegte Zustimmung durch entsprechende Organe der juristischen Person tätigte;
4. nach der Aufhebung seiner Befugnisse die Dokumente der juristischen Person hinsichtlich der Umstände, die ungünstige Folgen für die juristische Person nach sich gezogen haben, behält bzw. sich weigert, diese an die juristische Person zu übergeben;
5. davon Bescheid wusste, dass sein Tun (Unterlassen) zum Zeitpunkt von dessen Vornahme den Interessen der juristischen Person widersprachen, z.B. das Geschäft unter den für die juristische Person wissentlich ungünstigen Umständen oder mit einer zur Erfüllung der Verpflichtungen wissentlich unfähigen Person (einer «Scheinfirma») tätigte (bzw. dafür abstimmte) etc.
Das nicht vernünftige Handeln des Leiters gilt
u.a. als bewiesen, wenn der Leiter:
1. den Beschluss ohne die Berücksichtigung der ihm bekannten Information, die in dieser Situation von Bedeutung ist, fasste;
2. vor der Beschlussfassung keine Handlungen für den Erhalt der erforderlichen und für diese Beschlussfassung ausreichenden Informationen vornahm, welche für die Geschäftspraxis unter ähnlichen Umständen üblich sind, u.a. wenn bewiesen wurde, dass ein vernünftiger Leiter unter den vorliegenden Umständen die Beschlussfassung bis zum Erhalt weiterer Informationen verschoben hätte;
3. das Geschäft ohne die Einhaltung eines üblichen oder bei dieser juristischen Person für den Vollzug ähnlicher Geschäfte erforderlichen Prozedere (z.B. ohne Abstimmung mit der juristischen Abteilung, Buchhaltung usw.) tätigte.
4 Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43, Rn. 68b.
5 Pkt. 2 Abs. 4 der Anordnung Nr. 62.
In einer deutschen Aktiengesellschaft unterliegen die Leiter der Beweislast, sorgfältig gehandelt zu haben, kraft Gesetzes6 .
Die aktuelle Rechtsprechung7 belegt die zunehmende Bedeutung der Managerhaftung. Mit der Anordnung Nr. 62 wurde die Haftung erheblich
verschärft, um einen Anreiz zu einer gewissenhafteren und vernünftigeren Unternehmensführung zu setzen. Der unternehmerische Ermessenspielraum darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden; dieser setzt eine gewisse Handlungsfreiheit zwingend voraus.
Материал поступил в редакцию 30 мая 2016 г.
RESPONSIBILITY OF A SENIOR OFFICER UNDER RUSSIAN LAW IN COMPARISON WITH GERMAN LAW
DUDINA Ekaterina Aleksandrovna — Lawyer at the Corporate Law Department of the Moscow Office of the law firm "BEITEN BURKHARDT", Master of Law (LL. M.) at the Free University of Berlin dudina_ekaterina@inbox.ru
14195 Str. Kaiserswerther str. 16-18, Berlin, Deutschland
Review. The article describes the main provisions of the responsibility of a senior officer under Russian law in comparison with German law. In particular, the author draws attention to the significant role of the Resolution of the Plenum of the Supreme Arbitration Court of the RF "On some issues of recovering damages by members of bodies of a legal entity " No. 62 dated July 30, 2013 in developing the institute of responsibility of governing bodies of legal entities. The article enumerates persons who can be held accountable, as well as persons authorized to resort to court with an appropriate complaint. The author considers circumstances under which a senior office can be held accountable, as well as circumstances under which a senior officer can be discharged of any responsibility. The article also enumerates cases when bad faith and unreasonableness of a senior officer are presumed. To sum up, the author concludes that senior officer responsibility enhances to encourage him or her to act in good faith and reasonably in the interests of a legal entity.
Keywords: responsibility of a senior officer, corporate law.
6 Vgl. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG.
7 Anordnung des Arbitragegerichts des Fernöstlichen Bezirks Nr. F03-4089/2015 vom 9. Oktober 2015; Anordnung des Arbitragegerichts des Moskauer Bezirks Nr. F05-10535/2011 vom 1. Oktober 2015; Anordnung des Arbitragegerichts des Moskauer Bezirks Nr. F05-7931/2015 vom 2. Juli 2015; Anordnung des Arbitragegerichts des Wolga-Wjatsk-Bezirks Nr. F01-2604/2015 vom 14. Juli 2015.