HORIZON 3 (i) 2014 : 1. Research : Y. Ikeda : p. 64-98
ФЕНОМЕНОЛОГИЧЕСКИЕ ИССЛЕДОВАНИЯ • STUDIEN ZUR PHÄNOMENOLOGIE • STUDIES IN PHENOMENOLOGY • ÉTUDES PHÉNOMÉNOLOGIQUES
TRANSZENDENTALER SCHEIN UND PHÄNOMENOLOGISCHE URSPRÜNGLICHKEIT — WELTERFAHRUNG BEI HUSSERL UND FINK*
TRANSCENDENTAL ILLUSION AND PHENOMENOLOGICAL ORIGINALITY — THE WORLD-EXPERIENCE IN HUSSERL AND FINK
YUSUKE IKEDA**
Ritsumeikan University Kyoto, Kyoto, Japan e-mail: lt007026@ed.ritsumei.ac.jp
This paper holds that the philosophical relation between Husserl's and Fink's phenomeno-logical philosophies can be characterized in terms of proximity and distance. We proceed by focusing on the philosophical foundation of their projects and, in particular, on the Kantian notion of «transcendental illusion», which they use, though in different manners, as a way of determining purely philosophical illusions — a preliminary task to found transcendental phenomenology proper. We select this Kantian notion as a central theme inasmuch as it concerns the metaphysical problematic of the world. Our analysis shows that Fink defends the Husserlian thesis that the world is not merely an «idea of pure reason» (Kant), but an experience. In effect, the world is necessarily pregiven to us, though anonymously, in an intentional experience; in other words, intentional experience without the pregiven world is, according to the late Husserl, unthinkable. Fink's characterization of world-experience is radically different from Husserl's. This difference or distance comes from Fink's conception of «enworld-ing» (Verweltlichung), i. e., the self-actualization of constituting subjectivity in the world-actualization. Fink's very idea of this type of correlation has two specific enabling functions: (1) the world's originally enframing function (die ursprünglich einrahmende Funktion) of the entity into the world itself and (2) the event-like character of the «intruding» (Eindringen) of the subject into the world. Therefore, we conclude that Fink's phenomenological contribution to philosophy consists not only in his genuine reflection on, and analysis of, the phenomenological conception of correlation at the deep level of world-experience, but also in his metaphysical reformulation of the traditional concept of the world. Keywords: transcendental illusion, transcendental idealism, intentional correlation, world-experience, origin of the world, access to time-horizons, event.
* Es ist mir eine Freude, an dieser Stelle einige Wörter des Dankes an meine Freunde aussprechen zu dürfen. Zu besonderem Dank bin ich Fabien Muller verpflichtet, der mir bei der Gestaltung des deutschen Textes mit vielen Verbesserungsvorschlägen geholfen hat: ohne seine Hilfe hätte die Arbeit nicht erscheinen können. Mein Dank gilt ferner Nicolás Garrera-Tolbert für seine freundliche Hilfe bei der sprachlichen Formulierung des englischen Abstracts. Danken möchte ich Georgy Chernavin und Herrn Andrei Patkul für die Ermutigung dieser Arbeit.
** Graduated student of the Ritsumeikan University Kyoto, PhD student of the Ritsumeikan University Kyoto. © rocyKe HKega, 2014
ТРАНСЦЕНДЕНТАЛЬНАЯ ИЛЛЮЗИЯ И ФЕНОМЕНОЛОГИЧЕСКАЯ ИЗНАЧАЛЬНОСТЬ — ОПЫТ МИРА У ГУССЕРЛЯ И ФИНКА
YUSUKE IKEDA*
Ritsumeikan University Kyoto, Kyoto, Japan e-mail: lt007026@ed.ritsumei.ac.jp
В данной статье отношения между феноменологическими философиями Гуссерля и Финка характеризуются в терминах близости и дистанции. Мы фокусируем внимание на философских основаниях их проектов и, в частности, на кантовском понятии «трансцендентальной иллюзии», которое используют оба автора, хотя и по-разному, на пути к определению чисто философских иллюзий — в этом состоит предварительная задача, если мы хотим обосновать трансцендентальную феноменологию надлежащим образом. Мы выбрали это кантовское понятие как центральную тему постольку, поскольку оно затрагивает метафизическую проблематику мира. Наш анализ показывает, что Финк придерживается гуссерлевского тезиса, согласно которому мир это не только «идея чистого разума» (Кант), но и опыт. На деле, мир с необходимостью нам пред-дан, хоть и анонимным образом, в интенциональном опыте; другими словами, интенциональный опыт, согласно позднему Гуссерлю, немыслим без пред-данного мира. Финк характеризует опыт мира радикально иначе, чем это делал Гуссерль. Отличие или дистанция берет начало в финковской концепции «обмирщения» (Verweltlichung), т. e. само-реализации конститутирующей субъективности в процессе реализации мира. Корреляция такого типа, согласно идее Финка, позволяет выполнять специфическую двоякую функцию: (1) функцию изначального обрамления (die ursprünglich einrahmende Funktion) миром, встраивания элементов в сам мир и (2) событийного «вторжения» (Eindringen) субъекта в мир. Таким образом, это позволяет нам сделать вывод о том, что вклад Финка в философию состоит не только в этой рефлексии о феноменологической концепции корреляции и анализе фундаментального уровня опыта мира, но также и в его метафизическом реформулировании традиционного понятия мира.
Ключевые слова: трансцендентальная иллюзия, трансцендентальный идеализм, интен-циональная корреляция, опыт мира, исток мира, доступ к временным горизонтам, событие.
Nähe und Distanz — Fink und Husserl
Die vorliegende Abhandlung zielt darauf ab, einen Horizont zu eröffnen, vor dem das Denken des jungen Eugen Finks (1905-1975) mit demjenigen Husserls «systematisch hinsichtlich ihrer verschiedenen philosophischen Grundlegungsdimensionen» verglichen werden kann. Finks Philosophie hat, könnte man sagen, zwei Gesichter. Einerseits haben auf sein Denken zwei Lehrer, d. h. Edmund Husserl und Martin Heidegger, einen entscheidenden Einfluss ausgeübt, sowie er selbst auch die Gedanken dieser beiden Leitcha-
Аспирант Ритсумейкан Университета Киото, Киото, Япония.
raktere der «phänomenologischen Bewegung» weiterentwickelt hat. Andererseits ist aber auch leicht einzusehen, dass Fink die Impulse Husserls und Heideggers weder nur schlicht hingenommen, noch bloß unkritisch propagiert hat, sondern dass er sich in seinen Schriften kritisch mit Husserls und Heideggers Denken auseinandergesetzt hat. Vielleicht dürfen wir diese Charakteristik des Denken Finks mit dem Titel eines Sammelbandes seiner Aufsätze symbolisch als «Nähe und Distanz»1 zu Husserl und Heidegger benennen. Aber wir können uns offensichtlich nicht begnügen, diese Nähe und Distanz bloß biographisch (darunter sei auch verstanden: entstehungsgeschichtlich) oder historisch (im weitesten Sinne wirkungsgeschichtlich) nachzuvollziehen. Wir müssen unsere Thematik also streng begrenzen. Zu dieser Begrenzung soll der Begriff des transzendentalen Scheins dienen, der bekanntlich von Immanuel Kant stammt, und uns einen Leitfaden zur Lektüre Husserls und Finks zur Hand gibt. Wie Fink selber schreibt, ist die «Vernichtung der dogmatischen Metaphysik» — d. h. das Erkennen des «transzendentalen Scheins» — «das erste Geschäft einer Grundlegung der Philosophie».2 Wir stellen demgemäß fest, dass nicht nur Kant, sondern auch Husserl und Fink diese Aufgabe auf ihre je eigene Weise vollbracht haben, um ihr eigenes philosophisches Unternehmen zu ermöglichen. Wenn unsere Hypothese bewiesen werden kann, müssen dadurch die grundlegenden Dimensionen dieser Philosophien zu Tage kommen, d. h. wenn der philosophische Schein aufgehoben ist, muss die Ausweisung seiner Erkenntnis möglich, und darin der grundlegende Charakter der Philosophie, ihr logos didonai selbst erwiesen werden. Unser Ziel liegt nun darin, «Nähe und Distanz» auf dem Hintergrund jener Dimensionen darzustellen.
Deswegen muss unsere Abhandlung drei Hauptteile zählen. (1) Wir untersuchen kurz den Begriff des transzendentalen Scheins bei Kant und Husserl, sofern dies für unser Vorhaben nötig ist. Hier soll es um die in sich verschiedenen Ansätze des transzendentalen Idealismus und besonders um den ihm zugrundeliegenden Erfahrungsbegriff gehen. (2) Dann muss Finks Bestimmung dieses Begriffs an sich und hinsichtlich seiner systematischen Rolle in seiner Philosophie erörtert werden. Hier untersuchen wir nicht nur die VI. Cartesianische Meditation3,4 sondern auch Finks Kantstudien-Aufsatz, weil wir besonders in diesem zweiten Text leicht erkennen können, wie sich Fink sowohl von Kant (genauer gesagt, vom «Kritizismus», unter dem Fink Rickerts Schule versteht),5 als auch von Husserl distanziert. Denn der Kantstudien-Aufsatz zielt nachweislich darauf ab, Husserls Phänomenologie, die den «gegenwärtigen Kritiken» durch den «Kritizismus» ausgesetzt waren, zu verteidigen, auch wenn uns scheint, dass Fink einige wesentliche Gegenkritiken mit seinen eigenen philosophischen Ansätzen, die sich nicht immer mit denen Husserls
1 Fink E. Nähe und Distanz: Phänomenologische Vorträge und Aufsätze. München; Freiburg: Verlag Karl Alber, 1976.
2 Fink E. Die Studien zur Phänomenologie 1930-1939. Den Haag, Martinus Nijhoff, 1966. S. 101. Von nun an als Kantstudien-Aufsatz abgekürzt.
3 Von nun an als VI.CM abgekürzt.
4 Fink E. VI. Cartesianische Meditation. Die Idee einer transzendentalen Methodenlehre. Dordrecht: Klu-wer, 1988.
5 Vgl. Fink E. Kantstudien-Aufsatz. S. 79.
decken, formuliert hat. (3) Am Ende werden wir versuchen, das Grundkonzept der frühen Philosophie Eugen Finks unter dem Titel der Phänomenologie des « Ursprungs der Welt»6 zusammenzufassen und ihre Fragestellung und Aufgabe formal zu skizzieren.
1. Ein Überblick über den Begriff des transzendentalen scheins bei Kant und Husserl
Wie oben angedeutet, ist der Gegenstand unserer Untersuchung der «transzendentale Schein». Bekanntlich stammt aber der Begriff des «transzendentalen Scheins» ursprünglich von Immanuel Kant. Husserl verwendet diesen Begriff, dessen Gebrauch wir jedoch nicht mit Kants identifizieren können, im Zusammenhang einer systematischen Reflexion über seines eigenen philosophischen Standpunkt als solchen. Im folgenden Abschnitt muss daher der philosophische Sinn und die Rolle des transzendentalen Scheinbegriffs bei Kant und Husserl kurz umrissen werden.
1-1. Transzendentaler Schein bei Kant
Der Ausdruck des Scheins besagt in gewissen philosophischen Zusammenhängen die nicht erkannte Illusion, genauer gesagt, den Irrtum der Erkenntnis bzw. des Urteils, etwas, das in sich nicht wahrhaft ist, das aber dennoch für wahrhaft oder wirklich gehalten wird, ohne dass man sich dessen aber bewusst ist.1 Darum könnte man sagen, sind die Sätze «man ist in einem Schein befangen» und «man setzt das Sein eines Gegenstandes, welcher an sich nicht als wahrhaft angenommen werden kann, ohne sich dessen bewusst zu sein» philosophisch gleichwertig. «Transzendentaler Schein» im Kantischen Sinne ist jedoch eine spezifische und rein philosophische Illusion, die notwendig die Vernunft selbst mit sich bringt. Der Grund dieses spezifischen Scheins besteht, Kant zufolge, weder in unserer Unachtsamkeit beim Urteilen noch in Mangel an Erkenntnis, sondern er ergibt sich als «natürliche und unvermeidliche Illusion» der Vernunft.8 Anders als im Fall des «empirischen Scheins (z. B. des optischen)», den wir als Schein irgendwann durch Gewinnung einer neuen Erkenntnis oder durch Verbesserung der erkenntnisbildenden Prozesse im Prinzip erkennen,9 und im Fall des «logischen Scheins», der, wenn man die Regeln der Logik beachtet, prinzipiell vermeidbar ist,10 betrachtet Kant die Reflexion über den «transzendentalen Schein» bzw. das Erkennen desselben als eine notwendig geforderte und rein philosophische Aufgabe.11 Mit einem Wort: Diese Aufgabe muss Kant, der eben auf eine
6 Ibid. S. 102.
I Beispielsweise besagt der Schein im ästhetischen Zusammenhang ohne Zweifel etwas ganz anderes. Denn wir sollen in einer ästhetischen Einstellung prinzipiell immer dessen inne sein, dass das, was der Schein darstellt, nicht notwendig wahrhaft oder wirklich sein muss, weil er reine Fantasie sein kann. D.h. der Schein ist in einem Gemälde oder Roman in manchen Fällen als Schein erkannt. Die Leute, die die Scheinbarkeit des künstlichen Scheins nicht zu erkennen vermögen, hält man normalerweise für verrückt.
8 Kant I. Kritik der reinen Vernunft. A298/B391. Von nun an als KrV abgekürzt.
9 Vgl. KrV. A295/B351 f.
10 Vgl. Ibid. A296 f./B353.
II Vgl. Ibid. A295 f./B352 f.
«Kritik der reinen Vernunft» abzielt, notwendig durchführen, weil der Grund dieses spezifischen Scheins in der Vernunft selbst liegt. Kant ergründet das Problem des transzendentalen Scheins in der KrV, indem er drei Grundthematiken der überlieferten Metaphysik in Anschein nimmt — rationale Psychologie, Kosmologie und Theologie, die sich unter dem Sammelbegriff metaphysica specialis zusammenfassen lassen —, unter dem Blickwinkel der Dialektik der Vernunft, die sich «Logik des Scheins» nennt,12 und deren Aufgabe ausdrücklich als «Kritik des dialektischen Scheins» bestimmt ist.13 Damit wir die Wirkung des Erkennens des transzendentalen Scheins ermessen können, ziehen wir nun unsererseits Kants Weltbegriff, den Gegenstand der sog. rationalen Kosmologie, kurz in Betracht.
Kant bestimmt das Wort «Welt» in erster Linie als die «absolute Totalität der existierenden Dinge» (ontologische Bestimmung der Welt als Totalität),14 die aber notwendig als «Gegenstand, der nirgend anders als in unseren Gedanken gegeben werden kann» (hervorhebung von Vfs.),15 anzusehen sei. Kant stellt aber gleichzeitig auch fest: «Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden».16 Der Gegenstand, den wir als etwas je sinnvoll bezeichnen und als Korrelat des wahrhaftigen Erkennens annehmen können, kann nur im Zusammenspiel von Sinnlichkeit und Verstand gegeben werden. Deswegen scheint uns Kants Grundansatz darin zu liegen, die Welt als Totum in «die schlechthin unbedingte Totalität der Synthesis der Erscheinungen»11 aufzulösen (erkenntnistheoretische Gegebenheitsweise der Welt). Weil die reine Vernunft dem Gesetz unterworfen ist, dem zufolge, wenn ein Bedingtes schon gegeben ist, «die ganze Reihe aller Bedingungen desselben», notwendig gegeben sein muss,18 nimmt sie ohne weiteres an, dass die «Welt» als die ganze Reihe aller Bedingungen notwendig entweder unendlich oder endlich sein muss}9 Aber ohne Zweifel kann uns «die empirische Synthese und die Reihe der Bedingungen in der Erscheinung <...> notwendig sukzessiv und nur in der Zeit nach einander gegeben»20 werden. Weil die empirische Synthesis «notwendig sukzessiv und nur in der Zeit nach einander gegeben» wird, kann die Welt in ihrer Totalität niemals in unserer möglichen Erfahrung gegeben, sondern nur «in unseren Gedanken» rein logisch gedacht werden. Dabei kommt zwar der erkenntnistheoretische Unterschied zwischen dem empirisch gegebenen (bzw. zu gebenden) Gegenstand und der Welt als absoluter Totalität der Synthesis der Erscheinungen zum Vorschein, mit der gleichzeitig auch die ontologische Differenz, d. h. die Differenz der Seinsweise von beiden offenbar wird. Diese Sachlage kann so ausgedrückt werden, dass dem Weltbegriff kein Erkenntnisgegenstand zukommt, d. h. dass sein Gegenstand «an sich» nichts ist.21 Die Welt an sich existiert
12 Ibid. A131/B170, A293/B349.
13 Ibid. A62/B86.
14 Ibid. A419/B447.
15 Ibid. A481/B509.
16 Ibid. A51/B75.
17 Ibid. A481/B509.
18 Ibid. A497/B525.
19 Vgl. Ibid. A503 ff./B531 ff.
20 Ibid. A500/B528.
21 Diese Ansicht teilen wir mit Eugen Fink und Läzlö Tengelyi. Vgl. Fink E. Welt und Endlichkeit. Würzburg, 1990. S.139 und Tengelyi L. Erfahrung und Ausdruck. Springer, 2007. S.70 f. Auch vgl. einen aufschluss-
daher weder unendlich noch endlich, weil nur der Gegenstand der möglichen Erfahrung überhaupt dem oben genannten Gesetz der reinen Vernunft unterworfen sein kann22 Dies besagt: «Nichts (die Welt!)» — kann keineswegs einem solchen Gesetz unterworfen sein. So unterscheidet Kant in KrV die Welt streng von dem Ding an sich (Gegenstand), um den «transzendentalen Schein» hervorzuheben.
Hier wollen wir auf eine nennenswerte Konsequenz aufmerksam machen, die Kants Ansatz notwendig mit sich bringt: Der transzendentale Schein hat gar keinen Gegenstand in der Erfahrung, während der oben genannte empirische oder logische Schein einen Gegenstand, den wir gemäß unserer Erkenntnisart sollen erkennen können, haben muss. Und diesen scheinbaren Gegenstand des transzendentalen Scheins, der in sich ein Unding ist, setzt Kant mit den transzendentalen Ideen gleich,23 die nicht als «konstitutives Prinzip», sondern nur als «ein regulatives» gelten24 Der Gegenstand des empirischen oder logischen Scheins und der des transzendentalen sind ihrem Wesen nach, ja, ontologisch grundverschieden. Daher können wir annehmen, dass der «Schlüssel» der Auflösung dieses Scheins nicht nur in einer Art Lehrbegriff des transzendentalen Idealismus besteht — grob gesagt wäre dies etwa eine «erkenntnistheoretische» Interpretation —,25 sondern auch in der Einsicht in den ontologischen Unterschied zwischen einem Gegenstand überhaupt und Nichts, d.h. der Idee ohne Gegenstand. Diese Interpretationslinie könnte man etwa als «ontologisch» bezeichnen. Wenn man diesen Unterschied im Hinblick auf die Differenz von Phaenomena und Noumena in Betracht trifft, kann die betreffende Interpretationslinie kosmologisch heißen.26 Diese Überlegungen nun laufen auf die Erkenntnis hinaus, dass ein transzendentaler
reichen Kommentar zu Kant: Ishikawa H. Kants Denken von einem Dritten- Das Gerichtshof-Modelle und das unendliche Urteil in der Antinomienlehre. Frankfurt, Bern, Paris, New York, 1990.
22 Vgl. KrV., A504 f./B532 f. Übrigens bestätigt Fink spätestens im Jahre 1931 ausdrücklich mit der klaren Sicht diese Sachlage bei Kant. Darin sieht er schon Kants epochemachende Beiträge zum Weltbegriff. «Die positive Bedeutung der kantischen "Ideenlehre" besteht darin, negativ gezeigt zu haben, daß die Verhältnisse des Innerweltlichen nicht auf die Weltganzheit anwendbar sind; daß zunächst die menschliche Vernunft das Schicksal hat, die Weltganzheit nach dem Schema einer innerweltlichen Ganzheit sich vorstellen, daß sie sich aber damit notwendig in einen Widerstreit verwickelt». Eugen Fink Gesamtausgabe 3/2 (von nun ab als EFGA 3/2 abgekürzt), S. 95, (Z-IX, 14a. Datiert am 31.8.1931). Vgl. auch: EFGA 3/1, S.416 ff. (M-II, Text-Nr. 2), und Cairns D. Conversations with Husserl and Fink Edited by the Husserl-Archives in Louvain. The Hague, Netherlands, Martinus Nijhoff, 1916. S. 98.
23 Vgl. KrV., A321 ff./B377 ff.
24 Ibid. A508f./B536f.: «Da durch den kosmologischen Grundsatz der Totalität kein Maximum der Reihe von Bedingungen in einer Sinnenwelt, als einem Dinge an sich selbst, gegeben wird, sondern bloß im Regressus derselben aufgegeben werden kann, so behält der gedachte Grundsatz der reinen Vernunft, in seiner dergestalt berichtigten Bedeutung, annoch seine gute Gültigkeit, zwar nicht als Axiom, die Totalität im Objekt als wirklich zu denken, sondern als ein Problem für den Verstand, also für das Subjekt, um, der Vollständigkeit in der Idee gemäß, den Regressus in der Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten anzustellen und fortzusetzen». Kant kann ohne Schwierigkeit die Welt (als Nichts verstanden) mit der Idee gleichsetzen, weil der Weltbegriff bei ihm prinzipiell als «ens rationis», d. h. «leerer Begriff ohne Gegenstand» verstanden wird. «Ens rationis» selbst wird hier als «Nichts» verstanden. Vgl. Ibid. A290 ff./ B346 ff. (Siehe besonders die Tafel des Begriffs von Nichts: Ibid. A292/B348).
25 Ibid. A490 ff./B518 ff.
26 In diese Richtung ging Fink ausdrücklich weiter, als er sich später mit Kant thematisch auseinandergesetzt hat. Vgl. Fink E. Welt und Endlichkeit. 1990. Jedoch schreibt Fink schon im Jahre 1935: «Ist es nicht Kants metaphysiche Entdeckung, daß "Sein" überhaupt Erscheinung d. i. binnenweltlich ist? Kant ist also der
Schein exakt dann vorliegt, wenn dem Gegenstand der «Idee», der an sich nichts ist, die Bestimmungen, die von der Natur der Gegenstände unserer möglichen Erfahrung herstammen, zugesprochen werden. Dabei wird die Welt an sich bei Kant als das Bild ohne Urbild, d.h. als der von der reinen Vernunft hervorgebrachte Schein ausgelegt. Wir verfallen diesem Irrtum auf sozusagen «transzendentale» Weise, weil er, wie oben hingewiesen, eine für die Vernunft «natürliche und unvermeidliche Illusion»27 darstellt, d. h. die Vernunft nimmt den Weltbegriff als das Abbild des Urbilds (oder als «Urbilder der Dinge»,28 wie es, nach Kant, bei Plato der Fall sei) an. Diese Art «metaphysische» Erkenntnis, deren Gegenstand es nur in unseren Gedanken geben kann, ist «doch als gegeben anzusehen, und Metaphysik ist, wenn auch gleich nicht als Wissenschaft, doch als Naturanlage (metaphysica naturalis) wirklich».29 Mit anderen Worten: der Grund des Kantischen transzendentalen Scheins liegt in der für die Vernunft «natürlichen und unvermeidlichen» Schwierigkeit, den oben genannten erkenntnistheoretisch, ontologisch und nicht zuletzt kosmologisch artikulierbaren Unterschied philosophisch zu erkennen, zu begründen und einer Philosophie zugrunde zu legen. Hieraus wird ersichtlich, warum Kant uns, um den transzendentalen Schein zu erkennen, vorschlägt, die oben dargelegte Differenz als das oberste Prinzip des Philosophierens überhaupt anzusehen. Dieses «Prinzip des Philosophierens» wird im Kantschen Lehrbegriff des transzendentalen Idealismus aufgenommen, dem zufolge die «Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung <...> zugleich die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung» sind30 — und damit vom transzendentalen Idealismus insgesamt, dem die strengen Dualismen von «Verstand» und «Vernunft», «Gegenstand der Erfahrung», und «Idee», «Etwas» und «Nichts», und nicht zuletzt auch «Phaenomena» und «Noumena» zugrunde liegen. Kants transzendentaler Idealismus besteht in einer rechtmäßigen und durch den Erweis der «Korrelation» unserer Erkenntnisart und des Etwas bzw. Gegenstands der Erkenntnis eröffneten Anerkennung dieser Dualismen, und er verfolgt das Ziel, den oben genannten «transzendentalen Schein» kenntlich zu machen.
1-2. Transzendentaler Schein bei Husserl
Wie uns bekannt, bezeichnet Husserl seine späte Philosophie als transzendental-idea-listisch.31 Husserl spricht jedoch von einem «transzendentalen Schein», der uns eigentlich
Metaphysiker, der den kosmologischen Horizont des Seins freilegte <...> Entrückung der Ontologie zum Problem der Kosmologie» (OH-III 2-4). Zitiert nach: Bruzina R. Hinter der ausgeschriebenen Finkschen Meditation: Meontik-Pädagogik. Eugen Fink Sozialphilosophie Anthropologie Kosmologie Pädagogik Methodik. Würzburg, Böhmer, 2006. S. 205 (hervorhebung von E. Fink).
27 Ibid. A298/B397.
28 Ibid. A313/B370.
29 Ibid. B21 Diese «metaphysica naturalis» ist schlechthin als etwa antolopologisches Faktum anzusehen, dessen philosophische Rechtfertigung nicht möglich ist (Vermutlich wäre dies ein der wichtigsten Gründe, weswegen Kant die Frage «Wie ist Metaphysik als Naturanlage möglich?» in KrV, ausschließt). Kant schlägt zur Lösung des Problems die «Kritik der Vernunft» vor, die uns «notwendig zur Wissenschaft» führt. Dabei lässt sich die Frage so formulieren: «Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich?» (Ibid. B22).
30 Ibid. A158/B197.
31 Siehe bspw. Hua I, S. 118 f.
nicht im Kantischen Sinne verstanden zu sein scheint. U. E. lassen sich in Husserls Gebrauch dieses Begriffes Kantscher Provenienz prinzipiell zwei in sich verschiedene Definitionen erkennen.32
Erste Definition Husserls
Den ersten Gebrauch des Begrffs des «transzendentalen Scheins» bei Husserl finden wir in seinen Vorlesungen «Erste Philosophie II» 1923/1924 (Hua VIII). Husserl zufolge ist der Satz «Ich bin» mit apodiktischer Zweifellosigkeit einsehbar, während der Satz «Welt ist» nur faktisch und kontingent gilt.33 Denn, solange man sinnvoll — jedoch hypothetisch — von der «Nichtexistenz der Welt», die wir empirisch wahrnehmend zweifellos erfahren (erfahren haben und wahrscheinlich erfahren werden), sprechen kann, handelt es sich dabei um einen «evident möglichen, d.h. als widersinnsfrei einsehbaren Ansatz».34 Daher schließt der Satz «Welt ist» nicht die Möglichkeit aus, dass er selbst Schein sein könnte. Husserl versucht nun, den auf diese Weise konstituierten, spezifischen «Schein» zu charakterisieren, mit Rücksicht darauf, dass es um die «Welt» oder das «Weltall» geht. Genauer gesprochen unterscheidet sich dieser spezifische Schein von «jedem empirischen Schein, dem Schein im gemeinen Sinne» (bspw. eine scheinbare Wahrnehmung einer schönen Frau, die ich später als eine Puppe wahrnehme). Husserl nennt den ersten Schein den «transzendentalen».35 Zwar ist nicht völlig klar, weswegen Husserl gerade diesen Kantisch geprägten Begriff verwendet, wenn man bedenkt, dass sich Husserl mit Sicherheit selbst der Verwandtschaft und Differenz zu Kant bewusst war; doch können wir leicht einsehen, worauf Husserl damit abzielt, da diese Diskussion in «Erste Philosophie II» an Husserls Argument in «Die phänomenologische Fundamentalbetrachtung aus Ideen I»36 erinnert.
Im genannten Text stellt Husserl die für seine Philosophie konstitutiven Ansätze dar, nach welchen erstens «Existenz einer Welt <...> das Korrelat gewisser, durch gewisse Wesensgestaltungen ausgetzeichneter Erfahrunsmannigfaltigkeiten»37 ist, oder genauer, dass «die Welt der transzendenten "res" durchaus auf Bewußtsein, und zwar nicht auf logisch erdachtes, sondern aktuelles angewiesen [ist]»,38 zweitens, dass «kein reales Sein, kein solches, das sich bewußtseinsmäßig durch Erscheinungen darstellt und ausweist, <...> für das
32 Wir können für den Begriff des «transzendentalen Scheins» bei Husserl drei verschiedene Arten des Gebrauchs aufweisen. Wir werden in der vorliegenden Abhandlung nicht thematisch auf den dritten Gebrauch des transzendentalen Scheinbegriffs — «Schein des transzendentalen Solipzismus» (Hua XVII, S. 248) — eingehen, weil er in systematischer Hinsicht bzw. in der systematischen Reflexion der Natur der transzendental-idealistischen Phänomenologie als solcher keine selbstständige Rolle spielt; dem Problem des «Scheins des Solipsismus» liegen systematisch betrachtet vielmehr die zwei anderen «Paradoxien» zugrunde. Selbstverständlich besagt dies keineswegs, dass die Auflösung des «Scheins des transzendentalen Solipsismus» — Auflösung durch die phänomenologische, intentionale Analyse der Intersubjektivität und intersubjektiven Konstitution — irrelevant für Husserls Projekt der transzendentalen Phänomenolgie ist. Vgl. Schuhmann K. Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie. Den Haag, Martinus Nijhoff, 1971. S. XXXVIII f.
33 Vgl. Hua VIII, S. 50.
34 Ibid. S. 55, hervorhebung von E. Husserl.
35 Ibid. S. 53, hervorhebung von E. Husserl.
36 Hua III/1, S. 56 ff.
37 Ibid. S.103.
38 Ibid. S.104, hervorhebung von E. Husserl.
Sein des Bewußtseins selbst (im weitesten Sinne des Erlebnisstromes) notwendig [ist]».39 Dies lässt sich nun damit begründen, dass die Gegenbenheitsweise des reinen Bewußtseins (d. h. «schlichtes Erschauen von etwas, das in der Wahrnehmung als "Absolutes" gegeben (bzw. zu geben) ist...»)40 phänomenologisch betrachtet einen ausgezeichneten Vorrang vor der Gegebenheitsweise des realen Seins (d. h. «Abschattung»)41 hat. Das «reine» Bewußtsein, das keineswegs mit dem «psychologischen» verwechselt werden darf, kennzeichnet Husserl zugleich als «Immanenz», und ihren Gegensatz terminologisch als «Transzendenz» — als Realität überhaupt.42 Aus diesem Grund charakterisiert Husserl das reine Bewußtsein als «Residuum der Weltvernichtung».43 Auf die gleiche Art vollzieht er in «Erste Philosophie II» eine «sozusagen erkenntniskritische Vernichtung meines Leibes wie des Weltalls»44 und spricht vom reinen Bewußtsein als «apodiktische[m] Residuum der apodiktischen Kritik der Welt».45 Hier ist die «Welt (bzw. Weltall)», die zu «vernichten» ist, als Inbegriff der Realität zu verstehen. Es gälte aber ohne Zweifel für verrückt, wenn man sich so verhielte, als wäre einem die Existenz der Welt bloßer «Schein». Aber man darf hier nicht vergessen, dass Husserls Argument der «Weltvernichtung» ein Denkexperiment ist, das dazu dienen soll, seinen sog. «transzendentalen Idealismus» zu begründen.46 Husserl behauptet ausdrücklich, dass sein phänomenologischer, transzendentaler Idealismus insofern kein etwa «Berkeleyscher» ist, da er nachdrücklich unterstreicht, dass erstens «Realität und Welt <...> hier eben Titel für gewisse gültige Sinneseinheiten, nähmlich Einheiten des "Sinnes" sind und zweitens diese Einheiten selbst von dem "sinngebenden Bewußtsein" konstituiert werden sollen».47 Kann diese transzendental-idealistische These nachgewiesen werden, ist «eine absolute Realität», sagt Husserl, «genau so viel wie ein rundes Viereck».48 So ist unter dem ersten Gebrauch des «transzendentalen Scheins» hierum eine «philosophische Verabsolutierung der Welt»49 zu verstehen, weil, wenn der Satz des «Nichtseins der Welt» ohne Widersinn einsehbar ist, jene «philosophische Verabsolutierung der Welt» sich notwendig als philosophischer Schein herausstellen muss. Dieser philosophische Schein
39 Ibid., hervorhebung von E. Husserl.
40 Ibid. S. 92.
41 Vgl. Ibid. S. 86 ff., 491 ff.
42 Vgl. Ibid. S. 91 ff.
43 Ibid. S. 103 ff.
44 Hua. VIII. S. 73.
45 Ibid. S. 75 f .
46 Daher gerät Husserls «Vernichtung der Welt» weder in die Gefahr eines Skeptizismus, noch, wie Fink treffend sagt, in einem «überspitzten Methodismus», dessen Ideal nichts anderes als «Gewißheit» der Erkenntnis ist (Fink E. VI.CM. S. 49 ff.). Vielmehr ziehlt Husserls Phänomenologie darauf ab: «Es gilt nicht, Objektivität zu sichern, sondern sie zu verstehen» (Hua VI. S. 193). Diesen Ansatz können wir für eines der ursprünglichsten Motive der Phänomenologie Husserls halten, nach der sog. «Wende zur transzendentalen Phänomenologie». Siehe hierzu besonders: Hua XXIV. S. 404 f., Hua II. S. 6, Hua I. S. 118 f. und Hua V. S. 152 f. und auch Husserl and Heidegger on Being in the World. Netherlands, Kluwer Academic Publ., 2004. S. 34 ff.
47 Hua III/1. S. 120, hervorhebung von E. Husserl.
48 Ibid.
49 Ibid., hervorhebung von E. Husserl.
wird erkannt, wenn die Korrelation der Welt (Ganzheit der Realität) und des Bewusstseins in ihrer Relativität (Relativität der Welt für das erkennende Bewusstsein) eingesehen wird. Dies lässt bereits erahnen, dass zwar Husserl, wie Kant, den Schlüssel für die Auflösung dieses transzendentalen Scheins im sogenannten «transzendentalen Idealismus» sieht, dem zufolge, wie beschrieben, «die Bedingung der Möglichkeit der Erfahrung <...> zugleich die Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung» sind. Aber Husserls «Idealismus» scheint dennoch nicht mit Kants identisch zu sein. Diese Sachlage werden wir später präzisieren.
Zweite Definition Husserls
Husserls zweiten Gebrauch des Ausdrucks des transzendentalen Scheins finden wir in einem auf Septembar 1931 datierten Manuskript, das zu den sogenannten B-Manuskripten (zur phänomenologischen Reduktion) gehört.50 Dort geht es um ein anderes Problem des transzendentalen Idealismus, mit dem sich der späte Husserl (besonders in den dreißiger Jahren) ausdrücklich beschäftigte; dieses nennt er — vermutlich unter dem Einfluss seines Assistenten Fink — «Vermenschlichung» bzw. «Verweltlichung».51 Das Problem der «Verweltlichung» taucht auf gleichsam absehbare Weise beim späten Husserl auf: denn «nun steht gleich am Anfang die Schwierigkeit, dass ich [als transzendentale Subjektivität] doch selbst mit zur Welt gehöre».52 Husserl hatte schon zuvor festgestellt: «Das transzendentale Ich ist rein in sich; es vollzieht aber in sich eine Selbstobjektivation, gibt sich selbst die Sinnesgestalt "menschliche Seele" und "objektive Realität"».53 Diese «Selbstobjektivation» wird als «Selbstverhüllung» von «mein[em] transzendentalen Ich» ausgelegt, ihr Resultat ist nichts anderes als der «Mensch».54 Beide «Iche» sind daher innig verbunden. Hier ergibt sich eine Paradoxie: «Schließe ich das Sein der Welt als Frageboden aus», — weil hier die phänomenologische Reduktion zu vollziehen ist — «so schließe ich damit auch mein eigenes Sein ebenso aus».55 Es geht hier um die Identität und Differenz der transzendentalen Subjektivität und des Menschen, der in sich als die « Selbstapperzeption Mensch» derselben verstanden werden soll.56 Dieser Fragestellung liegt die Intuition zugrunde, dass nicht nur die Welt oder das All der Realität für die transzendentale Subjektivitität relativ, sondern
50 Hua XXXIV. No. 18. S. 279 ff.
51 Ibid. S. 289.
52 Ibid. S. 283. So ist beim späten Husserl schon vorausgesetzt, dass, wie bei Fink (vgl. Fink E. Studien zur Phänomenologie 1930-1939. Den Haag, Martinus Nijhoff, 1966. S. 14 f.), die transzendentale Subjektivität selbst notwendig verkörpert sein muß. Diese Notwendigkeit möchten wir für die Philosophie Husserls hier nicht systematisch verfolgen, weil diese Problematik weit über unsere Frage hinausführt. Vgl. Bernet R. Conscience et Existence — Perspectives phénoménologiques. PUF, 2004. S. 143 ff.; Schuhmann K. Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie. S. 108 ff. und auch Uemura G. A Preliminaly Sketch on Embodied Transcendental Subjectivity in Husserl. CARLS Series of Advanced Study of Logic and Sensibility. Japan, Keio University Publ., 2009, p. 339.
53 Hua VIII. S. 77.
54 Ibid.
55 Hua XXXIV, S. 283.
56 Ibid. S. 290.
auch die Subjektitivät überhaupt für die transzendentale relativ, ja «selbst-relativ» sein muss, weil, wie «Seiendes überhaupt nur denkbar ist als bezogen auf eine transzendentale Subjektivität, — diese These Husserls haben wir oben studiert, — «eine transzendentale Subjektivität somit auf sich selbst zurückbezogen ist».57 Es läßt sich zusammenfassend sagen, dass es bei der vorliegenden Frage nicht nur um die transzendental-idealistische These der «Korrelation in der Relativität der Welt für das Bewusstsein», sondern vielmehr auch um die «Selbst-Relativität der transzendentalen Subjektivität für sich selbst». Wenn die oben genannte «Identität und Differenz» der transzendentalen Subjektivität und des Menschen phänomenologisch — d. i. durch den Vollzug der «phänomenologischen Epoche» und «Reduktion» — nicht erkenntlich werden, «macht», schreibt Husserl, dies «den transzendentalen Schein, dessen Durchschauen die einzige mögliche Enthüllung und Auflösung des transzendentalen Psychologismus ist und zugleich das Verständnis seiner in der Natürlichkeit unüberwindlichen Notwendigkeit».58
Unter dem zweiten Gebrauch des Ausdrucks des transzendentalen Scheins meint Husserl daher nichts anderes als den Schein des «transzendentalen Psychologismus». Obgleich Husserl diese Paradoxie der Selbst-Relativität der transzendentalen Subjektivität für sich selbst, ja den «transzendentalen Psychologismus» vom Grund her aufzulösen, d. h. «das Ich, dieser Mensch» vom «Ich, dem alles gilt, was ihm gilt, das in sich das Universum seiner Geltung trägt [d. h. dem Ich als der transzendentalen Subjektivität]» an der Wurzel abzutrennen versucht, da sich z. B. das letzte «Ich» als das «Mir, in dessen Sein eben dieses Gelten seine Stätte hat» verwechseln lässt,59 gelingt es ihm nicht, das letzte Wort über die Auflösung zu sprechen. Den Grund hiervon sieht Husserl in der «Unmöglichkeit, die Epoche im unbedingten Überhaupt, also als eine unbedingt allgemeine zu vollziehen»,60 ohne jedoch den Grund dieser «Unmöglichkeit» selbst auszuweisen.61
Wie wir uns im folgenden Teil unserer Untersuchung ansehen werden, nimmt sich Fink dennoch die ausdrückliche Ausweisung dieser «Unmöglichkeit» in ihrer Notwendigkeit als die konstitutive Aufgabe für sein eigenes phänomenologisches Projekt vor. Denn wir erkennen laut Fink, und dies können wir vorwegnehmen, erst die Spezifität der Seinsweise der transzendentalen Subjektivität, wenn jene «Unmöglichkeit» erwiesen ist. Denn hierdurch wird es erst ermöglicht, die oben genannte Idee der «Korrelation in ihrer Relativität», über die die Beziehung des erkennenden Subjekts zum zu erkennenden Objekt hinausgehend, in der Dimension der Verwirklichung («Verweltlichung»), von der her Fink die ursprüngliche Seinsweise der transzendentalen Subjektivität versteht, auszudeuten.
57 Ibid. S. 24.
58 Ibid. S. 291.
59 Ibid. S. 284. Husserls weitere Versuche der Auflösung dieser Paradoxie finden wir in der Krisis-Abhand-lung wieder. Vgl. Hua VI. S. 185 ff.
60 Ibid. S. 293.
61 Übrigens erwähnt Husserl diese «Unmöglichkeit» auch in der Krisis-Abhandlung: «Die Unauflösbarkeit der vorhin entfalteten Paradoxie würde besagen, daß eine wirklich universale und radikale Epoche überhaupt nicht durchführbar ist, nähmlich in Absicht auf eine streng an sie gebundene Wissenschaft» (Hua VI. S. 184). Er versucht aber nicht ausdrücklich den Grund dieser Notwendigkeit aufzudecken.
Der Grundunterschied zwischen Kant und Husserl
Wie wir gesehen haben, lassen sich Husserls Argumente des «transzendentalen Scheins» insofern mit denen Kants in Übereinstimmung bringen, als der Schlüssel der Auflösung des Scheins bei beiden Denkern in der ihnen jeweils eigenen Form des «transzendentalen Idealismus» liegt, d. h. in der These der «Korrelation in der Relativität der Welt für das erkennende Bewusstsein» (und für Husserl derentsprechend in der These «Selbst-Relativität der transzendentalen Subjektiviät zu sich selbst»). Doch müssen wir unsererseits den Unterschied (bzw. die «Distanz») zwischen beiden Typen des transzendentalen Idealismus herausarbeiten. Dazu ist u. E. (zwar vielleicht nicht zureichend aber) notwendig, dass wir den Begriff der Erfahrung, der sich bei beiden ganz unterschiedlich bestimmen läßt, kurz in Betracht ziehen. Husserl ist nicht gezwungen, diesem Begriff den Kantischen strengen «Dualismus» von Gegenstand (oder Phaenomena) und Ideen bzw. Welt (Noumena) zugrunde zu legen, weil, wenn wir uns dies im Voraus anzudeuten erlauben dürfen, Husserl der Welt, im Unterschied zu Kant, eine eigene Erfahrbarkeit zuspricht.
Während Kant, wie gesehen, die Welt in der absoluten Totalität der Synthese der Erscheinungen auflöst, wird sie bei Husserl nicht schlicht als die Totalität dieser Synthese, sondern vielmehr als Horizont62 verstanden. Denn nach Husserl ist ein Subjekt (oder das Ich) sich nur einer Welt bewusst, d.h. es kann nur von einer «Welt» je sinnvoll sprechen und sie phänomenologisch beschreiben, (1) wenn sein «aktuelles Wahrnehmungsfeld» den «Bereich» der «anschaulich klar oder dunkel, deutlich oder undeutlich Mitgegenwärtigen als seines "bestätigen Umrings" einschließt (Welt bzw. Umwelt als Horizont der Mitgegenwärtigun-gen des aktuellen Gegenwärtigten)»,63 und (2) wenn dieses «aktuelles Wahrnehmungsfeld» und seine «Mitgegenwärtigen» selber «umgeben von einem dunkel bewussten Horizont unbestimmter Wirklichkeit» sind.64 (3.) Dieser Horizont ist die Welt, «endlos ausgebreitet im Raum, endlos werdend und geworden in der Zeit»;65 sie ist die Welt als raum-zeitlicher Universalhorizont. Solche deskriptiv gewonnenen Charakteristiken der Gegebenheitsweise der Welt setzen korrelativ den Vor-Begriff der Welt schon voraus. Wie Karl Schuhmann treffend bemerkt, ist die «Welt» bei Husserl prinzipiell «von kontinuierlich zusammenhängender, von "quantitativer" Natur».66 «Ein leerer Nebel der dunkeln Unbestimmtheit», — schreibt Husserl, — «bevölkert sich mit anschaulichen Möglichkeiten oder Vermutlichkeiten, und die "Form" der Welt, eben als "Welt", ist vorgezeichnet» 61 Deswegen ist diese «Form der
62 Vgl. Claesges U. Zweideutigkeit in Husserls Lebenswelt-Begriff. Perspektiven transzendentalphännomeno-logischer Forschung Phaenomenologica. Bd 49. Haag, Martinus Nijhoff, 1972, S. 85 ff.; Strasser St. Der Begriff der Welt in der phänomenologischen Philosophie. Phänomenologie und Praxis [Phänomenologische Forschungen Bd. 3]. Freiburg; München, 1976. S. 151 ff.; Sepp H. R. Totalhorizont — Zeitspielraum Übergänge in Husserls und Finks Bestimmung von Welt. Eugen Fink Sozialphilosophie Anthropologie Kosmologie Pädagogik Methodik. Würzburg, Böhmer A., 2006. S. 155 ff.
63 Hua III/1. S. 57.
64 Ibid.
65 Ibid. S. 56.
66 Vgl. Schuhmann K. Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie. S. 19 f.
67 Ibid. S. 57, hervorhebung von Vfs.
Welt» nicht als die rein logische, sondern als die der Wirklichkeit anzusehen. Hier kann die These aufgestellt werden: Die vorgezeichnete «Form der Welt» ermöglicht korrelativ die Dingerfahrung selbst.68 Diese These bedarf der nähren Erläuterung. Weil Husserl diese These von dem Wesen der Erfahrung ausgehend aufstellt, möchten wir (A.) vorbereitend den Erfahrungsbegriff bei Husserl kurz studieren und anschließend (B.) das Phänomen der Welt und seine phänomenologische Auslegung ausführen.
(A. Jeder Erfahrung liegt Form der Welt zugrunde.) Indem das transzendente Ding (z. B. ein Haus) uns erscheint, verweist seine anschauliche Erscheinung (z. B. die der Tür des Hauses) auf die andere (z. B. die des Fensters, das mir momentan nicht erscheint). Anders gewendet, besteht, im Fall des transzendenten Dinges, die anschauliche Erscheinung nicht ganz selbstständig an sich, sondern bezieht sich auf die eine andere nicht anschauliche. Weil, wie Fink treffend zusammenfasst, diese sozusagen «inadäquate» Erscheinungsweise nicht als Mangel, sondern vielmehr als die originäre und ursprüngliche Gegebenheitsweise des Dinges, in der das Ding überhaupt nur begegnen, erfahren werden kann, zu begreifen ist,69 legt Husserls Phänomenologie diese phänomenale Tatsache der Verweisung einer aktuell gegebenen Erscheinung auf eine andere zumeist nicht-aktuelle, die jedoch irgendwann anschaulich gegeben werden könnte, als die Grundstruktur der intentionalen Erfahrung aus. Oder anders: die intentionale Erfahrung ist die intentional motivierte Bewegung zur Anschaulichkeit. (1.) Diese intentional motivierte Verweisung lässt sich nicht allseitig bzw. vollständig erfüllen, sondern ist immer einer möglichen Täuschung ausgesetzt. Wenn die Dingerfahrung (Erfahrung des dem Bewusstsein Transzendenten) notwendig die Möglichkeit der Täuschung mit einschließt, gilt der folgende Satz Husserls mit der gleichen Notwendigkeit: (2.) «Ist eine Erfahrung unvollkommen, die den an sich seienden Gegenstand nur einseitig, nur in einer Fernperspektive und dgl. zur Erscheinung bringt, so ist es die Erfahrung selbst als diese jeweilige Bewußtseinsweise, die auf die Befragung mir das sagt, die mir also sagt, hier ist etwas als es selbst bewußt, aber es ist mehr, als was wirklich selbst erfaßt ist, es ist noch von demselben anderes zu erfahren»10 — Dies ist die Mehr-Struktur der intentionalen Verweisung. (3.) Weil jeder intentionalen Verweisung diese Mehr-Struktur zugrunde liegt, zieht jeder intentional verweisende Akt die anderen notwendig mit sich: der einzelne intentionale Akt ist ohne den anderen nur ein abstraktes Moment. Die intentionale Verweisung macht daher die wechselseitige Durchdringung der Akte notwendig, die aber selber kein Aggregat, sondern der in sich intentional motivierte Zusammenhang ist: dies können wir Husserl folgend als Horizontstruktur der intentional motivierten Verweisung bezeichnen. (4.) Weil dabei der Horizont der intentionalen Verweisung von ihrer Mehr-Struktur her verstanden wird, muss eine Ganzheit als Grenz-Idee des Mehr angenommen werden. Die Tatsache der einzelnen intentionalen Verweisung
68 Hier möchten wir an einen von Dorion Cairns kurz und prägnant wiedergegebenen Ansatz Husserls erinnern, dem zufolge: «Being is always and only given as correlate of a horizon; it is never self-given in originality» (Cairns D. Conversations with Husserl and Fink. S. 97). Vgl. auch: Bernet R. La vie du sujet: Recherches sur l'interprétation de Husserl dans la phénoménologie. Paris: PUF, 1994. S. 98 ff.
69 Fink E. Einleitung in die Philosophie, SchwarzF-A (Hg.). Würzburg, 1985. S. 24.
70 Hua XVII. S. 240, hervorhebung von Vfs.
setzt ideell das vollständige, aber notwendig offene System in seiner Ganzheit voraus. (5.) Hierbei dürfen wir nicht vergessen, dass mit dem intentionalen Verweisungssystem nicht eine bloß logisch-hypothetische Konstruktion gemeint ist, sondern dass dieses System der intentional motivierten Verweisungen selbst immer schon auf die Wirklichkeit verweisen muss, während in den Traditionen des Kantianismus und Empirismus die Sinnlichkeit (oder der Sinneseindruck) gegenüber dem System des «Verstands» oder des «understanding» in manchem Fall die Rolle einer Instanz bzw. eines Tribunals der Empirie einnimmt.11 Die Verwiesenheit auf die Wirklichkeit geht notwendig jeder möglichen Erfahrung voraus, wenn sie sich als wirklich herausstellen kann.12 (6.) Dabei legt Husserl diese Verwiesenheit auf die Wirklichkeit als Weltglaube der transzendentalen Subjektivität oder «Generalthe-sis der natürlichen Einstellung»13 aus, weil, wie ausgeführt, das, was überhaut sein kann, nur in seiner intentionalen Korrelation und Relativität für die transzendentale Subjektivität phänomenologisch erklärbar ist und dieser Korrelation die oben genannte «Form der Welt» notwendig zugrunde liegt. Das intentionale Verweisungssystem kennzeichnet Husserl darum — sofern es auf die Wirklichkeit verweist — als «Urphänomen des intentionalen Lebens», das seinerseits als «Evidenz» bezeichnet wird.14 Und «Evidenz überhaupt, können wir sagen, ist Erfahrung in einem weitesten, und doch wesensmäßig einheitlichen Sinne».15 Wenn sich eine Antizipation, welche für das die Wirklichkeit bewährende intentionale Erfahrungsleben — das Leben der Welterfahrung — eine konstitutive Rolle spielte, in seinem Verlauf plötzlich falsch, unrecht oder nichtig zeigt, soll ein Ausweg gefunden werden können, damit das die Wirklichkeit bewährende Verweisungsystem als solches, die Einstimmigkeit der Erfahrung, nicht zusammenbricht.16 Die intentional erfahrende Subjektivität strebt nach der anschaulichen Wirklichkeit und liegt dieser sozusagen teleologischen Bewegung die «Form der Welt» zugrunde. Denn der formale und dennoch nicht rein logische Spielraum der Erfahrung muss vorgezeichnet sein, wenn der Prozess der Konstitution, ideell gesprochen, unendlich fortgesetzt werden, und wenn, um Finks Worte zu benutzen, eine potentiell-unendliche «Iteration»11 stattfinden können soll; so zeigt sich die «Form der Welt» als potentiell-möglicher Spielraum der Erfahrung. Daher scheint uns das, was Husserl «Form der Welt» nennt, die Form der Wirklichkeit zu sein. Nun gilt es aufzuzeigen, wie Husserl die Welt als Form der Wirklichkeit in ihrer Erfahrbarkeit beschreibt.
71 Siehe hierzu: McDowell J. H. Mind and World. With a new introduction by the author. Cambridge: Harvard University Press, 1996.
72 So läßt sich Husserls Gedanke der «intentionalen Verweisung» deutlich von Kants stark aphoristischem Ansatz unterscheiden, der ganzen «Dialektik der reinen Vernunft» zugrunde liegt: «Wenn das Bedingte gegeben ist, so ist auch die ganze Reihe aller Bedingungen desselben gegeben» (KrV., A 497/B525).
73 Hua m/1. S. 61.
74 Hua I. S. 92.
75 Ibid. S. 93, hervorhebung von Vfs.
76 Hier möchten wir uns an Husserls Analyse des Phänomens der «Enttäuschung»> erinnern. Vgl. Hua XIX/2. S. 574 ff., Hua XI. S. 28 ff. und Husserl E. Erfahrung und Urteil. Untersuchungen zur Genealogie der Logik. Hamburg: Claasen Verl., 1964. S. 99 f.
77 «Die phänomenologische Auffassung der Weltganzheit ist bei Husserl abgedrängt auf das Phänomen der Iteration, "der Grenzenlosigkeit im Fortgang der Anschauung", der potentiellen Unendlichkeit» (EFGA 3/2, S.16, Z-VII, X/1a).
(B. Erfahrbarkeit der Welt) (1.) Wir müssen zuvörderst unsere Methode der Beschreibung rechtfertigen. In der phänomenologisch spezifischen Analyse der Welt bei Husserl muß die Idee des Etwas überhaut (bzw. die des Objekts überhaupt) notwendig den «transzendentalen Leitfaden» bilden. Diese These lässt sich leicht verständlich machen, wenn wir uns an Husserls Analyse der «Sonderwelten» erinnern. Denn eine spezifische «Sonderwelt» lässt sich bei Husserl phänomenologisch beschreiben, indem ein «Erfahrungstypus» der Gegenständlichkeit (z. B. eines Kulturdings), die wesensmäßig einer bestimmten Sonderwelt (z. B. zu einer bestimmten Kulturwelt) zugesprochen werden muss, zum «transzendentalen Leitfaden» wird78 und der Phänomenologe dann die spezifische «Gegebenheitsweise» (oder Erscheinungsweise) dieses «Leitfadens» intentional analysiert. Die Gegebenheitsweise der Welt gilt Ideen I als Generalthesis; die der geistigen Welt wird in «Ideen II» hinsichtlich der personalistischen Einstellung, und die der objektiven Welt in der fünften Cartesianischen Meditation im Hinblick auf die Intersubjektivität intentional zergliedert, wobei das für jede Thematik typische Seiende zum transzendentalen Leitfaden wird: dabei wird die Welt in ihrer «Form» («Ideen I»), unter dem Blickwinkel der Person («Ideen II»), und nicht zuletzt unter dem des Anderen (V.CM) zum transzendentalen Leitfaden. Dadurch zeichnet sich mithin auch ab, dass Husserls Phänomenologie, wenn sie systematisch ausgelegt wird, weder von weltloser, noch solipsistischer Natur ist. (2.) Ferner müssen wir das Sein des zu beschreibenden Gegenstands, d.h. der Welt bestimmen. Dem Sein der Welt können wir mit Rudolf Bernet gewissermaßen einen transzendentalen Wert19 zusprechen, weil die Welt als Totum für die logisch-formale Vorzeichnung des Etwas (d. h. als Kompositum der Welt) insofern bürgt,80 als man das nicht zur Welt gehörige Seiende notwendig als sinnlos ansehen muss. Der transzendentale Wert der Welt besteht demnach in ihrer logisch-formal vorzeichnenden Funktion, in der Weise des Gehörens von allem möglichen Seienden zur Welt (Die Welt als Vorzeichnen-Können des Etwas).81 So können wir das Sein der Welt als das regulative Vorzeichnen des Etwas charakterisieren. In diesem Sinne ist die Welt vom Wesen des Etwas her auszulegen, sodass aus diesem in Husserls phänomenologischer Analyse der Welterfahrung zum «transzendentalen Leitfaden» wird.82 Bekanntlich hat schon Kant diese regulative Funktion der Welt in voller Klarheit einsichtig gemacht, doch sucht Husserl sie phänomenologisch auf ihre Erfahrbarkeit zurückführen,
78 Hua XXXIX. S. 71.
79 «...c'est l'expérience du sujet qui constitue le monde. La réalité possible de ce monde constitué ne doit cependant pas être confondue avec l'être d'une "res", c'est-à-dire d'une chose singulière, l'être du monde est l'être de toute chose possible. Si l'être du monde possible transcende ainsi la possibilité des choses particulière, cela veut dire en toute logique que l'être du monde a valeur transcendantale. Ainsi, le monde prépare et accueille la venue dans l'être et la manifestation des choses, mais ce don et cette mission du monde lui ont été conférés par l'ego transcendantale» (Bernet R. La vie du sujet. S. 100).
80 Wenn von einer «Sonderwelt» die Rede ist, wird ihr die transzendentale Funktion der spezifischen Vorzei-chung des betreffenden Typus des Seienden zugesprochen.
81 «Jeder ist Körper in einem einheitlichen Zusammenhang, der der Welt ist» (Husserl E. Erfahrung und Urteil. S. 156). Daher schreibt Husserl: «Sie [die Welt] ist das All-Seiende, nicht "in etwas", sondern Alletwas» (Ibid. S. 157). Vgl. auch. Hua VI. S. 146 f.
82 Bspw. kennzeichnet Husserl die Welt als «absolutes Substrat» (Husserl E. Erfahrung und Urteil. S. 156 f.).
während die Welt bei Kant nicht erfahrbar ist, weil sie nur «in unseren Gedanken» gegeben werden kann. Husserls Ansatz lautet: die Welt ist erfahrbar als der regulativ vorzeichnende Universalhorizont des Etwas. (3.) Die phänomenologische Gegebenheitsweise des oben genannten «Vorzeichnen-Könnens» ist laut Husserl sowohl «Vorgegebenheit» bzw. «Anonymität» als auch «Potentialität». Das Können der Welt ist «vorgegeben», weil alle mögliche Erfahrung dies Können, das die intentional-vorzeichnende Bodenfunktion der Erfahrung konstituiert,83 voraussetzt, weil also dieses immer auf anonyme Weise notwendig vorgegeben ist,84 wenn Erfahrung statthat. Daher fungiert, wie oben angerissen, das Phänomen der Welt, deren Essenz wir mit Husserl in ihrem Horizont-Charakter beschlossen sehen, als das in sich transzendentale Phänomen, das jede Erfahrung ermöglicht. Auf dieser Grundlage lässt sich die Gegebenheitsweise der Welt als potentiell kennzeichnen, weil die Welt uns niemals in ihrer vollen Aktualität gegeben werden kann, auch wenn sie, ideell gesprochen, immerfort aktualisiert werden soll.85 Das Phänomen der Welt lässt sich also mit dem Wechselspiel der Aktualität und Potentialität, dessen Wesen als das unendliche Streben der transzendentalen Subjektivität nach der Anschaulichkeit bestimmt werden kann, gleichsetzen. Im Zentrum dieses Wechselspiels steht darum notwendig die Subjektivität, weil das Zentrum der Aktualität, d. h. der Anschaulichkeit nichts anderes als eben sie sein kann. (4.) Hierbei lässt sich dieses Wechselspiel, phänomenologisch gesehen, gänzlich im dementsprechenden intentionalen Verweisungssystem auflösen. Es orientiert sich nicht nur jeder thematisch-intentionaler Akt anhand der Anschaulichkeit, sondern das intentionale Verweisungsystem im Ganzen. Dieser Tendenz obliegen gleichermaßen die «aktive Synthesis», wie auch die «passive»: ihr Gesetz nennt Husserl Assoziation, die selber jenes «Bewusstseinsfeld» ist, ohne welches «keine "Welt" da sein [könnte]».86 (5.) Fernerhin gilt es nun, die anonyme Gegebenheitsweise des intentionalen Verweisungsystems näher zu charakterisieren. Im Allgemeinen sucht Husserls Phänomenologie die anonyme oder potentielle Vorgegebenheit auf ihre notwendige Relativität für das habituell gewordene Vermögen der transzendentalen Subjektivität zurückzuführen, deren Stiftung intentional-analytisch aufgewiesen werden muss.87 Denn der Habitus weist zurück auf seine zumeist verborgen bleibende Genese, durch die er entstanden ist, sodass das «habituelle Vermögen» nichts anderes als das Können besagt, das von der Subjektivität erworben wurde: Habitualität birgt notwendigerweise ihre Entstehungsgeschichte in sich, und ebenso die vorgegebene Welt. Dementsprechend müssen wir sagen, dass jede Erfahrung nicht von «direktem» anschaulichen Charakter ist, sondern vielmehr immer von ihrem habituell
83 Fink nennt diese Bodenfunktion der Welt treffend «Alternationshorizont von Sein und Schein» (Hua Dok II/2. S. 91). Vgl. auch. Landgrebe L. Der Weg der Phänomenologie. Gütersloh, 1963. S. 54.
84 Vgl. BernetR. La vie du sujet. S. 103.
85 Unter diesem «Soll» verstehen wir nichts anderes als «das Soll der Weltkonstitution». Vgl. Schuhmann K. Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie. S. 182 ff.
86 Hua X. S. 406: «Die Einheit des Bewußtseinsfeldes ist immer hergestellt durch sinnliche Zusammenhänge, sinnliche Ähnlichkeitsverbindung und sinnlichen Konstrast. Ohne das könnte keine "Welt" da sein».
81 Vgl. Hua I. S. 62, 109 f. Hua VIII. S. 150 f., Hua XVIII. S. 215 f. usf.
gewordenen Horizont vermittelt und nur dadurch ermöglicht wird.88 Daher soll die phänomenologische Analyse der Gegebenheitsweise der Welt deren genetischer Aufweisung, Aufweisung der Entstehung der Weltapperzeption dienen.89 Im Zentrum dieser phänomenologischen Aufgabe steht dabei die Frage, aus welchen phänomenologisch zulässigen Wesensgesetzen die Weltapperzeption ableitbar ist. Denn die Rückfrage nach der Entstehung der Weltapperzeption fordert bei Husserl nicht, dass man ihre empirische Genese aufweise, sondern die «unter Wesensgesetzen stehende Genesis».90 Zusammengefasst: das oben genannte habituelle Können ist uns zwar — als Menschen — vorgegeben, doch betrachtet der Phänomenologe dieses als Weltapperzeption, die von der transzendentalen Subjektivität konstituiert wird (oder erworben wurde), da, wenn, wie gesehen, die Welt als «Einheiten des Sinnes» (bzw. Sinngebilde) analysiert wird, diese Einheiten von sich aus notwendig auf die sie apperzeptiv-konstituierenden Subjektivität verweisen, die, wie wir oben kurz angedeutet haben, keineswegs von solipsistischer, sondern intersubjektiver Natur ist. So ist uns nun verständlich, dass das, was Husserl im folgenden Zitat ausdrücken will, nichts anderes als die fundamentale Einsicht seiner genetischen Phänomenologie ist:
«Alle intentionale Einheiten sind aus einer intentionalen Genesis, sind "konstituierte" Einheiten, und überall kann man die "fertigen" Einheiten nach ihrer Konstitution, nach ihrer gesamten Genesis befragen und zwar nach deren eidetisch zu fassender Wesensform. Diese fundamentale Tatsache, in ihrer Universalität das gesamte intentionale Leben umspannend, ist es, die den eigentlichen Sinn der intentionalen Analyse bestimmt als Enthüllung der intentionalen Implikationen, mit denen, gegenüber dem offen fertigen Sinn der Einheiten, ihre verborgenen Sinnesmomente und "kausalen" Sinnesbeziehungen hervortreten».91
Die Weltapperzeption, die die mannigfaltigen «intentionalen Implikationen» mit sich führt, ist nichts anderes als das uns vorgegebene Grundphänomen der natürlichen Einstellung, in der wir vom Seienden überhaupt erst sinnvoll sprechen können.
Das hier dargelegte Konzept Husserls halten wir für einen hervorragenden Beleg dafür, dass die transzendentale Phänomenologie den ihr zugrundliegenden Erfahrungsbegriff, im
88 Antonio Aguirre formuliert den Sachverhalt wie folgt: «Im jeweiligen Vollzug der Erfahrung überspringe ich das Selbstgegebene auf seinen Horizont hin, und das heißt jetzt: auf den Horizont des Erworbenen hin. Das Erworbene aber ist das, was sich im Verlaufe aller meiner Erfahrungen als fester Besitz niedergeschlagen hat, es ist Widerspiegelung meines gesamten intentionalen Lebens als eines Geschehens der Erfahrung, es ist Widerspiegelung meiner eigenen Geschichte. Das Erworbene ist Geschichte, ist Tradition» (Aguirre A. Genetische Phänomenologie und Reduktion. Zur Letztbegründung der Wissenschaft aus der Radikalen Skepsis im Denken E. Husserls. Den Haag, Martinus Nijhoff, 1970. S. 156, hervorhebung von A. Aguirre).
89 Dabei steht die folgende Frage im Vordergrund: «Wie "entspringt", "erwächst" Erfahrung, wie vollkommene Erfahrung von einem Ding, von einem Selbst, von einem anderen Selbst (fremdes Subjekt)?» (Hua XIII. S. 351). Jedoch können wir den Keim dieses Ansatzes schon in einer früheren Epoche des Denken Husserls ausfindig machen: «Den Ursprung der Dingvorstellung aufweisen, das heißt nicht, zeigen, durch welche psychologischen oder psychichen "Konstruktionen" dergleichen entsteht (wir stehen in keiner Psychologie), sondern die "Geschichte" der Dingvorstellung aufweisen, d. h. die Stufenreihe teleologisch aufeinander gebauter Akte nachweisen...» (Hua XXXVI. S. 13 (1908)).
90 Diese «Wesensgesetze» verstehen sich bei Husserl, formal gesagt, erstens als «die Zeit als Universalform aller egologischen Genesis» (Hua I. S. 109), zweitens als «Assoziation als Prinzip der passiven Genesis» (Ibid. S. 113).
91 Hua XVII. S. 216.
Gegensatz zu etwa dem Kantianismus, grundlegend reformuliert hat. Während nämlich im Kantianismus von keiner Erfahrung der Welt die Rede sein kann, zeichnet sich Husserls Phänomenologie gerade als Analyse der Welterfahrung aus, obgleich die Seinsweise der Welt, wenn man dies mit einem Wort zusammenfassen kann, bei beiden in ihrer regulativen Funktion zu liegen scheint. Somit liegt, können wir zusammenfassen, der philosophische Beitrag Husserls im Zusammenhang unserer Frage — im Vergleich mit Kant oder dem Kantianismus — prinzipiell in einem neuen erkenntnistheoretischen, ausschließlich phä-nomenologisch erschließbarem Ansatz einer thematischen Erneuerung des Erfahrungsbegriffs, welche ihrerseits auf Umschläge in der ontologisch-kosmologischen Verfassung zurückverweist (deren Musterbeispiel wir in Husserls Bestimmung der Welt als der phänome-nologisch erfahrbaren Vorgegebenheit und ihres Horizonts identifizieren können), die aber mithin noch ausdrücklich ausgeführt werden müssen — wodurch sich die Phänomenolo-gie als ein unendliches Programm der Arbeitsphilosophie interpretieren lässt. Vordeutend können wir sagen, dass der junge Fink die angeführten phänomenologischen Ansetzungen Husserls entwickelt und vertieft, um mit ihnen aber einen neuen Weg zu beschreiten.
2. Finks Bestimmung des transzendentalen scheins und seine Rolle
Die Texte, in denen Fink ausdrücklich den Begriff des «transzendentalen Scheins» benutzt, sind, wie schon angedeutet, die VI.CM und der Schlussteil des Kantstudien-Aufsatzes. Hier dient uns besonders der letzte Text als Leitfaden, weil Fink dort versucht, Hus-serls transzendentale Phänomenologie von der transzendentalen Philosophie Kantischer Prägung ausdrücklich zu unterscheiden, wobei er jedoch bestrebt ist, wie in VI.CM, sein eigenes transzendental-phänomenologisches Konzept implizit von demjenigen Husserl abzuheben.
Der Kantstudien-Aufsatz zielt darauf ab, auf die «Einwendungen des durch Rickert und seine Schule vertretenen Kritizismus» an Husserls Phänomenologie in der «Formulierungen von Zocher und Kraus»92 zu antworten und sie vom Standpunkt der transzendentalen Phänomenologie aus zu widerlegen.93 Anders gesagt, bekämpft Fink in Kantstudien-Aufsatz ausdrücklich die Kritiken, die Zocher und Klaus an Husserl adressieren, und gedenkt gegen diese ein allgemeines Schema vorzuschlagen, durch welches sich der philosophische Standpunkt der transzendentalen Phänomenologie Husserls klar und gründlich demjenigen der «kritizistischen» transzendentalen Philosophie entgegenstellen lässt.
Fink gliedert die Kritiken des «Kritizismus» in drei Hauptmomente: (1.) Es geht in der ersten kritizistischen Kritik darum, dass die Phänomenologie Husserls die kritizistische «Geltungsform», die selbst als «Bedingung der Möglichkeit der Geltung» der «ontischen Erkenntnis» vorausgehen müsse, philosophisch nicht thematisiert. Deswegen gerät Husserls Philosophie dem «Kritizismus» zufolge in einen naiven «Ontologismus». (2.) Ferner
92 Fink E. Kantstudien-Aufsatz. S. 19.
93 Vgl. Zocher R. Husserls Phänomenologie und Schuppes Logik. Ein Beitrag zur Kritik des intuitionistischen Ontologismus in der Immanenzidee. München, 1932; und Kreis F. Phänomenologie und Kritizismus. Tübingen: Mohr, 1930.
stellt der «Kritizismus» die kritische These auf, der zufolge Husserls «Ontologismus» eine Art «dogmatisch» angenommenen «Intuitionismus» (der «Kritizismus» kritisiert Husserls Ansatz von «Wesensschau» usf.) voraussetzt. (3.) Die letzte Kritik besagt, dass die sogenannte «transzendentale Wendung» Husserls in Ideen I, die zwar in den Augen der Kritiker selbst nichts anderes als Annährung an Kantianismus zu sein scheint, den tiefen Sinn bzw. den entscheidenden Beitrag des «transzendentalen Idealismus» Kants verkennt. Daher sei Husserls Konzept des sogenannten «transzendentalen Idealismus» mit dem kritizistischen Verständnis desselben nicht völlig verträglich; er sei, kurz gesagt, für den Kritizismus noch naiv, dogmatisch und nicht zulässig.94
Fink beschränkt sich bei seiner Widerlegung dieser Kritik nicht darauf, auf Einzelpun-ke einzugehen um die Vorteile des phänomenologischen Ansatzes gegenüber dem «Kritizismus» hervorzuheben, sondern er versucht anhand einer positiven Reformulierung des philosophischen Konzepts Husserls zu demonstrieren, dass die kritizistischen Kritiken die transzendentale Phänomenologie Husserlscher Prägung prinzipiell und vom Anfang an missverstehen. Kurz gesagt, ist nach Fink das kritizistische Verständnis der Phänomenolo-gie einem «Schein» zum Opfer gefallen.95 Weil Fink den Grund dieses «Scheins» nicht in der bloßen Unachtsamkeit Zochers oder Klaus96 verortet, sondern, wie wir sehen werden, in den philosophisch notwendigen Umständen (wenn dies vorwegzunehmen erlaubt ist: im «Dogmatismus der natürlichen Einstellung»)97, kann es sich dabei um keinen «empirischen», sondern es muss sich um einen «transzendentalen» Schein handeln. Fink führt dort drei Typen des «transzendentalen Scheins» an, die uns weder mit Kants, noch mit Husserls Gebrauch des Terminus deckungsgleich zu sein scheinen. Fink versteht unter dem «transzendentalen Schein» (i.) das Problem des Ausdruckes und der Mitteilung, (ii.) dasjenige des phänomenologischen Satzes als des Ergebnisses der phänomenologischen Forschung und (iii.) die schwierige Problematik der «logischen Paradoxie der transzendentalen Definition».98 Fink fasst diese drei Probleme in VI.CM übergreifend unter dem allgemeinen Titel der «transzendentalen Sprache» zusammen.99 Jedenfalls sehen wir an dieser Stelle schon deutlich, dass Fink mit dem transzendentalen Scheinbegriff primär, ganz anders als Husserl, weder eine «philosophische Verabsolutierung der Welt» noch den «transzendentalen Psychologismus» widerlegen will. Denn es geht Fink vielmehr darum, sich mit dem Kritizismus auseinanderzusetzen, der selbst zumindest nicht als typischer Vertreter der das All der Realität verabsolutierenden Philosophie (wie es etwa ein philosophisch naiver Naturalismus oder Positivismus täte) oder des transzendentalen Psychologismus gelten kann. Um unsererseits diese «Distanz» zwischen Fink und Husserl näher zu bestimmen, möchten wir zuvörderst den Grund auszeigen, warum Fink die «kritizistischen» Kritik an der Phä-nomenologie als bloßen (jedoch transzendentalen) «Schein» beurteilt.
94 Vgl. Ibid. S. 82 ff.
95 Vgl. Ibid. S. 94, 99.
96 Vgl. Ibid. S. 94.
97 Fink E. VI.CM. S. 3, 102 usf.
98 Vgl. Fink E. Kantstudien-Aufsatz. S. 153 ff.
99 Vgl. FinkE. VI.CM. S. 86 ff.
Nach Fink besteht der wichtigste Grund hiervon darin, dass der Kritizismus den phäno-menologischen Unterschied zwischen der «transzendentalen (bzw. phänomenologischen)» und der «natürlichen Einstellung» völlig übersieht und damit seinen philosophischen Sinn verkennt. Damit macht Fink uns darauf aufmerksam, dass der Unterschied zwischen diesen zwei Einstellungen die notwendige Bedingung der Möglichkeit einer phänomenologischen, transzendentalen Philosophie ausmacht. Diese Differenz nicht zu erkennen heißt, noch in der natürlichen Einstellung befangen zu sein, und demgemäß sieht Fink den Grund der «scheinbaren» kritizistischen Kritiken an Husserl in dieser Befangenheit. Mit einem Wort, ist in Finks Augen der Kritizismus in der natürlichen Einstellung befangen. Dieses vag und gewaltsam anmutendes Argument konkretisiert Fink mit einer Kontrastierung der beiden Philosophien auf einer anderen Ebene: so bildet für den «Kritizismus» «empirisch» den Gegenbegriff zu «transzendental», während er für die Phänomenologie «mundan» heißt.
Im Allgemeinen besagt das Wort «empirisch» eine spezifische Weise der Gegebenheit der Gegenstände — oder Kantisch gesprochen, eine «Erkenntnisart», die sich mit einem «Erkenntnis, das durch Wahrnehmungen ein Objekt bestimmt»,100 gleichsetzen läßt: das Resultat dieser Wahrnemung können wir, wenn es statthaft ist, Empirie benennen und es wissenschaftlich aufnehmen. Solange der «Kritizismus» mit dem Gegenbegriff zu «transzendental» diese spezifische Erkenntnisart (d. h. die der Empirie) meint, könnten wir vorläufig rein formal das, was unter «transzendental» verstanden werden soll, als das von der Empirie unabhängig Erkannte verstehen. Dann könnte man, mit einem Rekurs auf die Geschichte der philosophischen Terminologie, etwas, das von der Empirie unabhängig zu erkennen ist, mit dem Essenziellen oder Formalen (im Sinne der «forma» oder des «Ei-dos»), deren Rechtfertigung auf gar keine empirische Erkenntnis oder Empirie zurückgeführt werden darf, gleichsetzen. Übrigens ist es als einer der einflussreichsten Kantischen Beiträge zur Philosophie zu werten, den traditionellen Begriff «forma (bzw. Eidos)» in einem neuen Sinn — sozusagen «kopernikanisch» — bestimmt zu haben. Hiernach versteht der «Kritizismus» unter dem Formbegriff das, was man zu den sogenannten «Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung (damit zugleich diejenigen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung)» rechnen muss, und daher zu «unserer Erkenntnisart», sofern sie apriori möglich sein und zugleich notwendig gelten soll, während mit dem traditionellen Begriff «forma» das Wesen, das selbst dem betreffenden, von der Erfahrunhg unabhängig bestehenden Gegenstand schlechtlich zugeschrieben wird, gemeint ist. So versteht der «Kritzismus», bemerkt Fink, unter dem Titel «transzendental» etwas «Formales», das zwar von den faktischen (empirischen) Inhalte oder Materien abstrahiert gedanklich rekonstruierbar ist, das aber unsere Erfahrung und daher die Gegenstände der Erfahrung selbst formal erst möglich machen soll.101 Dieser sogenannte «formalistische» Standpunkt spricht offensichtlich gegen den phänomenologischen, da sowohl Husserl als auch Fink eine wesentliche «Ausweitung des Begriffs der Anschauung»102 befürworten.
100 KrV. B218, hervorhebung von I. Kant.
101 Vgl. Fink E. Kantstudien-Aufsatz. S. 100.
102 Ibid. S. 82.
In unserem Zusammenhang gilt es nun die triviale wirkende Tatsache zu beachten, dass dieser sogenannte «Formalismus» Kantischer Prägung nicht von einer Möglichkeit der Erkenntnis der Gegenstände ausgeht, die niemals in der Erfahrung gegeben werden kann. Weil der «Kritizismus» unter dem Begriff der Erfahrung (ontische Erkenntnis, in Zochers Terminologie) tatsächlich Empirie versteht, schließt er die sog. «metaphysischen» Probleme der «Welt» (als Gegenstand der metaphysica specialis verstanden), insbesondere dasjenige ihres «Grundes» oder ihrer «Ursache» (z. B. «Gott»), aus dem rein philosophischen Bereich aus.103 Insofern der «Kritizismus» die «Welt» als philosophisches Thema abweist und sich nur damit beschäftigt, die «ontischen (oder empirischen) Erkenntnisse», die selber, phänomenal gesagt, nur in der Welt gegeben sein können, durch die sog. «Geltungform» erkenntnistheoretisch zu rechtfertigen, charakterisiert Fink den philosophischen Standpunkt des «Kritizismus» als «weltimmanent».104 Der «Kritizismus», sagt Fink, «kann aber auch so weit gehen, die Möglichkeit einer Welterkenntnis im Hinblick auf einen "transzendenten" Weltgrund überhaupt zu bestreiten und das Problem der Philosophie auf eine weltimmanente Erkenntnis des Seienden abzustellen: sei es in der naiv positivistischen Form der Fixiertheit auf Seiendes oder in der Weise eines Rückgangs in die apriorischen Voraussetzungen des Seienden».105 Weiterhin bestimmt Fink den Gegenbegriff zu «transzendental» in der Phänomenologie terminologisch als «mundan», welcher Begriff sich hier mit dem oben genannten Ausdruck «weltimmanent» gleichsetzen läßt. So versteht Fink unter dem Titel des «Kritizismus» jenen philosophischen Standpunkt, der, indem er die Frage nach der «welttranszendenten» Erkenntnis (hinsichtlich des Bezugs der Welt als solcher zu ihrem Grund) vom Bereich der Philosophie methodisch ausschließt, seine eigene Aufgabe streng darauf beschränkt, die «weltimmanenten» Gegenstände durch ihre «Geltungsformen» als «Bedingungen der Möglichkeit der (empirischen) Erfahrung» bzw. «ontischen Erkenntnis» zu rechtfertigen. Dies mündet in ein Verständnis der transzendentalen Philosophie als einer formalistischen Erkenntnistheorie, die nicht nur die metaphy-sica naturalis, sondern auch, anders als Kant, jeden metaphysischen Versuch als in sich widersprüchlich ablehnt.106
Im krassen Gegenteil zum «Kritizismus» nennt Fink das die Phänomenologie bestimmende Grundproblem der «Frage nach dem Ursprung der Welt»,107 die der «Kritizismus» deswegen kategorisch zurückweisen will, weil ihm diese Frage wesentlich auf eine vor-kantische oder dogmatische Weise gestellt zu sein scheint. Diese provokative Formulierung Finks muss den «Kritizismus» an das besondere Problem der «kosmologischen Ideen»
103 Vgl. Ibid. S. 101.
104 Ibid. S. 100 f.
105 Ibid. S. 101.
106 Dieses Urteil Finks betrifft nur den «Kritizismus (Zochers und Klaus')», nicht Kant selbst. Denn, wie oben kurz angedeutet, hält Fink Kant nicht einfach für einen erkenntnistheoretischer Formalist, sondern für den «Metaphysiker, der den kosmologischen Horizont des Seins freilegte» (siehe Fußnote 22). Vermutlich schien für Fink der «Kritizismus» primär eine degenerierte Form der Philosophie Kants zu sein.
107 Ibid. S. 102.
erinnern, und ferner an die «transzendentale Weltwissenschaft (cosmologia rationalis)»,108 deren Durchführung die «reine Vernunft» notwendig zu einem in vier Typen gegliederten Widerspruch mit sich selbst führt, wie im berühmten Antinomienteil der KrV gezeigt wird, weil, genauer gesagt, die konstitutive Anwendung solcher Ideen ganz und gar die «Schranken der möglichen Erfahrung (oder "Grenze aller Erfahrung") überfliegen» muss.109 Fink sagt dennoch: «Die Welt im Rückgang auf eine "Transzendenz" erkennen, die sie gerade wieder einbehält, bedeutet eine transzendentale Welterkenntnis realisieren».110 Hierbei will Fink mit der «Frage nach dem Ursprung der Welt» keineswegs behaupten, dass die Phä-nomenologie eine neue auf dem sogenannten «vor-kantischen Dogmatismus» beruhende Metaphysik sei. Im Gegenteil will Fink nachweisen, dass die Phänomenologie nicht nur die Gegenstände der Erfahrung im Sinne der (wissenschaftlichen) Empirie, die in nur in der Welt gegeben werden kann, sondern auch die Welt von ihrem «Ursprung» her, der ihr notwendig «immanent» sein muss, erklären muss können. Diese Aufgabe vollzieht sich durch den «Übergang von der Welt zur transzendentalen Subjektivitä».111 Anders gesagt, soll «das konstitutive Werden der Welt», sagt Fink, «von dem Ursprung der transzendentalen Subjektivität her» aufgedeckt werden, wobei Fink dieses «konstitutive Werden» selber für das «Absolute» im phänomenologischen Sinne hält.112
Wir können nur dann behaupten, dass die «transzendentale Subjektivität» für die Welt «konstitutiv» und «transzendental» fungiert, wenn wir für die transzendentale Phänomeno-logie eine Perspektive annehmen, in welcher jeder mögliche Sinn und jedes mögliche Sein (inklusive Sinn und Sein der Welt!) durch die Analyse des «konstitutiven Werdens der transzendentalen Subjektivität» aufgewiesen werden, und in der die «Welt» unter der Bedingung, dass man ihr ein «konstitutives Werden» zuspricht, phänomenologisch thematisiert werden kann. Dies nennt Fink «das Werden der Welt in der Konstitution der transzendentalen Subjektivität»113 und erklärt auf gedrängte Weise: «Die Welt bleibt dem "Absoluten" immanent, vielmehr wird sie als im Absoluten liegende entdeckt».114 U. E. läßt es sich aber wie folgt noch treffender ausdrücken:
«Das konstitutive Werden ist aber nicht ein bloßes "attributives" Geschehen der transzendentalen Subjektivität, als ob sie einmal zuerst wäre (gleichsam als Substanz) <...> Nicht "Glieder" der Korrelation, sondern die Korrelation ist das Frühe. Nicht ist die transzendentale Subjektivität hier und die Welt dort, und zwischen beiden spielt die konsti-tutive Beziehung, sondern das Werden der Konstitution ist die Selbstverwirklichung der konstituierenden Subjektivität in der Weltverwirklichung»}15
108 KrV. A334/B392.
109 Vgl. Ibid. A 295 f./B351 ff., A327/B383 f., A421/B448 f., A462/B490 usw.
110 Fink E. Kantstudien-Aufsatz. S. 106, hervorhebung von Fink.
111 Ibid.
112 Ibid.
113 Ibid. S. 139.
114 Ibid. S. 105, hervorhebung von Fink E.
115 Fink E. VI.CM. S. 49, hervorhebung von Vfs.
Wie man sieht, teilt Fink zwar mit Husserl den Ansatz der transzendentalen Subjektivität als des «wahrhaftigen Seinszugangs»,116 doch scheint uns, dass sich der Akzent verschiebt, weil Fink nicht nur Husserls These der notwendigen «Korrelation in der Relativität der Welt für das erkennende Bewußtsein, das für sich selbst relativ ist» anerkennt, sondern von dem «Werden» einer solchen «Korrelation» (d. h. der «Selbstverwirklichung der konstituierenden Subjektivität in der Weltverwirklichung») spricht. Wir werden weiter unten auf die delikate Frage der Nähe und Distanz zwischen Fink und Husserl näher eingehen.
Wir müssen zuvörderst unsere ursprüngliche Frage erörtern, welche Rolle Finks Begriff des «transzendentalen Scheins» zukommt, oder konkreter gesagt, weshalb man ohne Vollzug der «transzendentalen Reduktion» dem «Schein» zum Opfer fallen muss. Es ist uns gleichsam klar geworden, dass man die philosophische Erkennentnis der Phänomenolo-gie verfehlt, wenn man die transzendentale Subjektivität als transzendentale Subjektivität, d. b. als wahrhaftiger Seinszugang philosophisch nicht erkennt, wenn man also noch in der natürlichen Einstellung befangen ist. Hieraus resultiert, wie im Falle des Kritizismus, der «transzendentale Schein», der die Ausdrücke und Mitteilungen der phänomenologischen Analyse ohne den Vollzug der phänomenologischen Reduktion zu verstehen sucht. Wie wir weiter unten sehen werden, besteht der Grund hiervon letzten Endes in der eigentümlichen Seinsweise der transzendentalen Subjektivität als solcher.
Wir können Finks Argumentationen wie folgt zusammenfassen: (1.) «Die phänomenologische Reduktion setzt sich selbst voraus».117 Denn wenn man die «phänomenologische Reduktion» nicht vollzieht, kann man nicht vom Gegenstand der phänomenologischen Reduktion (d. h. der transzendentalen Subjektivität) sprechen, weil dieser in diesem Fall keine dementsprechende, in sich phänomenologische Anschauung, die die Wahrheit eines phäno-menologischen Satzes erfüllt und rechtfertigt, generieren kann.118 Diese zugespitzte Formulierung bedarf selbstverständlich noch einer weiteren Erklärung, da Finks These sonst auf die Behauptung hinausliefe, dass nur der Phänomenologe die philosophische Wahrheit zu erlangen vermag. (2.) Die Notwendigkeit des Satzes der «Selbst-Voraussetzung der phä-nomenologischen Reduktion» setzt seinerseits die «Andersartigkeit» der Seinsweise der transzendentalen Subjektivität im Vergleich mit dem «mundanen» Sein voraus. Das Sein der transzendentalen Subjektivität läßt sich weder mit dem des Menschen noch mit dem «mundanen» bzw. «weltimmanenten» Sein, von welchem man in der natürlichen Einstellung allezeit spricht, gleichsetzen. Wenn man dies annähme, bräuchte man allem Anschein nach eine andersartige Ausdrucksweise, um die tranzendentale Subjektivität und ihre Erfahrung zu beschreiben.119 Aber diese «Andersartigkeit» führt uns nicht etwa einer Ausbildung der rein «phänomenologischen» oder «transzendentalen Sprache», die in sich von der Sprache der «natürlichen Einstellung» unterschieden ist — weil es natürlich keine solche
116 Fink E. Das Problem der Phänomenologie Edmund Husserls. Studien zur Phänomenologie 1930-1939. Den Haag, Martinus Nijhoff, 1966. S. 200 f.
117 Fink E. VI.CM. S. 39. Vgl. auch, Kantstudien-Aufsatz. S. 105, 108 ff.
118 Vgl. Ibid. S. 101 usw.
119 Ibid. S. 81 ff., 94ff.
Sprache, ja «keine transzendentale Sprache» geben kann.120 Wenn man nicht die Andersartigkeit der Seinsweise der transzendentalen Subjektivität erkennt, ist man für den transzendentalen Schein — die Gleichsetzung der Seinsweise der transzendentalen Subjektivität mit dem mundanen Sein, dem Sein des Menschen — anfällig. Wir können Finks Einsicht auf dieser Grundlage so zusammenfassen, dass die transzendentale Subjektivität in der Phänomenologie notwendig ein transzendental-mundaner Zwitterbegriff ist. Denn sofern Fink davon ausgeht, dass sich das andersartige Sein der transzendentalen Subjektivität nur «im fremden Medium der natürlichen Sprache»121 ausdrücken läßt, scheint es notwendig zu werden, die «mundane» oder «natürliche Sprache» darüber hinausgehend als transzendentale zu erkennen. Diese notwendig verwirrte Mediatisierung halten wir deswegen für zwitterhaft}22 Wenn diese tranzendental-mundane Zwitternatur nicht erkannt ist, ist uns kein kennzeichnender Gegenstand der Phänomenologie gegeben (zumindest wird man diesen Gegenstand mit etwas anderem, z. B. mit dem Psychischen, verwechseln). Aus Finks Sicht stellt Husserls Begriff des «transzendentalen Scheins» des «transzendentalen Psychologismus» nur ein Beispiel seines eigenen Begriffs dar, weil Fink die «Unmöglichkeit, die Epoche im unbedingten Überhaupt, also als eine unbedingt allgemeine zu vollziehen»,123 auf deren notwendigen Grund Husserl nicht hinweist, ausdrücklich hervorhebt. Daher soll nach Fink der phänomenologischen Reduktion eine eigenständige philosophische Rolle zugesprochen werden, nämlich diese, die Zwitterhaftigkeit als solche herausstellen, um den transzendentalen Schein durch eine Reflexion auf die «Andersartigkeit» der Seinsweise der transzendentalen Subjektivität als solchen zu erkennen. Dabei wird nach Fink ebenso «die ausdrückliche Reduktion der Seinsidee notwendig».124 (3.) Hier muss nun gezeigt werden, warum diese «Andersartigkeit» der Seinsweise der transzendentalen Subjektivität so stark betont wird. Der Grund scheint uns prinzipiell in den zwei folgenden Punkten zu liegen: (A.) Die «Produktivität» der transzendentalen Konstitution: Der erste Grund der «Andersartigkeit» der Seinsweise der transzendentalen Subjektivität besteht darin, dass, wie beschrieben, «ihr Sein», wie Husserl sagt, «Sich-Selbst-Konstituieren» ist,125 während alle anderen Typen des Seienden «nur denkbar» sind «als synthetische Deckungspol, Einheitspol, Pol für darauf sich hinrichtende oder möglicherweise hinrichtende Subjektivität».126
120 Ibid. S. 95. Vgl. auch. S. 104 usf.
121 Ibid. S. 104
122 Uns scheint, dass dieser Ansatz prinzipiell von Steven Galt Crowell angenommen wird, der Finks Entwurf in VI.CM als «gnostisch» verwirft. Denn statt Finks Begriffe anzunehmen, stellt er seinerseits die These auf, der zufolge «phänomenologische Sätze» manchmals als «Metonymie» verstanden werden müßen. Obgleich Fink die Natur der «phänomenologischen Sätze» nicht als «Metonymie» sondern als «Analogie» kennzeichnet, scheint uns der Herzstück von beiden Einsichten jedoch darin zu liegen, dass der Ausdruck der phänomenologischen Analysen von der oben genannten transzendental-mundanen zwitterhaften Natur ist. Vgl. Crowell S. G. Husserl, Heidegger, and the Space of Meaning. Evanston, Illinois: Northwestern University Press, 2001. S. 261 f.
123 Hua XXXIV. S. 293.
124 Fink E. VI.CM. S. 82.
125 Hua XXXIV. S. 24.
126 Ibid.
Horizon 3 (1) 2014 87
Die transzendentale Subjektivität ist, wie schon erläutert wurde, für sich selbst relativ, während alle anderen Art des Seienden für sie relativ sind. Diese «Relativität» ist als «Konstituieren» zu verstehen.127 Fink entwickelt diesen Gedanken dahingehend, dass die «Selbstrelativität der transzendentalen Subjektivität» (bzw. «Sich-Selbst-Konstituieren» derselben) insofern als die «konstituierende Produktivität» gelten kann, als der «Erfahrungsbegriff der natürlichen Einstellung» prinzipiell durch «Rezeptivität» bestimmt sein muss.128 Obgleich wir diese Formulierung Finks hier nicht näher studieren werden, können wir in diesem Punkt Husserls und Finks Positionen prinzipiell miteinander identifizieren, weil uns Finks Bestimmung der «Rezeptivität» mit Husserls These der «Relativität der Welt für das Bewußtsein», und ebenso die «konstitutive Produktivität» (Fink) mit derjenigen der «Selbst-Relativität der transzendentalen Subjektivität» (Husserl) vereinbar zu sein scheinen. (B.) Die Andersartigkeit des Seins des konstitutiven «Werdens» als Ursprünglichkeit: Dennoch scheint uns, dass Husserl und Fink die Seinsart dieses «Sich-Selbst-Konstituierens» nicht völlig auf dieselbe Weise verstehen. Denn Finks Ausdruck des «Werdens» bzw. der «Verweltlichung» ist wesentlich zweideutig. D. h. wir müssen unter Finks Wort «Werden» nicht nur dies verstehen, dass zwar die Welt uns vorgegeben ist und die Gegebenheitsweise des Fungierens der transzendental konstitutiven Subjektivität zumeist anonym bleibt, dass es aber diese Vorgegebenheit und Anonymität phänomenologisch nachträglich — durch den Vollzug der Epoche und der phänomenlogischen Reduktion — freizulegen und die verborgene Genesis der vorgegebenen Welt hinsichtlich der sie anonym konstituierenden Subjektivität zu analysieren gilt (Husserls These). Sondern es handelt sich bei Fink besonders um die Frage, wie dieses anonyme Fungieren ermöglicht werden kann: das «Werden» tut sich kund als «Verweltlichung», als die Bedingung der Möglichkeit des universalen «Korrelationsapriori» der transzendentalen Subjektivität und der vorgegebenen Welt.129 Dieses «Werden» ist daher als das in sich rein transzendentale Phänomen zu verstehen. Denn wenn die Phänomene der «transzendentalen Subjektivität» und der «Vorgegebenheit der Welt», die für jede phänomenale Tatsache konstitutiv sind, nicht als solches erkannt werden, können wir nicht ohne Zweifel vom «universalen Korrelationsapriori» von beiden jeweils sinnvoll sprechen, da dieses Sprechen unter diesen Umständen keinen Gegenstand hätte. Mit anderen Worten: die Erkentnis des Finkschen «Korrelati-onsaprioris» setzt selbst notwendig die phänomenologische Reduktion voraus (Finks Distanz zu Husserl).130 Dieses transzendentale Phänomen des «Korrelationsapriori» lässt sich
127 Daher hat Fink seinerseits die folgende These aufgestellt: «Husserls eigentliche These über das "Sein" ist die "phänomenologische Reduktion", d. h. die These von der Konstituiertheit des Seienden» (EFGA3/2. S. 140, Z-XI, 7a, hervorhebung von E. Fink).
128 Fink E. VI.CM. S. 56 f., hervorhebung von E. Fink.
129 Bekanntlich «erschütterte» Husserl das universale «Korrelationsapriori» so tief, «dass seitdem meine gesamte Lebensarbeit von dieser Aufgabe einer systematischen Ausarbeitung dieses Korrelationsapriori beh-herscht war» (Hua VI. S. 169). Es ist also festzustellen, dass Husserls «universales Korrelationsapriori» nicht wie bei Fink, zwischen «der transzendentalen Subjektivität und der vorgegebenen Welt» besteht, sondern zwischen «Erfahrungsgegenstand und Gegebenheitsweisen» (Ibid.).
130 Übrigens scheint uns, dass Schuhmans «fundamentale These» zwischen Husserls und Finks Ansätze oszilliert: «Unsere fundamentale These wird sein: Die Seinsweise der transzendentalen Subjektivität ist ursprüngliche Nachträglichkeit. Sie ist ein Secundum oder Posterius, dem kein Primum oder Prius voraus-
insofern nicht im Rahmen der genetischen Phänomenologie Husserls analysieren, als laut Fink das «Werden» nicht mehr auf seine Stiftung (Entstehung) zurückweist, sondern ein «tieferes Phänomen» ist, das «den genetischen Zusammenhang ermöglicht».131 Dieser Gedanke lässt sich folgendermaßen verstehen: die «Selbstverwirklichung der konstituierenden Subjektivität in der Weltverwirklichung» weist auf kein anderes Phänomen mehr zurück (anders gewendet, weist es nur auf sich selbst zurück), weil, wenn dem nichts so wäre, kein Phänomen, von dem wir je sinnvoll sprechen können, sich ereignen könnte, da ja jedes Phänomen, aus Finkscher Sicht, auf dem «universalen Korrelationsapriori» der vorgegebenen Welt und der transzendentalen Subjektivität beruht, und daher auf sein «Werden» notwendig zurückverweisen muss. Nur in diesem Sinne können wir dieses «Werden» als ein «tieferes Phänomen» verstehen. Wenn dieses sich ereignet, — dann und nur dann — kann das gegebene Phänomen notwendigerweise auf das andere verweisen («das tiefere Phänomen» zeigt sich als Bedingung der Möglichkeit der phänomenalen Tatsache der intentionalen Verweisung). Nun ist dieses «Werden» als Genesis zu verstehen, jedoch nicht im Sinne einer Entstehung, sondern als Ursprung132 im strengen Sinne des Wortes, ja «Ursprung der Welt». Denn der Ursprung eines Phänomens ist im Allgemeinen, wie Günter Figal zurecht sagt, «so etwas wie ein unvorhersehbares und unableitbares Zentrum, von dem her und in dem sich alles andere mit einem Mal neu erschließt»,133 während man unter Entstehung eines Phänomens seine Ableitung aus den Zusammenhängen meint, in denen es geschieht oder geschehen kann.134 Die Andersartigkeit der Seinsweise der transzendentalen Subjektivität besteht daher in ihrer Ursprünglichkeit und dem ursprünglichen Geschehen-
liegt; sie ist Abbild, dem kein Urbild als ein (an sich und unabhängig von ihr) Seiendes vorhergeht. Die Paradoxie der Subjektivität löst sich in die Paradoxie eines absoluten Posterius oder Bild auf» (Schuhmann K. Die Fundamentalbetrachtung der Phänomenologie. S. XXXVIII, hervorhebung von K. Schuhmann).
131 «Bekanntheitshorizont eines Gegenstandes (generelle Apperzeption) weist zurück auf Urstiftung. Aber es ist fraglich, ob alle Bekanntheitshorizonte (Seinsverfassungen) genetisch aufklärbar sind. Wahrscheinlich weist die Stiftung der generellen Apperzeption auf ein tieferes Phänomen, das den genetischen Zusammenhang ermöglicht» (EFGA 3/1. S. 401, U-IV 44).
132 «Idee des letzten Verständnisses ist nicht das auf den Grund bezogene, sondern auf den Ursprung» (EFGA3/1. S. 259, Z-IV 94a). Er schreibt sogar: «Reduktion unterscheidet sich von jeder ontologischen Reflexion auf das Zusammen von Subjekt-Objekt durch den grundsätzlichen Charakter des Zurückfragens hinter das Sein des Subjekts. Sofern die Subjektivität seiend ist, ist sie immer schon Mensch (sei es in der alltäglichen oder eigentlichen Weise der Existenz). Wie ist aber ein Zurückfragen hinter das Sein möglich? Fragen hinter das Sein sind keine Substruktionen eines Meta-ontischen, sondern sind Fragen an den Ursprung des Seins. Philosophieren ist das Denken des Ursprungs» (EFGA3/2. S. 118, Z-X, 9a und b, hervorhebung von E. Fink).
133 G. Figal schreibt weiter: «Das Ursprüngliche ist wie der Strudel im Fluß. Es erklärt sich aus keinem Zusammenhang, sondern stiftet einen Zusammenhang erst; es gehört in keine Entwicklung, sondern was zu ihm als Sichentwickldes gehört, wird erst vom Ursprünglichen her als solches erkannt» (Figal G. Gegenständlichkeit. Tübingen, 2006. S. 31).
134 Es erscheint uns hierbei sehr hilfreich, Finks Unterschied von der «phänomenologischen Ursprungsfrage» und der «ontischen» zu studieren. Letztere Weise des Fragens können wir mit derjenigen identifizieren, die wir die Frage nach Entstehung nennen wollen. «Wenn ein Seiendes gegeben ist, so ist sein "Ursprung" in keiner Weise mehr, auch nicht für Gott mehr originär gebbar <. > Ontische Ursprungsfrage ist Frage nach Vorhin, nach dem Woher. Gefragt ist ein innerzeitlich Vergangenes. Phänomenologische Ursprungsfrage ist Frage nach der Zeitlichkeit dieses Seienden» (EFGA 3/1. S. 219, Z-IV, 19b, hervorhebung von E. Fink).
scharakter. «Nicht "Glieder" der Korrelation, sondern die Korrelation ist das Frühe»,135 d. h. diese «Korrelation», genauer gesagt, das «Korrelationsapriori der transzendentalen Subjektivität und der vorgegebenen Welt» ist das Ursprüngliche. Daher kann in Wahrheit kein Gegenstand, der in der Welt erscheint, zum transzendentalen Leitfaden für die «Frage nach dem Ursprung der Welt» werden, sondern das weltimmanente Phänomen muss vielmehr von der Ursprünglichkeit der Korrelation her, von der «Verweltlichung» her verstanden werden: denn erst von dieser Ursprünglichkeit aus kann der weltimmanente Gegenstand als der weltimmanente ursprünglich erkannt werden.136 Dementsprechend versteht Fink den Weltbegriff nicht nur als Begriff der Totalität des Seienden, sondern vielmehr als Ursprung desselben. Wenn dies nicht erkannt ist, zeigt man sich noch für den transzendentalen Schein im Sinne Finks anfällig. Die Ursprünglichkeit der Verweltlichung füngiert, um mit Husserl zu reden, zumeist anonym und läßt sich nach Fink nur ausdrücken, wenn man die oben genannte transzendental-mundane Zwitterhaftigkeit des phänomenologischen Begriffs erkennt. Oder anders: die Ursprünglichkeit der transzendentalen Subjektivität und Verweltlichung im Sinne des Finkschen Korrelationsappriori entzieht sich uns.131 Der Grund dieses Entzugs scheint uns in der Macht der Selbstverständlichkeit zu liegen, da es selbstverständlich ist, dass, wenn von einem Phänomen oder einem Ereignis die Rede ist, wir nicht notwendig über dessen Ursprung sprechen müssen — nichtsdestoweniger muss der Ursprung eines Phänomens irgendwie gegeben sein, wenn das jeweilige Phänomen als solches der Erkenntnis offenstehen soll. Das Wesen des «Dogmatismus der natürlichen Einstellung» besteht, wie wir anhand von Finks Befund festgestellt haben, im Entzug des Ursprünglichen. Der Entzug ist die eigentliche Gegebenheitsweise des Ursprünglichen.
Hier läßt es sich zusammenfassend sagen, dass Finks transzendental-phänomenologi-scher Beitrag darin besteht, (1.) den «transzendentalen Schein» des «Dogmatismus der natürlichen Einstellung» (weder der «philosophischen Verabsolutierung der Welt» noch des «transzendentalen Psychologismus» bei Husserl) ausdrücklich formuliert zu haben, und (2.) dessen Grund — die transzendental-mundane Zwitterhaftigkeit der phänomenologischen Begriffe und die Andersartigkeit der Seinsweise der transzendentalen Subjektivität als das Ursprüngliche — erwiesen zu haben. Also sieht Fink an die ausdrückliche Reflexion über die Seinsweise der transzendentalen Subjektivität als notwendige Aufgabe der transzendentalen Phänomenologie überhaupt an. (3.) Damit können wir den Grund aufzeigen, warum laut Fink die transzendentale Phänomenologie durch die «Frage nach dem Ursprung der Welt» bestimmt ist: wenn nämlich der «Dogmatismus der natürlichen Einstellung» notwendig gegeben ist, muss der Ursprung derselben phänomenologisch ana-
135 Fink E. VI.CM. S. 49.
136 In diesem Kontext kritisiert Fink die «traditionelle Philosophie», genauer gesagt: «1.) die Entgegensetzung von Subjekt und Objekt, Ich und Gegenstand und dann 2) Subsumption des Subjekts unter die "Gegenstände", sofern das Ich auf sich selbst reflektieren kann; sich selbst "Gegenstand" wird» (EFGA 3/2. S. 292, Z-XV, 67a). Vgl. auch: Bruzina R. Gegensätzlicher Einfluß — Integrierter Einfluß: Die Stellung Heideggers in der Entwicklung der Phänomenologie. Zur philosophischen Aktualität Heideggers, Bd 2. Frankfurt am Main: Klostermann, 1990. S. 153 f. Es sei angemerkt, dass meine Aufmerksamkeit durch eine Diskussion mit Georgy Chernavin auf diesen Texte gelenkt wurde. Dafür danke ich ihm herzlich.
137 Siehe Fußnot 87.
lysiert werden, um den transzendentalen Schein nicht nur zu erkennen, sondern auch von Grund her aufzulösen. Darum besteht der Herzstück des transzendental-phänomenologi-schen Konzepts beim jungen Fink eben darin, das «Werden» oder die «Verweltlichung» als «Korrelationsapriori der vorgegebenen Welt und der transzendentalen Subjektivität» in ihrer Ursprünglichkeit phänomenologisch zu analysieren und diese Aufgabe konsequent und systematisch durchzuführen.
Doch befremdet es den heutigen Leser der VI.CM und des Kantstudien-Aufsatzes, dass Fink die oben genannte dritte Aufgabe (die Analytik, durch welche die «Andersartigkeit» der Seinsweise der transzendentalen Subjektivität als Ursprünglichkeit nicht rein begrifflich, sondern phänomenologisch-deskriptiv analysiert wird) nicht thematisch durchgeführt hat.138 Zwar ist diese abstrakte Herangehensweise in den oben genannten Texten Finks gewissermaßen unvermeidbar gewesen, weil Fink, statt phänomenologisch «nach dem Ursprung der Welt» zu fragen, das Wesen des «Dogmatismus der natürlichen Einstellung» begreifen musste, um die Aufgabe von VI.CM und Kantstudien-Aufsatz — das formale Aufzeigen des phänomenologischen Systems unter dem Titel der «transzendentalen Methodenlehre» und die Widerlegung der «kritizistischen Kritik» an der Phänomenologie Husserls — durchzuführen. Doch soll nun unsererseits gezeigt werden, wie sich Finks Konzept der transzendentzalen Phänomenologie als Durchführung der «Frage nach dem Ursprung der Welt» charakterisieren, und hiervon ausgehend die «Nähe und Distanz» zwischen Husserl und Fink dartun lässt.
3. Eine skizze von Finks Konzept der Phänomenologie des Ursprungs der Welt
Wie wir gesehen haben, (1.) sucht Fink die (kosmologische) Aufgabe der «Frage nach dem Ursprung der Welt» durch eine phänomenologische Analyse des «konstitutiven Werdens der Welt vom Ursprung der transzendentalen Subjektivität her» durchzuführen, (2.) wobei Fink unter dem prägnanten Ausdruck des «Werdens der Konstitution»bzw. der «Verweltlichung» «die Selbstverwirklichung der konstituierenden Subjektivität in der Weltverwirklichung» versteht. (3.) Die Seinsweise dieser «Selbstverwirklichung» scheint uns nicht nur als «vorgegeben» oder «anonym», sondern vielmehr, positiv gesagt, «ursprünglich» verstanden werden zu müssen: in der Perspektive des Ursprungs der natürlichen Einstellung. Hier ist die grundsätzliche Frage zu stellen, wie uns diese Ursprünglichkeit, deren Gegebenheitsweise wir gerade «Entzug» genannt haben, phänomenologisch gegeben wird, d.h. wie das notwendig entzogene Phänomen zum phänomenologischen Phänomen wird und wie es zu beschreiben ist, um Finks «Frage nach dem Ursprung der Welt» konkreter nachzuvollziehen. Dabei dient uns Finks eigentümlicher Horizontbegriff zum Leitfaden. Es erscheint uns evident, dass manche Phänomenologen dem Husserlschen Ansatz der «Welt als Horizont» treu folgen, wobei dieser «Horizont» selber als «Zugänglichkeit der Welt fürs
138 Vgl. Bemet R. Différence ontologique et conscience transcendantale. La réponse de la «Sixième Méditation Cartésienne» de Fink. E. Escoubas et M. Richir (edit.). Husserl. Grenoble: Jérome Millon, 1989. S. 98 f.
Bewußtsein»139 verstanden wird. Aber wir sehen es vielmehr als unsere Aufgabe an, das Spezifische des Horizontbegriffs und der «Zugänglichkeit» bei Fink hervorzuheben. Diese Aufgabe können wir anhand von Finks Erstlingsarbeit «Vergegenwärtigung und Bild» (von nun ab wie VB abgekürzt)140 und einigen Privatnotizen durchführen, weil Fink sich dort eben mit diesem Problem intensiv beschäftigt hat.
Das Eigentümliche des Finkschen Ansatzes besteht darin, dass die «Horizontintentio-nalität» bzw. das «Horizontbewusstsein» sich nicht im intentionalen Verweisungssystem im Ganzen (Gewebe der intentionalen Verweisung des Etwas auf etwas anderes) auflösen lässt. Grund hiervon ist dies: Erstens können wir Finks Begriff des «Horizonts» — wie bei Husserl — als den Spielraum der möglichen Erfahrung interpretieren, in welchem allererst ein Phänomen intentional auf ein anderes verweisen kann; aber die Ermöglichungsfunktion dieses Horizonts besteht nicht primär in ihrer regulativen Vorzeichnung des mundanen Seienden, sondern vielmehr im Charakter des Worin, in das die Subjektivität «hineinlebt».141 Zweitens lässt sich daher seine dementsprechende Gegebenheitsweise nicht nur als «anonym» und «vorgegeben», sondern darüber hinausgehend als «Hineinleben»142 und «Eindringen»143 kennzeichnen. Der Vollzugsmodus des «Eindringens» wird bei Fink, können wir vorwegnehmen, als das phänomenologische Ursprüngliche ausgelegt. Wenn das erfahrende Subjekt in die Welt eindringt, ist dabei der Horizont dieses «In-die-Welt-Hin-einlebens» im Ganzen selber immer schon «ausgehalten» und «gezeitigt»}44 Das Horizontphänomen, das in Finks Analyse zum transzendentalen Leitfaden wird, können wir also nicht mit jener phänomenalen Tatsache gleichsetzen, dass ein einzelnes Phänomen nicht ganz isoliert erscheinen kann, sondern notwendig auf die anderen Phänomene verweist. Mutatis Mutandis: Es steht nicht das «Zugangsbewusstsein» zu den einzelnen Gegenständen in Frage, sondern eben zum «Horizont», in dem diese Gegenstände erst erscheinen. Das Ziel von VB liegt nun darin, diese zwei verschiedenen Typen des «Zugangsbewusst-seins» ausschließlich hinsichtlich des Zeitbewusstseins zu ergründen. Dem Leser von VB fällt auf, dass Fink dabei kaum von dem «Zeitobjekt» bzw. «immanenten Objekt2 spricht (z. B. die Melodie), dessen Konstitution Husserl von den Zeitvorlesungen 1905 (Hua X) an aufzuklären versuchte und das ihm später (etwa in den Jahren 1908/09)145 zum transzendentalen Leitfaden dient, um die spezifische Zeitlichkeit der Subjektivität (d. h. «Fluss») mit derjenigen des «Zeitobjekts» zu kontrastieren.146 Finks Ausgangspunkt lässt sich unserer Ansicht nach in der folgenden Formel zusammenfassen: «Die Grundarten der Imagi-
139 Fink E. Welt und Endlichkeit. Würzburg, Königshausen & Neumann, 1990. S. 24.
140 Fink E. Vergegenwärtigung und Bild. Beiträge zur Phänomenologie der Unwirklichkeit. Studien zur Phä-nomenologie 1930-1939. S. 1 ff.
141 Fink E. VB. S. 11 f.
142 Ibid.
143 Ibid. S. 26 ff., 44 f.
144 Ibid. S. 21 f., 24, 37 f.
145 Vgl. Hua X. S. 324 ff. (Text no. 50) auch: Bernet R., Kern I., Marbach E. Edmund Husserl, Darstellung seines Denkens. Hamburg: Meiner, 1996. S. 102.
146 Denn: «Der Fluß der Bewußtseinsmodi ist kein Vorgang, das Jetzt-Bewußtsein ist nicht selbst jetzt» (Hua X. S. 333), während beispielsweise eine «Melodie» offenkundig ein zeitlicher Vorgang des Tons ist. Vgl. auch Ibid. S. 371.
nation gliedern sich nicht nach den Grundarten der erfahrenden Akte, sondern <.. .> nach der Manigfaltigkeit der Zeithorizonte, in denen gegenwärtigendes Aktleben apriori steht. So ist wesensmäßig die Erinnerung auf die Vergangenheit bezogen, die Vorerinnerung auf die Zukunft...»147
Diese These können wir so auslegen, dass in Finks Analyse das Phänomen der (Mannigfaltigkeit der Zeithorizonte» den «transzendentalen Leitfaden» bildet. Die «Zeithorizonte» sind, rein formal gesagt, die «umspannenden Horizonte des Vorher und Nachher».148 (1.) Wir erblicken die «Mannigfaltigkeit» deutlich in der phänomenalen Tatsache, dass beispielsweise der «Zeithorizont» der Wahrnehmung, in dem etwas wahrgenommen wird, apriori mit demjenigen der Phantasie nicht identisch ist. Denn, wenn sich die beiden Horizonte adäquat decken, können wir die wirkliche Welt (als Korrelat der Wahrnehmung) nicht von der phantasierten Welt (Korrelat des Phantasierens) unterscheiden. (2.) Dabei übersieht Fink nicht, dass die Modi des «Eindringens» in die Zeithorizonte bzw. die der Vollzugsweise des erfahrenden Subjekts ebenso mannigfaltig sind. Wenn man z. B. in einer «pathetischen Phantasie» befangen ist, ist man in den in sich unwirklichen Zeithorizont «versunken»: «Je größer die Versunkenheit ist, um so mehr entsteht der Anschein des Gegenwärtigens».149 Den Vollzugsmodus der tiefen «Versunkenheit» können wir doch als eine gewissermaßen normale Bewusstseinsweise ansehen, wenn wir in der Wirklichkeit befangen sind.150 Schon hier wird deutlich, dass das intentionale «Korrelat» des «Eindringens» oder «Hineinlebens» nicht die einzelnen Gegenstände, sondern eben die Welt in ihren Modalitäten betrifft. Übrigens verstehen wir dabei unter «Modalität» nicht nur die Seinsmodalität (wirklich, möglich, usw.), sondern auch die Zeitmodalität (gegenwärtig, vergangen, usw.). Um diese Sachlage zu veranschaulichen, ziehen wir das Beispiel der «Erinnerungswelt» als der Welt hinzu, insofern sie vergangen ist151 — Die Erinnerungswelt (oder der Horizont der Vergangenheit) ist uns, wenn wir uns daran erinnern, nicht nur «vorgegeben», denn man kann durch ein Trauma mithin völlig darin versinken, so als hörte — in den Augen der Anderen — die Zeit auf. Wenn wir auf irgendeine Weise in die Welt (oder in den Zeithorizont) hineinleben, dann und nur dann kann die Welt uns in ihren Modalitäten gegeben sein. Nun ist es zwar wahr, dass wir die Weise des Hineinlebens, d. h. die Gegebenheitsweise der Welt für anonym halten können, da wir sie in manchen Fällen nicht ausdrücklich zu erkennen brauchen (in dieser Hinsicht behält Husserl Recht). Dies aber liegt bloß darin begründet, dass das mannigfaltige Eindringen oder Hineinleben zumeist für uns ein zu selbstverständliches Phänomen ist.152 Diese spezifische Selbstverständlichkeit als Selbstverständlichkeit zu erkennen heißt nichts anderes, als die phänomenologische Reduktion zu vollziehen, deren Ursprung Fink zufolge als die «Verwunderung» oder das «Staunen» bezeichnet werden
147 Fink E. VB. S. 21f., hervorhebung von E. Fink.
148 Ibid. S. 23.
149 Ibid. S. 55.
150 Fink schreibt jedoch weiter: «Die Weltbefangenheit ist keine Befangenheit des Menschen, sondern ist das Menschsein selbst» (EFGA 3/2. S. 175, XCIII/2a).
151 Vgl. Ibid. S. 27 ff.
152 Vgl. Fink E. Was will die Phänomenologie Edmund Husserls? Studien zur Phänomenologie 1930-1939. S. 169 f.
kann, das den Menschen in der Art eines «Widerfahrnisses», wie seit Platon die Erfahrung des Anfangs der Philosophie gedeutet wird, «überfallt».153 Wenn wir Fink folgen und dieses selbstverständliche Phänomen des «Eindringens» von seiner transzendentalen Funktion her phänomenologisch betrachten, so können und sollen wir die Gegebenheitsweise dieses Phänomens nicht nur als «anonym», sondern auch positiv als «ursprünglich» charakterisieren. Wenn man dieses Phänomen von seinem phänomenal-deskriptiven Sinn her versteht, scheinen uns die zwei extremen Pole seiner Vollzugsmodi einerseits «Wachheit» und andererseits «Schlaf» zu sein: «Das Subjekt ist weltoffen. Nur solange ein subjektives Leben im Wachen sich befindet, ist es weltoffen. Wachheit und Weltoffenheit identisch. Schlaf=Weltverschlossenheit».154 Weil uns die «Wachheit» als Grundmodus der «Weltoffenheit» erst den Spielraum zugänglich macht, in dem uns die Erfahrung, sofern sie als wirklich ausweisbar ist, und korrelativ der Gegenstand der Erfahrung zufallen können, d.h. weil sich uns die Welt im Modus der «Wachheit» eröffnet,155 begreift der Weltbegriff nicht bloß die Totalität der existierenden Dinge und der korrelativen (intentionalen) Erfahrungen, sondern vielmehr die Ursprünglichkeit dieses Geschehens als eines solchen. Darin liegt der Grund, weshalb Fink das «In-die-Welt-Hineinleben» als Wesen der «natürlichen Einstellung», d. h. als das «natürliche Sein des Menschen» annimmt.156 Die Ursprünglichkeit der Welt besteht daher nicht primär in der regulativ-vorzeichnenden Funktion der Seienden, sondern vielmehr in der Ermöglichungsfunktion der ausweisbaren Modalitäten. Die Welt ist von transzendentalem Wert, nicht nur weil sie als Totum zu verstehen ist, sondern weil sie die Ausweisbarkeit der Modalität ermöglichend be-schränkt. Diese ermöglichende Schranke der Welt ist selber der notwendige Rahmen, aus welchem heraus wir die Wirklichkeit als wirklich, und die Möglichkeit als möglich zu erkennen vermögen. Darin besteht die ursprüngliche Macht der Welt. Das Ding muss auf diese Weise notwendig in der Welt eingerahmt sein, wenn es als solches erkennbar sein soll. Somit verstehen wir «Sein der Welt» bei Fink (zumindest primär) weder als regulative «Idee» (Kant) noch als vorgegebene «Form der Welt» (Husserl), sondern als der Rahmen des einzurahmden Seienden und als sein Geschehen. Es kann kein Seiendes geben, wenn es nicht in der Welt eingerahmt ist. In einem Privatnotiz schreibt Fink: «Die Wirklichkeit ist vor den wirklichen Dingen. Nicht weil es wirkliche Dinge gibt, gibt es Wirklichkeit (also nicht wie Farbigkeit), sondern weil Wirklichkeit ist, kann es wirkliche Dinge geben».157 Hierbei dürfen wir nicht vergessen: wenn sich die Welt als wirklich bestimmt, ist dabei das Subjekt notwendig wach, d.h. in die Welt im Modus der Wachheit eingedrungen. Darum können wir diese Tatsache
153 Fink E. Das Problem der Phänomenologie Edmund Husserls. Studien zur Phänomenologie 1930-1939. S. 182.
154 EFGA 3/2, S. 273, (Z-XV 13a).
155 Jedoch sollen wir Modus des «Schlafs» nicht so auslegen, dass dabei keine Welt besteht, und dass wir von der Welt nur im Modus des «Wachens» je sinnvoll zu sprechen vermögen. Denn: «Weltlosigkeit ist selbst ein bestimmter Modus der Welthabe, ist die Welthabe im Modus der extremen Versunkenheit» (Fink E. VB. S. 64).
156 Ibid. S. 11 f.
157 EFGA 3/2. S. 65, (Z-VII, XVII/24b).
als das oben genannte universale und notwendige Korrelationsapriori der vorgegeben Welt (in ihren Modalitäten) und der Subjektivität (in seinen Modi des Eindringens) im Sinne Finks, und in diesem Sinne als «Verweltlichung» identifizieren, und dieses selbst als das Konstitutive für die Ausweisbarkeit der Seienden überhaupt. Denn, wenn wir von dem Seienden je sinnvoll sprechen können, muss uns, wie unserer Darstellung weiter oben zu entnehmen ist, die Modalität der Welt vorläufig zugänglich sein. Diese Korrelation ist offensichtlich in sich von einem anderen Typus als die intentionale Korrelation zwischen den weltimmanenten Gegenständen und der sie konstituierenden Subjektivität. Die spezifische Bewusstseinsweise dieser ursprünglichen Korrelation (d. h. in den Modi des Eindringens) definiert Fink als «Entgegenwärtigung», welche wir jedoch in unserer Untersuchung nicht mehr behandeln können. Es ist aber zu bemerken, dass Fink die «Seinsweise der transzendentalen Subjektivität» ausdrücklich mit dieser «Entgegenwärtigung» gleichsetzt.158 Schon hier wird uns deutlich, dass Fink unter dem Ausdruck «Selbstverwirklichung der konstituierenden Subjektivität in der Weltverwirklichung» (d. h. «Verweltlichung») das ursprüngliche Geschehen dieser eigenartigen Korrelation versteht, die selber als «Ursprung der Welt» angesehen werden soll. Deswegen ist die phänomenologische Analyse dieser spezifischen Korrelation («Verweltlichung») nichts anderes als die Durchführung der «Frage nach dem Ursprung der Welt», in welcher, wie wir gesehen haben, laut Fink die transzendentale Phä-nomenologie begründet ist.
Es lässt sich zusammenfassend sagen, (1.) dass, Finks phänomenaler Beschreibung zufolge, die Bewusstseinsweise des «Hineinlebens» oder «Eindringens» sich als ein spezifisches Phänomen artikuliert, und (2.) dass Fink das Zugangsbewusstsein aus diesem Grund in zwei in sich verschiedene Gattungen gliedert, d.h. einerseits das Zugangsbewusstsein zu Gegenständen, die in der Welt erscheinen (dessen Essenz jedoch in der intentionalen Verweisung liegt), und andererseits dasjenige zur «Mannigfaltigkeit der Zeithorizone», oder besser zur Welt in ihren Modalitäten. Wenn dies letzte gegeben ist, dann und nur dann kann sich uns die Welt offenbaren. Wir können die Spezifität der Gegebenheitsweise der Welt mit Husserl als «vorgegeben», und die dabei füngierende Bewusstseinsweise als «anonym» kennzeichnen, doch können wir mit Fink darüber hinaus auf positive Weise konstatieren, dass sich diese «Vorgegebenheit» und «Anonymität» auf die eigentümliche «Korrelation» der Welt in ihren Modalitäten und den mannigfaltigen Vollzugsmodi des «Hineinlebens» zurückführen lassen. (3.) Fink legt diesen Befund so aus, dass das Zugangsbewusstsein zu den Gegenständen (thematische Intentionalität) in demjenigen zur Welt gründet. In diesem spezifischen Fundierungsverhältnis stellt sich die Ursprünglichkeit der transzendentalen Subjektivität dar. (4.) Diesem Ansatz liegt die neue (dennoch implizit gebliebene) Bestimmung des Weltbegriffs zugrunde, dem zufolge der Welt nicht nur die regulative Funktion, sondern vielmehr die Ermöglichungsfunktion ihrer ausweisbaren Modalitäten zugesprochen wird.
158 «Die transzendentale Subjektivität ist in ihrer Seinsart ganz und gar bestimmt durch die Entgegenwärtigun-gen. Diese sind die konstitutiven Intentionalitäten, durch die allererst so etwas wie eine Welt möglich ist, sind aber auch die konstitutiven Bedingungen der innerweltlichen Subjektivität» (EFGA 3/1. S. 214, Z-IV 11a, hervorhebung von E. Fink).
Wir haben gezeigt, dass die spezifische Aufgabe der transzendentalen Phänomenolo-gie bei Fink in der phänomenologischen Analyse der «Verweltlichung» besteht. Dabei ist bemerkenswert, dass Fink das Geschehen der «Selbstverwirklichung der konstituierenden Subjektivität in der Weltverwirklichung» nicht (nur) im Kontext von Husserls Idee des «Scheins des Psychologismus», sondern im Rahmen einer Überlegung über die Ursprünglichkeit der transzendentalen Subjektivität als über ihre Seinsweise thematisiert. Im Vollzug der Phänomenologie der «Verweltlichung» Finks wird das Phänomen des «Eindringens» oder «Hineinlebens» zum transzendentalen Leitfaden, während bei Husserl prinzipiell die Tatsache der «Verweisung auf etwas» maßgeblich ist. Um die Spezifität des Finkschen Konzepts von Husserls Ansätzen äußerlich abzuheben, sei darauf hingewiesen, dass Fink Husserls phänomenologisch-idealistischen Ansatz der «Korrelation» nicht auf diejenige Beziehung reduziert, die zwischen den Gegenständen und der sie konstituierenden Subjektivität oder besser ihren Gegebenheitsweisen notwendig besteht, sondern ihn vielmehr als ursprüngliches Geschehen oder geschehendes Ineinander der Welt und der darin hineinlebenden Subjektivität vertieft. Weil diese Ursprünglichkeit nicht schlicht als «intentionale Korrelation von Subjekt und Objekt» angesehen werden darf, können wir ihre Entfaltung das Sich-Ereignen nennen, weil uns dieses Geschehen nichts weniger als die «Dimensionen, innerhalb deren allererst der Subjekt-Objekt-Bezug sich ereignet»159 zu begreifen scheint. Dies ist das Weltereignis. Wenn dies angenommen wird, besteht die spezifische Seinsweise der transzendentalen Subjektivität, deren Erkennen, wie wir sahen, leicht für den transzendentalen Schein anfällig ist, in ihrem ursprünglichen Ereignischarakter. Dieser Befund erlaubt es uns, den Wert von Finks Beiträgen sowohl in ihren vordergründig kosmologischen (Weltbegriff), als auch metaphysischen Ansätzen (Ursprünglichkeit des Weltereignisses) zu erkennen, die sich auf seine phänomenologische Analyse des spezifischen Zugangsbewusstseins zur Welt zurückführen lassen (erkenntnistheoretischer Aspekt der Philosophie Finks).
Somit finden wir bei Fink auch keinen etwa «kritizistischen» Ansatz, dem zufolge sich die philosophische Aufgabe rein auf erkenntnistheoretische Begründung einschränken lassen solle, sondern vielmehr eine Art Wiederherstellung der Spannung zwischen der metaphysischen und der erkenntnistheoretischen Sphäre. Diese Spannung, die bei Kant und Husserl teilweise implizit bleibt, erkennt Fink ausdrücklich und hält sie für den wesentlichen Charakter des systematischen Zugs des Philosophierens. Das, was Fink unter dem Ausdruck «System» versteht, kann nur bestehen, indem jeder, der die «Reduktion» übt, sich von diesem durchaus spannenden sozusagen «je-meinig» anziehen lässt.160 So resü-
159 Fink E. Nähe und Distanz: Phänomenologische Vorträge und Aufsätze. München; Freiburg: Verlag Karl Alber, 1976. S. 312, hervorhebung von Vfs.
160 «...die in der mundanen Situation gründende Faktizität des Reduzierenden kennzeichent die reduktiv eröffnete Subjektivität als das transzendentale Ichleben eben dieses Menschen, der Reduktion übt. Die Reduktion wird zum je-meinigen Gang in den absoluten Ursprung. Diese Je-Meinigkeit und unaustauschbare, unauswechselbare Faktizität des Reduzierenden bestimmt die Weite seiner transzendentalen Selbstexplikation und schlägt durch in der Auswahl und Sichtung der thematischen Phänomene» (Fink E. VB. S. 15, hervorhebung von E. Fink).
miert Fink sein Verständnis des «systematischen» Zugs zur transzendentalen Phänome-nologie: «Keine Einzelanalyse ist um ihrer selbst willen da, jede untersteht dem Zug zum Ganzen des Systems, ist geleitet und getrieben von einer Grundfrage <.. .> Obzwar mitgenommen von einer zentralen Frage hat die Einzelanalyse die Aufgabe, den systematischen Zug des Philosophierens zu hemmen».161
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