Научная статья на тему 'Metasprachliche Äusserungen als eine Datenquelle: Analyse des Sprachsystems der Russlanddeutschen Minderheit Sibiriens'

Metasprachliche Äusserungen als eine Datenquelle: Analyse des Sprachsystems der Russlanddeutschen Minderheit Sibiriens Текст научной статьи по специальности «Языкознание и литературоведение»

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Ключевые слова
RUSSIAN GERMANS DIALECTS / METALANGUAGE CONSCIOUSNESS / METATEXT / DIALECTAL SYSTEM / DIE DIALEKTE DER RUSSLANDDEUTSCHEN / METASPRACHLICHES BEWUSSTSEIN / DIALEKTSYSTEM

Аннотация научной статьи по языкознанию и литературоведению, автор научной работы — Александров Олег Анатольевич

The present article summarizes the results of the fieldwork of the Russian Germans dialects of the Tomsk Region and sets two main goals: it asserts that metalinguistic utterances of Russian Germans can be used for dialectical studies as a source of data; on the other hand it reveals its potential as a source for description of dialects in Siberia.

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Текст научной работы на тему «Metasprachliche Äusserungen als eine Datenquelle: Analyse des Sprachsystems der Russlanddeutschen Minderheit Sibiriens»

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ДИСКУРС И ТЕКСТ: ВЕКТОРЫ ИССЛЕДОВАНИЯ Александров Олег Анатольевич

Кандидат филологических наук, доцент, заведующий кафедрой немецкого языка Федерального государственного бюджетного образовательного учреждения высшего профессионального образования «Томский политехнический университет», г. Томск, Россия

УДК 811.112.2 282.4=161.1 04 ББК Ш 143.24-5

METASPRACHLICHE ÄUSSERUNGEN ALS EINE DATENQUELLE: ANALYSE DES SPRACHSYSTEMS DER RUSSLANDDEUTSCHEN

MINDERHEIT SIBIRIENS

Der vorliegende Artikel fasst die Erfahrungen der im Gebiet Tomsk durchgeführten Feldforschung der Mundarten von Russlanddeutschen zusammen und ve r-folgt zwei Ziele. Zum einen möchten wir allgemein aufzeigen, dass die metasprachlichen Äußerungen der Russlanddeutschen bei den dialektologischen Untersuchungen als eine der Datenquellen dienen können, zum anderen illustrieren wir konkret, was die Forscher von dieser Quelle bei der Beschreibung des Systems der deutschen Mundarten Sibiriens erwarten können.

Schlüsselwörter: die Dialekte der Russlanddeutschen, metasprachliches Bewusstsein, Metatext, Dialektsystem

META-LINGUISTIC UTTERANCES AS THE SOURCE OF DATA: THE ANALYSIS OF RUSSIAN GERMANS LANGUAGE SYSTEM IN SIBERIA

The present article summarizes the results of the fieldwork of the Russian Germans dialects of the Tomsk Region and sets two main goals: it asserts that metalinguistic utterances of Russian Germans can be used for dialectical studies as a source of data; on the other hand it reveals its potential as a source for description of dialects in Siberia.

Key words: Russian Germans dialects, metalanguage consciousness, metatext, dialectal system.

Das Datenkorpus, das der Sprachwissenschaftler aufbereitet und den als Grundlage seiner Forschung dient, soll repräsentativ sein. Die Zusammenstellung umfangreicher und zuverlässiger Korpora der sprachlichen Daten von deutschen Mundarten Sibiriens stellt eine komplizierte Aufgabe dar, die durch die kontinuierliche Abnahme der Sprecherzahl erschwert wird. 1 Offen bleibt zudem die Frage nach Methoden zur Verifikation des in der Feldforschung erhobenen Materials: Dialektforscher verfügen über eine sehr begrenzte Anzahl von den in der Sprache der Russlanddeutschen verfassten schriftlichen Texten, es gibt bislang kein Wörterbuch der Sprache von Russlanddeutschen, den Dialektologen nicht russlanddeutscher Herkunft fehlt die Möglichkeit, auf die Methode der Introspektion zurückzugreifen. Aus diesem Grund halten wir es für wichtig, dass bei der Erfo r-

'Die Informanten, die aktive Sprachkompetenz haben, gehören zu der ältesten Generation der Russlanddeutschen. Ihre Zahl schrumpft rapide.

2 Die Methode der Selbstbeobachtung, wenn der Forscher sich selbst als Experte im Produzieren und Verstehen sprachlicher Äußerungen in der zu beschreibenden Sprache betrachtet.

schung und Beschreibung der Sprache von Russlanddeutschen alle möglichen Quellen, die Informationen über den Gegenstand der Untersuchung liefern, berücksichtigt werden.

Die Relevanz der „subjektiven Daten“ in linguistischen Disziplinen wird schon lange diskutiert [Molitor, 2000, S. 8]. Heute ist der laienlinguistische Ansatz in der Sprachwissenschaft etabliert: die Frage, wie die Laien über Sprache denken, steht im Fokus der folk linguistics. Die Aufgabe dieser neuen sprachwissenschaftlichen Disziplin ist durch Untersuchungen der sprachreflexiven Beschreibungen von Laien die Erkenntnisse der bisherigen Linguistik zu ergänzen [Anders, 2010, S. 22-23].

Das Interesse an der alltäglichen Interpretation der sprachlichen Wirklichkeit ist vor allem in den Forschungen der Minderheitssprachen intensiv. So werden „subjektive Sprachdaten“ von muttersprachlichen Informanten systematisch in die St u-dien der Spracheinstellungen der Dialektträger einbezogen: in der neusten deutschsprachigen Fachliteratur werden Dialektbewertungen sowohl in Deutschland [Anders, 2010; Anders, 2010a; Gärtig, 2010], als auch am Beispiel der deutschsprachigen Minderheiten in Nachbarländern [Nemeth, 2010; Deminger, 2004] analysiert. Aus der diachronischen Perspektive wird die gelebte sprachliche Alltagswirklichkeit der mehrsprachigen Informanten, die neben den großen die Kleinsprachen (bzw. Dialekte) beherrschen, in sprachbiographischen Studien untersucht [France-schini, 2004; Treichel, 2004].

Seit etwa zehn Jahren sind die Sprachwahrnehmung und Sprachinterpretation der Informanten in der Dialektologie der russischen Sprache verstärkt ins Forschungsinteresse gerückt. Es werden Explikationsformen des metasprachlichen Bewußtseins russischer Mundartsprecher Sibiriens erforscht [Ростова, 2000]. Am Beispiel eines Idiolekts werden die Besonderheiten der individuellen metasprachlichen Reflexion beschrieben [Иванцова, 2002]. Im Rahmen der alltäglichen Mo-tivologie werden Prozesse der Wahrnehmung der inneren Form und Motivationsbeziehungen von Lexemen durch die Dialektträger diskutiert [Блинова, 2009]. Im Mittelpunkt der erwähnten Studien stehen metasprachliche Äußerungen von Informanten als materielle Manifestationen ihrer bewußten und unbewußten Kenntnisse über die Sprache. Diese Äußerungen werden in den Arbeiten von russischen Dialektologen als Metatext bezeichnet.

In der deutschen Dialektologie wurden die während der Mundartaufnahmen dokumentierten Meinungen und Urteile der Informanten über einen Dialekt zu den Quasi-Sachinformationen gezählt und als Fehlerquelle der Datenerhebung betrachtet [Werlen, 1984]. Heutzutage vertreten viele Dialektologen die Meinung, dass sowohl die Aussagen der Gewährspersonen als auch die Interpretationen der Forscher subjektiv sind und um zu den validen Ergebnissen zu kommen, muss man bei der Untersuchung eines sprachlichen Phänomens verschiedene Informationsque l-len kombiniert einsetzen [Werlen, 2000]. Die Kombination der Daten und Verfahren wird in der modernen empirischen Sozialforschung als Forschungstriangulation bezeichnet [Deminger, 2004, S. 27- 32].

In dem vorliegenden Artikel wird durch die folgende Interaktionsanalyse aufgezeigt, dass Metatexte als eines der Instrumente zur Erstellung eines Datenkorpus,

das der Dialektologe seiner Untersuchung zur Grunde legt, dienen können. Die Metatexte werden als eine Datenquelle bei der Beschreibung des Sprachsystems der deutschen Mundarten Sibiriens genutzt.

Das Gebiet Tomsk, das tief in Sibirien liegt, gehört zu den Regionen der Russischen Föderation, in denen die Deutschen besonders stark vertreten sind. 1 Sie wurden 1941 aus der ehemaligen Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen deportiert und vorwiegend in den nördlichen Teil des Tomsker Gebiets angesiedelt. Nach Stalins Tod und der Auflösung der Arbeitsarmee verließen die meisten Deportierten die Sondersiedlungen im Norden, aber verblieben im Gebiet Tomsk. Die Wolgadeutschen ließen sich in den sibirischen Dörfern nieder, denn trotz der Rehabilitierung im Jahre 1955 wurde den Deportierten die Rückkehr in ihre alten Siedlungsgebiete untersagt. Zur Zeit sind die Deutschen über das ganze Gebiet Tomsk verteilt, wobei der Rajon Koschewnikowo, der im Süden liegt, den größten Anteil der deutschen Bevölkerung hat. Derzeit leben im Ort Kosche w-nikowo ca. 400 Russlanddeutsche, im Rajon Koschewnikowo - ungefähr 1.000.

Die deutschen Inselmundarten der an das Gebiet Tomsk grenzenden Regionen (Altaj-Region, Gebiete Omsk und Nowosibirsk) waren oft Objekt linguistischer Forschung, wohingegen die Mundarten, die im Gebiet Tomsk gesprochen werden, von den Sprachwissenschaftlern lange Zeit außer Acht gelassen wurden. Seit 2001 unternehmen die Mitarbeiter der Staatlichen Universität und der Technischen Universität Tomsk regelmäßig dialektologische Feldforschungen in den Rayon Ko-schewnikowo, um Material zur Sprache und Kultur der Russlanddeutschen zu sammeln. In den Jahren 2002 - 2005 war das Ziel der Feldforschungen die Beschreibung der Hauptparameter der phonologischen, morphologischen und lexikalischen Ebenen der deutschen Mundart.

Befragt wurden zu diesem Zweck über 60 Bewohner des erwähnten Rajons. Die Mundartträger aus dem Rajon Koschewnikowo sind zweisprachig, d.h. sie sprechen sowohl ihre deutsche Mundart als auch Russisch. Außerdem verfügen die Informanten über Kenntnisse in der Standardsprache: einige haben sie in der Schule vor der Deportation gelernt, die anderen besuchten Deutschkurse, viele besuchen ihre Verwandten in Deutschland, haben Kontakt mit ihnen per Telefon oder stehen im Briefwechsel. Die Befragten, die zur evangelisch-lutherischen Gemeinde gehören, lesen religiöse Literatur auf Hochdeutsch und besuchen Gottesdienste in hoc h-deutscher Sprache. Das Niveau der Hochdeutschkompetenz der Deutschen aus dem Rajon Koschewnikowo kann als „nicht (sehr) gut“ bezeichnet werden, d.h. keiner der Informanten kann Hochdeutsch aktiv verwenden.

Treichel, die Sprachbiographien von Sprechern der walisischen und englischen Sprachen behandelt, erwähnt, dass - obwohl bei der Datenerhebung zu der durchgeführten Studie nicht die Sprachbiographien der Informanten fokussiert wurden, -zahlreiche Erzählungen Sprachlichkeit referierten [Treichel, 2004, S. 132]. Die Expeditionen in den Rajon Koschewnikowo zeigten auch, dass Bilinguismus und Diglossie auch bei den Russlanddeutschen günstige Voraussetzungen für linguistische Vergleiche und gedankliche Verarbeitung der Sprache schaffen. Während der

1 Siehe die Ergebnisse der allrussischen Volkszählung 2002 (http://www.perepis2002.ru).

Feldforschungen wurden keine speziellen Tests zur Erforschung der Sprachreflexi-on der Befragten durchgeführt, 1 aber die Deutschen sprachen viel über ihre Sprache. Etwa 30 Prozent aller aufgenommenen Texte enthalten Kommentare über die Sprache. Die Zahl der von uns dokumentierten Metatexte ist wesentlich höher als die Zahl der Metatexte, die die monolingualen russischen Dialektsprecher während analoger Untersuchungen produziert haben [Rostova, 2000, Iwancowa,

2002].

Zur Feststellung der Besonderheiten der Mundart der Deutschen aus Koschewnikowo wurden die von den Forschern vorgefertigten Fragebücher verwendet, die aus einer Liste von Mustersätzen in russischer und hochdeutscher Sprache bestanden. Die Mustersätze wurden von dem Interviewer vorgelesen und vom Befragten in die Mundart übersetzt. Die Wahl der Vermittlersprache (medi ator language), in dessen Rolle das Russische oder das Hochdeutsche auftraten, brachte für die Datenerhebung bestimmte Vorteile und Nachteile und konnte den Charakter der vom Informanten mitgeteilten linguistischen Information beeinflussen.

Einer der Nachteile der russischsprachigen Fragebücher kam schon bei seiner Erstellung zum Vorschein. Die Ersteller stießen auf Schwierigkeiten bei der Formulierung der (Stimulus)Sätze, die die Befragten zur Repräsentation der in der russischen Sprache fehlenden grammatischen Kategorien oder der ganz spezifischen grammatischen Kategorien der deutschen Sprache motivieren sollten. Das betrifft vor allem folgende Teile der Frageliste: zur Feststellung der Vergangenheitsformen (Perfekt, Präteritum, Plusquamperfekt) der Verben, der Kategorie der Bestimmtheit / Unbestimmtheit, der Deklinationstypen der Adjektive, der Gegen-warts- und Vergangenheitsformen des Konjunktivs (Präteritum Konjunktiv, Plusquamperfekt Konjunktiv).

Bei der Approbation des Fragebuches zeigte sich ein weiterer Nachteil. Oft übersetzten die Befragten die angebotenen Wortverbindungen bzw. Sätze anders, als die Forscher das prognostizierten. Die Interviewer wurden dann mit der Frage konfrontiert, ob das gesuchte Phänomen in der erforschten Mundart fehlt oder ob die Dialektträger die üblichen herkömmlichen Sprachmittel benutzten. Beispiele (1), (2) illustrieren dieses Sprachverhalten. Im Beispiel (1) verwendet der Befragte statt des erwarteten Superlativs ein Modaladverb mit Adjektiv. Im Beispiel (2) verzichtet der Befragte bei der Übersetzung auf das Modalverb.

(1)

- Samij krasivyj [russ.: der schönste]. *

- Sehr schejn.

(2)

- My dolzny idti v pole [russ.: wir müssen auf das Feld gehen].

- Haite gehe mir alle raus aufs Feld.

Die in der russischen Sprache erstellten Fragebögen brachten auch Vorteile: sie motivierten die Befragten zur Interpretation, sprachlichen Reflexion häufiger als

1 In den Expeditionen wurden keine Spracheinstellungsteste, Experimente zur Wahrnehmung der dialektalen Rede usw. durchgeführt.

* Die erste Zeile enthält den vom Wissenschaftler vorgelegten Mustersatz. Die zweite Zeile zeigt die Übersetzung des Mustersatzes durch den Befragten.

die in der hochdeutschen Sprache entwickelten Fragebögen. 72 % der bei der B e-fragung mit Fragebögen in der russischen Sprache dokumentierten Metatexte beziehen sich auf die lexikalisch-semantische Seite der Sprache und sind mit dem Versuch des Befragten verbunden, die Bedeutungen der Wörter der eigenen Mundart zu erläutern.

Wissenschaftler, die sich mit der Erforschung des metasprachlichen Bewusstseins der russischen Dialektträger befassen, beschreiben die gleiche Situation. Einen erheblichen Teil der von ihnen dokumentierten metasprachlichen Aussagen bilden die Erläuterungen der Bedeutungen von Wörtern (vgl. Rostova 2000, Iwan-cowa 2002). Das ließe sich dadurch erklären, dass während der Befragung der Interviewte auf eigenen Wunsch lexikalische Einheiten kommentiert, die für den Fragesteller unverständlich sein könnten. Rostova (2000) hat die von ihr in Sibirien aufgenommenen Metatexte analysiert und eine Klassifikation von Strategien der Wortsemantisierung durch russische Dialektsprecher ausgearbeitet. Die Klassifikation beinhaltet drei Gruppen von Strategien:

a) die klassifizierende Strategie, d. h. Semantisierung von Wörtern durch andere Wörter),

b) charakterisierende Strategie, d. h. Semantisierung von Wörtern durch Demonstration seines Funktionierens in der Rede,

c) identifizierende Strategie, d. h. Semantisierung eines Wortes durch die Beschreibung des von ihm bezeichneten Gegenstandes.

Die in unseren Daten aus dem Rayon Koschewnikowo enthaltenen Wortdeutungen lassen sich auch je nach dem Charakter der linguistischen Informationen in drei oben erwähnten Gruppen teilen.

Die erste Gruppe der Metatexte (klassifizierende Strategie) beruht auf dem Verständnis der Relationen „Wort - Wort“ und wird durch den Charakter der im Sprachsystem vorgegebenen sprachinternen und intersprachlichen paradigmatischen Beziehungen bestimmt.

Der Befragte erläutert die Bedeutung des Wortes, indem er das Wort ins Russische (3) oder, wenn seine Sprachkompetenz das erlaubt, ins Hochdeutsche (4) übersetzt. Dabei kommen die intersprachlichen paradigmatischen Relationen zum Vorschein:

(3)

- Testo mesit ’ [russ.: Teig kneten].

- Mir sage «Teich knejde». Knejde - mesat’ [russ.: kneten], Teich - testo [russ.: Teig]. Esli my delaem na drozzach [russ.: wenn wir Hefeteig machen], mir sache «mit Hejbe», Hejbe - drozzi [russ.: Hefe].

(4)

- Svinja [russ.: Schwein].

- Nu, Schwein is literaturisch, nu a my [russ.: na und wir], wie wert in Dorf kesprouche - Sau.

Metatexte, in denen für das zu erklärende dialektale Wort Äquivalente in der russischen und der hochdeutschen Standardsprachen genannt werden, helfen den Forschern bei dem Semantisieren der Lexik der zu erforschenden Sprache, infor-

mieren über die Eigenart ihres Wortbestandes, z.B. über die in der Mundart verbreiteten Russizismen (5, 6) oder Dialektismen (7, 8, 9).

(5)

- Tapocki [russ.: Hausschuhe].

- Die Taitsche sage «Hausschuh», das weiss ich. Mir sage wie die russe Lait -Tapke.

(6)

- Pomidory [russ.: Tomaten].

- Tomate, aber in Torf wert prosto [russ.: einfach] gezacht: «Pomitore», Po-mitore tes is rusis.

(7)

- Babuschka [russ.: Großmutter].

- Mir sache «Muder» iwer die Grossmutter. Iwer die Mama sache «Mama», nicht Muder. In Taitschlant tie sache «Muder», «Muti», a [russ.: und] mir sache «Mama».

(8)

- Do svidanija [russ.: auf Wiedersehen].

- «Atjei» - eto my govorili [russ.: so was wir haben gesagt], «Afs Wiedersehen» - eto v gorode, eto po literaturnomu [russ.: das ist in der Stadt, das ist auf Literatursprache].

(9)

- Tualet [russ.: Toilette].

- Nu, voobsceto [russ.: eigentlich], literatirisch heißt tes «Tualete» [russ.: Toilette], aber mir sage «Abtritt».

Diese Gruppe der Metatexte kann auch Informationen über sprachinterne paradigmatische Relationen enthalten, z.B. das zu kommentierende Wort wird anhand von Synonymen und Antonymen (10, 11, 12), gleichstämmigen Wörtern (13, 14), sinnverwandten Wörter oder von Wörtern aus demselben semantischen Feld (15) erläutert.

(10)

- Saraj snosit ’[russ.: Schuppen abreissen].

- Nu ja, lomat’ [russ.: brechen] - tes aprisen, apreise, no stroit’ [russ.: aber bauen] - pau.

(11) „

- Cuvstvovat ’ [russ.: spüren].

- Ich spiir, nu falaicht «fiil».

(12)

- Nogi [russ.: Beine].

- Mir sache «Beine» oder «Fiis» in Taitsch.

(13)

- Skatert ’ [russ.: Tischdecke].

- Mir sage «Tischtuch». Das is Kopftuch, tes is Tischtuch, da is Schnuptuch.

Da is nasovoj platok [russ.: Nasentuch]. Mir sage «Nim zu Schnube». Und mir

sage tes alle, alle mit Tuch.

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(14)

- Navolocka [russ.: Kissenbezug].

- Kisezuch - navolocka [russ.: Kissenbezug]. Kise - eto poduska [russ.: das ist Kissen], unt Zuch mmm..., oder die Deckezuch.

(15)

- Vjazat ’ [russ.: stricken].

- Nu ja, tas hat gehaist hejgle, hejgle ... hejgle unt strige, das heisst mit die igolki [russ. : Nadeln], mit hejgel sage mir hejgle, aber strige - eto sarf [russ.: Schal].

In der zweiten Gruppe der Metatexte erfolgt die Semantisierung der Lexik durch Demonstration eines kommunikativen Aktes (charakterisierende Strategie), in den das zu erklärende Wort einbezogen ist. Es wird eine typische Situation der Ve r-wendung des Wortes geschildert und die Rede einer konkreten Person / konkreter Personen angeführt (16, 17). Oft verweisen die Befragten auf die ganze sprachliche Gemeinschaft (18) oder zitieren sich selbst.

(16)

- Starik [russ.: der Alte].

- Nu jaa, tie Taitsche sage «mein Aldr», und Borgarter ..., Borgart is n Torf, hat nebn Marxstadt geleje, unt tie sint Borgarter. Da ware komicnye zensciny [russ.: komische Frauen], da sint uns beigegange unt ... eine Scheibe keputzt, stekline [russ.: das Glas], unt tie - «tein Mann hat mir tie ganze Scheibe oigerotzt», ну по-своему - «oigerotzt», so was habe ich gehert.

(17)

- Djadja [russ.: Onkel].

- Mir sage «Ongel», und weldje [einige] sage «Veder». Вот [russ.: zum Beispiel] Boregarder, die sage «Feder», oder «das is mein Tande», und die sage «tes is ma Wejs».

(18)

- Ne tak davno [russ.: vor kurzem].

- Nu mir sage: «nicht so lang», oder wert ksacht: «tie Taache», «tie Taache es ist passiert», oder «tie Taache wert ich komme», vot [russ.: na], ... esce govorjat [russ.: man sagt noch] «tie nächste Taage» - blizaisie dni [russ.: die nächsten Tage], vot takoe toze vyrazenie est ’ [russ.: so eine Redewendung haben wir auch].

Dieser Typ der Wortdeutung enthält wichtige pragmatische Informationen und lässt syntagmatische Beziehungen zwischen den Wörtern erkennen: lexikalische Kombinierbarkeit, typische kontextuelle Umgebung des Wortes, Valenz der Verben usw. Die Metatexte dieser Gruppe informieren oft über die idiomatischen Mittel der Sprache (19, 20).

(19)

- ...mir sage: «daham is daham, aber hinter Ouwe is noch mal daham»...

(20)

- ... nu, als gegen Mensch gesagt «ter ist halbe Mist», wie Mistholz faul -lenivyj [russ.: faul].

Für die Wortsemantisierung in den Metatexten der dritten Gruppe (identifizierende Strategie) dient das Verständnis des Befragten über die Relation zwischen

dem Wort und dem bezeichneten Gegenstand. In diesen Metatexten wird die Bedeutung ausführlich und unter Angabe (prototypischer) semantischer Merkmale des Wortes erläutert. Die nach dieser Wortdeutungsstrategie aufgebauten Metate x-te kommen sehr selten vor. Die Befragten greifen auf diese Strategie zurück, falls ein Äquivalent in der russischen Sprache fehlt oder eine semantische Ungleichheit der lexikalischen Einheiten des Russischen und der Mundart vorliegt (21, 22).

(21) ^

- Cistyj [russ.: sauber].

- Ach tu ja, ich rechen - ja scitaju [russ.: ich meine], wenn man ka Staup nicht seht ... nu die Wend sint gemaalt, geweisst, weisse - eto belit’ [weißen], is Ortnung was, is sauber.

(22)

- Razdelyvat ’ kuricu [russ.: ein Huhn schlachten].

- Und da verzähle ja ich mich wie die Hingel durchschlachte: Stell mich mit s Bein druf, iwer Tuch mit Beine - Beine, Fiis. Mir saache «Bein druf», ja? Dann nehm ich s Messer, und dann durch die Fleger hinher, ... ausgeschlacht, sind Gedärme raus, der Kop ab, die Beine ab, alles... .

Die angeführten Beispiele zeigen, dass die Metatexte, die der Wortschatzseman-tisierung in der Mundart dienen, nur aus Gründen einer ersten Analyse in drei Gruppen geteilt werden. Im Rahmen eines Metatextes können gleichzeitig verschiedene Strategien der Wortdeutung zur Anwendung kommen.

Die in der hochdeutschen Standardsprache erstellten Fragebücher hatten auch ihre Vorteile und Nachteile. Einerseits sorgten sie für die psychologische Spannung, die zwischen dem Interviewer und dem Befragten beim Einsatz solcher Fragebögen entstand. Oft weigerten sich die in hochdeutscher Sprache interviewten Befragten, ihre Mundart zu sprechen, weil sie sich ihrer „nicht richtigen“ Muttersprache schämten. Manchmal wurde das Sprachverhalten der Befragten unnatürlich, beim Sprechen versuchten, sich an die Normen der hochdeutschen Standardsprache zu halten.

Andererseits regt die deutsche Standardsprache des Fragebuches die Befragten zur Produktion der Metatexte an, deren Gegenstand grammatische und phonetische Merkmale der Mundart bildeten. Die grammatischen und phonetischen Erscheinungen des Standarddeutschen, die von den Normen der Mundart abweichen, wurden von den Befragten erkannt, korrigiert und kommentiert. Oft weisen die Befragten auf die Reduzierung des Kasusparadigmas der Personalpronomen (23), Reduktion der unbestimmten Artikel (24), den Ausdruck des Besitzverhältnisses durch den possessiven Dativ (25), den Verlust der Pluralendung -e bei den maskulinen Substantiven (26) hin.

(23;

- Gib mir.

- Mir is literaturisch, a [russ.: aber] mich - etopo derevenski [russ.: so sagt man im Dorf].

(24)

- Ich habe einen Hund.

- Mir sacheprosto [russ.: einfach] in Dorf: «Ich hap n, n Hunt».

(25)

- Das ist ein Haus von ihr.

- Sei mam ihr Haus -ja po drugomu i ne mogu, ono korotko i vse [russ.: ich kann anders nicht, das ist kurz und alles]!

(26)

- Viele Tage.

- Viel Tach! Zwei, drei Tach sint rum!

Unter den phonetischen Besonderheiten wurden die Spriantisierung von «g» (27), Monophthongierung der Diphtonge (28), Velarisierung von «l» (29) u.a. betont.

(27)

- Berge.

- Pisetsja tam [russ.: da wird geschrieben] «g», no my govorim [russ.: aber wir sagen] «Berche»!

(28)

- Laufen.

- My ne govorim [russ.: wir sagen nicht] «lauwe», eto gorodskije tak govorili [so haben die Stadteinwohner gesagt] «lauwe», mir sache «laaw».

(29)

- Wolf.

- Tol’ko ne [aber nicht] Wolf, my ne govori, tak mjagko [wir sprechen nicht so weich aus], mir sage «Wolf». *

Die lexikalisch-semantischen Erscheinungen werden in diesen Metatexten nur selten kommentiert: das sind vorwiegend Äußerungen über die auffallenden Merkmale der eigenen Mundart im Vergleich zu der deutschen Standardsprache, z.B. Lakunen oder Dialektismen (30):

(30)

- Verwandte.

- Mir sache «Frainde», ne [russ.: nicht] Freunde, a [russ.: sondern] Frainde. Aber das heisst nicht Frainde, das heisst Verwandte. Frainde das ist drug [russ.: Freund]. Von Daitschen habe ich das geheert. Mir sage «Frainde» iwer die Verwandte.

Wie aus den Beispielen ersichtlich, sind die Metatexte, in denen phonetische und grammatische Besonderheiten der erforschten Mundart kommentiert werden, weniger ausführlich im Vergleich zu den Metatexten, die sich der lexikalischsemantischen Seite der Mundart widmen. Oft können sie als verdeckte Metatexte bezeichnet werden: sie beschränken sich auf die besondere stärkere Betonung einer Silbe oder eines Buchstabens im Wort, die Wiederholung eines Wortes oder eines Wortteils. Auf diese Weise wird die Eigenheit der Form eines mundartlichen Wortes im Vergleich mit dem Äquivalent des Standarddeutschen hervorgehoben.

Die Analyse des Korpus der von den Russlanddeutschen des Gebiets Tomsk (Koschwenkowo) produzierten Metatexte hat ergeben, dass die Russlanddeutschen

* Der Informant hebt mit der Stimme das velarisierte «l» hervor.

sich aktiv mit der sprachlichen Wirklichkeit gedanklich auseinandersetzen. Zu den Faktoren, die diesen Prozess begünstigen, zählen Bilingualismus und Diglossie.

Die im Laufe der freien Gespräche dokumentierten Metatexte liefern Informationen über Spracheinstellung der Informanten und soziolinguistische Parameter ihrer Muttersprache. Das linguistische Experiment mit dem Einsatz der Fragebücher motiviert die Informanten über auffallende Merkmale des Dialektsystems im Vergleich mit dem Russischen und der hochdeutschen Standardsprache zu berichten.

Der Charakter der von den bilingualen Sprechern produzierten Daten kann je nach der Wahl der Vermittlersprache variieren. Beim Vergleich zweier verschiedener Sprachen kommentieren die Befragten die lexikalisch-semantischen Besonderheiten ihrer Mundart. Werden die Befragten mit Varietäten einer Sprache konfrontiert, beziehen sich ihre Kommentare vorwiegend auf die phonetischen und morphologischen Merkmale (siehe Abb. 1).

Die verbalisierte sprachliche Reflexion ist fragmentarisch, mosaikartig: eine vollständige Beschreibung des Dialektsystems auf Grund der in den Metatexten enthaltenen Informationen ist unmöglich. Trotzdem können die Metatexte zur Überprüfung der mit traditionellen dialektologischen Methoden gewonnen Erkenntnisse dienen und dadurch gut im Rahmen der Data Triangulation (Kombination verschiedener Datenquellen) funktionieren.

Abbil. 1. Der Zusammenhang zwischen der Vermittlersprache (Sprache der Kommunikation zwischen dem Interviewer und dem Informanten) und dem Charakter der während der Untersuchung produzierten Daten.

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3. Ростова А. Н. Метатекст как форма экспликации метаязыкового сознания (на материале русских говоров Сибири) [Текст] / А. Н. Ростова. - Томск: Изд-во Том. ун-та, 2000. - 193 с.

4. Anders C. A. Wahmehmungsdialektologie: das Obersächsische im Alltagsverständnis von Laien [Text] / C. A. Anders. - Berlin: de Gruyter, 2010. - 466 S.

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6. Deminger S. Spracherhalt und Sprachverlust in einer Sprachinselsituation: Sprache und Identität bei der deutschen Minderheit in Ungarn [Text] / S. Demi n-ger. -Frankfurt am Main: Peter Lang, 2004. - 231 S.

7. Franceschini R. Leben mit mehreren Sprachen: Sprachbiographien [Text] / Franceschini R., Miecznikowski, J. - Bern: Peter Lang, 2004. - 254 S.

8. Gärtig A.-K. Wie Menschen in Deutschland über Sprache denken: Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativerhebung zu aktuellen Spracheinstellungen [Text] / Gärtig A.-K., Plewnia, A., Rothe, A. - Mannheim: Institut für deutsche Sprache, 2010. - 309 S.

9. Molitor E. Sprachgefühl und Sprachbewußtsein am Beispiel des Subjonctif nach apre que: eine empirische Untersuchung [Text] / E. Molitor. - Göttingen: Peust & Gutschmidt, 2000. - 136 S.

10. Nemeth A. Dialekt, Sprachmischung und Spracheinstellungen: am Beispiel der deutscher Dialekte in Ungarn [Text] / A. Nemeth. -Tübingen: Narr, 2010. -246 S.

11. Treichel B. Identitätsarbeit, Sprachbiographien und Mehrsprachigkeit. Autobiographisch-narrative Interviews mit Walisern zur sprachlichen Figuration von Identität und Gesellschaft [Text] / B. Treichel. - Frankfurt am Main: Lang, 2004.

- 305 S.

12. Werlen E. Studien zur Datenerhebung in der Dialektologie [Text] / E. Wer-len. - Wiesbaden: Steiner, 1984. - 369 S.

13. Werlen E. Variation in der Feldforschung: Triangulation [Text] / E. Werlen // Vom Umgang mit sprachlicher Variation: Soziolinguistik, Dialektologie, Methoden und Wissenschaftsgeschichte. -Tübingen: Francke, 2000. - S. 99-109.

Исследование выполняется при финансовой поддержке Гранта Президента РФ молодым учёным (МК-4113.2012.6)

Вербицкая Ольга Михайловна

Кандидат филологических наук, доцент кафедры иностранных языков и лингводидактики Федерального государственного бюджетного образовательного учреждения высшего профессионального образования "ВосточноСибирская государственная академия образования", г. Иркутск, Россия Рузавина Ольга Андреевна

Учитель английского языка Муниципального бюджетного общеобразовательного учреждения "Средняя образовательная школа № 27", г.Иркутск, Россия

УДК 81.38 ББК 81.00

К ВОПРОСУ ОБ АМБИВАЛЕНТНОЙ СУЩНОСТИ ДИСКУРСИВНОГО ПРОСТРАНСТВА РОМАНА ЭНТОНИ БЁРДЖЕССА “A CLOCKWORK ORANGE”

В статье рассматривается амбивалентная сущность дискурсивного пространства романа Э.Бёрджесса “A Clockwork Orange”. Выявляются релевантные черты конфликтной амбивалентной языковой личности, её тезаурус и ценностные доминанты.

Ключевые слова: амбивалентная сущность; дискурсивное пространство; речевые партии; речевое поведение; тезаурус.

AMBIVALENT ESSENCE OF DISCURSIVE SPACE OF ANTHONY BURGESS’S NOVEL «A CLOCKWORK ORANGE»

The article deals with the phenomenon of an ambivalent discursive space within the novel by Anthony Burgess “A Clockwork Orange”. Differentiating purpose and characteristics are determined as the means of representing an ambivalent language person.

Key words: ambivalent essence; discursive space; speech parties; speech conduct, thesaurus.

Мы - источник веселья - и скорби рудник, Мы вместилище скверны - и чистый родник. Человек - словно в зеркале мир, - многолик, Он ничтожен - и он же безмерно велик.

Омар Хайям

В современных лингвистических исследованиях важным модусом считается дискурсивное пространство произведения как единство контрастов, вклю-

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