are, in fact, «slaves» because they do not know that the name «Slav» has nothing to do with «slave» but is derived from the word «slaviti», which means: «praise God», being pious.
In order to help create a world in which there is more understanding and less misunderstanding, we should try hard to learn as many important languages as possible and thus get rid of all stupid prejudices, which can and very often do cause a lot of suffering, for «ignorantia est origo omnium malorum» = «ignorance is the source of all evils».
References
1. Goethe, J. W. Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Artemis Verlag Zürich und Stuttgart, zweite Auflage, 1961.
2. Klein, Ernest. A Comprehensive Etymological Dictionary of the English Language, Unabridged Edition. Elsevier Scientific Publishing Company. Amsterdam, Oxford, New York, 1973.
3. The Revised Standard Version Common Bible. An Ecumenical Edition. Collins, 1973. УДК 378.4(430)(045)
Pez, Peter
Leuphana University Lüneburg, Lüneburg, Germany
Reuther, Hanna Goethe University, Francfort/Main, Germany
ERFAHRUNGEN MIT DER UMSTELLUNG AUF BACHELOR- UND MASTERPROGRAMME IN DEUTSCHLAND UND AN DER LEUPHANA UNIVERSITÄT LÜNEBURG IM ZUGE DER BOLOGNA-REFORM
The Bologna reform instigated the EU-wide implementation of bachelor's and master's degrees. This process is now well advanced and the bachelor's and master's system is also being adopted outside the European Union. Apart from a number of positive effects from this two-cycle system of study, other expected aims of the reform have not been achieved and there is no certainty that they will be achieved in future. For example, currently the introduction of the module system has actually made it more difficult for students to change their place of study and therefore reduced rather than promoted national and international student mobility. There has also been a significant increase in bureaucratization connected with the modular system, and this partly limits the transparency which is expected from this type of system in principal. Furthermore, many students as well as teaching staff complain about the increase in course assessments. Nevertheless, in Germany, and in particular in several aspects of the implementation of the reform process at Leuphana University Lueneburg, it can be shown that it is possible to compensate for some of the disadvantages resulting from the educational reform. To achieve this, one important goal must be to build into the study programs as much freedom as possible for students and teaching staff.
Keywords: Bologna reform, bachelor's program, master's program, Leuphana study model
Zusammenfassung
Die Bologna-Reform sah die EU-weite Implementierung von Bachelor- und Master-Abschluessen vor. Dieser Prozess ist weit vorangeschritten und wird auch ausserhalb der Europaeischen Union aufgegriffen. Neben etlichen positiven Wirkungen des zweistufigen Studiensystems wurden andere intendierte Ziele der Reform nicht erreicht und ihre
Erreichung ist auch zukuenftig offen. So behindert derzeit beispielsweise die konkrete Ausfuehrung der Modularisierung den Studienortwechsel und damit die nationale und internationale Mobilitaet von Studierenden anstatt sie zu foerdern. Auch ist mit der Modularisierung ein hohes Mass an Buerokratisierung verbunden, welches die durch das Studiensystem prinzipiell hergestellte Transparenz teilweise wieder eingrenzt. Ferner klagen viele Studierende wie Lehrende unter der Pruefungsbelastung. Die Umsetzung des Reformprozesses in Deutschland und insbesondere an der Leuphana Universitaet Lueneburg kann aber zumindest in einigen Aspekten zeigen, dass manche Nachteile der Studienreform kompensierbar sind. Ein wichtiges Ziel muss dabei sein, in den Studienprogrammen moeglichst viele Freiheiten fuer Lehrende und Lernende einzubauen.
1. Strukturen des Bologna-Prozesses
Ausgangspunkt der Studienreform war die Sorbonne Deklaration 1988, in der die Bildungs- bzw. Wissenschaftsminister Frankreichs, Grossbritanniens, Deutschlands und Italiens eine Harmonisierung ihrer Hochschulsysteme beschlossen, und insbesondere die Bologna Deklaration vom 19.6.1999, in der sich die fuer Hochschulbildung zustaendigen Minister von 29 europaeischen Staaten auf die Schaffung eines Europaeischen Hochschulraumes bis 2010 einigten (Maassen 2004, S. 11-12). Deutschland war seit Beginn an diesem Prozess beteiligt, Russland hat die Deklaration im Jahr 2003 unterschrieben (HRK 2006, S. 11). Die Vereinbarung besteht aus sechs Hauptzielen (Maassen 2004, S. 12-13):
• Einfuehrung eines Studiensystems leicht verstaendlicher und vergleichbarer Abschluesse,
• Gliederung des Studiensystems in zwei aufeinander aufbauende Zyklen (Bachelor, Master),
• Etablierung eines Verrechnungssystems fuer Studienleistungen in Form von Kreditpunkten (European Credit Transfer System ECTS),
• Foerderung studentischer Mobilitaet,
• Foerderung der europaeischen Kooperation in der Qualitaetssicherung von Hochschulausbildung,
• Foerderung des europaeischen Gedankens, z. B. durch Auslandsstudienphasen oder die Adaption von Anforderungen eines integrierten europaeischen Arbeitsmarktes.
Vier ergaenzende Ziele wurden anlaesslich der Folgekonferenzen in Prag (2001) und Berlin (2003) hinzugefuegt (Maassen 2004, S. 13-14). In ihnen geht es unter anderem um die Foerderung des Prinzips lebenslangen Lernens - z. B. durch Schaffung bzw. Ausbau von Weiterbildungsangeboten an Hochschulen fuer Berufstaetige - um die Foerderung der Promotionsausbildung und die Etablierung eines europaweiten Forschungsraumes. Weitere Folgekonferenzen fanden in Bergen (2005), London (2007), Leeuwen (2009) und Budapest/Wien (2010) statt. Mit der «Bologna Follow-up group» (BFUG), die sich zuletzt in etwa halbjaehrigem Turnus traf, und dem Aufbau eines staendigen Sekretariates wurde ueber die genannten Konferenzen hinaus die Foerderung und Kontrolle des Umsetzungsprozesses verstetigt. Allerdings kommt diesen Einrichtungen nur eine beratende und registrierende, keine exekutive Funktion zu, die beteiligten Staaten sind fuer die Umsetzung eigenverantwortlich (Bologna Follow Up Group 2012).
2. Bologna-Prozess in Europa und Deutschland
Der Umsetzungsprozess ist in Europa weit gediehen (EUA 2010): Circa 95 % der europaeischen Hochschulen hatten im Jahr 2010 Bachelor- und Masterstudiengaenge eingefuehrt, an ca. 77 % der Hochschulen gilt das fuer alle angebotenen Studienprogramme; die umfangreiche Beschreibung von Lernergebnissen in Form von Kompetenzen, die durch das jeweilige Studienprogramm erworben werden, ist an ca. 53 % der Hochschulen in Europa umgesetzt worden. Regional betrachtet ist die Implementierung der Studienreform in West-, Mittel- und Suedosteuropa weitgehend komplett vollzogen worden, darunter auch in Nicht-EU-Staaten wie z. B. mehreren Balkanlaendern, Georgien, Armenien und der Tuerkei. Nur Ungarn, Litauen und Estland hinken dem Prozess etwas hinterher. Osteuropa befindet sich noch am Beginn der Umstellung.
Innerhalb Deutschlands war die Uebernahme der Bachelor- und Masterstruktur nicht unumstritten, denn insbesondere der Diplomabschluss besass international eine hohe Anerkennung. Da die Hochschulausbildung wie die Schulausbildung in die Regelungskompetenz der Bundeslaender faellt, waere ein erhoehtes Konfliktpotenzial zwischen den Laendern und der Bundesregierung durchaus denkbar gewesen. Die unbefriedigenden Leistungen deutscher Schueler in PISA-Tests und verbreitete Sorgen um Mobilitaet der Studierenden und internationale Anschlussfaehigkeit der deutschen Ausbildung in der Hochschulrektorenkonferenz, in der Kultusministerkonferenz und im Wissenschaftsrat sorgten jedoch dafuer, dass alle zustaendigen Landesminister beschlossen, die Bologna-Reform zu uebernehmen (vgl. Pongratz 2009, S. 21, Maassen 2004, S. 17-19, 21-22). Diese klare Richtungsvorgabe liess Einsprueche kaum noch als Erfolg versprechend erscheinen, sodass fortan die Bemuehungen der Universitaeten mehrheitlich darauf gerichtet waren, die Umstellung administrativ auszugestalten. Dementsprechend hoch ist der Uebernahmegrad der Bachelor-und Masterabschluesse im Jahr 2011 (HRK 2011, S. 10):
• Agrar-, Forst- und Ernaehrungswissenschaften: 95,9 %
• Gesundheitswissenschaften, Medizin: 81,3 %
• Ingenieurwissenschaften: 95,9 %
• Kunst und Musik: 68,4 %
• Mathematik, Naturwissenschaften: 84,9 %
• Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften: 94,0 %
• Sprach- und Kulturwissenschaften: 74,7 %
• Insgesamt in Deutschland: 85,3 %
Einen dementsprechenden Trend weisen auch die Studierendenzahlen in den Bachelor- und Masterstudiengaengen auf. Studierten im Wintersemester 1999/2000 erst 0,4 % der deutschen Studierenden in einem Bachelor-/Masterprogramm, waren dies im Wintersemester 2010/2011 60,2 % (HRK 2011, S. 21 ), bei den Studienanfaengern stieg die Quote im selben Zeitraum von 1,2 % auf 77,7 % (HRK 2011, S. 22).
Im Gefolge der Umsetzung der Studienreform gab es drei moegliche Varianten fuer die zeitliche Bemessung der Bachelor- und Masterprogramme (KMK 2010):
• Bachelor 6 Semester, Master 4 Semester
• Bachelor 7 Semester, Master 3 Semester
• Bachelor 8 Semester, Master 2 Semester
Die 6+4-Variante hebt sich dabei als bevorzugt ab und setzt sich augenscheinlich durch; 69 % der Bachelorprogramme in Deutschland sind fuer eine Laenge von 6 Semestern und 77 % der Masterstudiengaenge fuer eine Laenge von 4 Semestern vorgesehen (HRK 2011, S. 14). Dabei ist zu bedenken, dass die zeitliche Abstimmung nur fuer konsekutive
Studienprogramme innerhalb einer Hochschule gilt. Es kann durchaus passieren, dass ein Bachelorgrad an der einen Universitaet nach 7 oder 8 Semestern vergeben wird und die Hochschule ihr eigenes, anschliessendes Masterprogramm mit 3 bzw. 2 Semestern daran angeglichen hat, eine andere Universitaet jedoch das 6+4-System bevorzugt und nur den viersemestrigen Master offeriert; umgekehrt waere natuerlich auch eine 6+2 (oder 3) Variante denkbar. Es ist mithin nicht ausgeschlossen, dass in Folge eines Studienortwechsels die Studierenden eine laengere oder auch kuerzere Ausbildung absolvieren als die 10 Semester, die fuer beide Zyklen zusammen als Regelstudienzeit vorgesehen wurden. Waehrend die laengere Ausbildungszeit vermutlich auf dem freien Arbeitsmarkt keine nachteilige Bedeutung erfahren wird, koennte eine kuerzere BA-MA-Konstellation eventuell fuer bestimmte Positionen im oeffentlichen Dienst (z. B. bei Verbeamtung im hoeheren Dienst) oder fuer einen Promotionsbeginn erschwerend wirken, insofern Auflagen zum Erwerb zusaetzlicher Kreditpunkte denkbar waeren. Dies waere aber kein ernstliches Problem, koennte es doch nur darum gehen, jene Kreditpunkte nachzuholen, die zur Zahl aufschliesst und die man zuvor «gespart» hatte. Als bedeutenderer struktureller Vorteil zweier Zyklen bleibt festzuhalten, dass die Abfolge von Studium und Beruf flexibler wird. Neben einem direkten Anschluss eines Masterprogramms an ein Bachelorstudium besteht nun die Moeglichkeit, eine berufliche Phase dazwischen zu schalten. Aus der Perspektive einer staerkeren Verzahnung von Theorie und Praxis ist das ebenso zu begruessen wie aus der Sicht, dass eine erste berufsfeldqualifizierende Hochschulphase bereits nach drei Jahren zu einem Abschluss fuehrt, insgesamt also die Moeglichkeit eines frueheren Arbeitsmarkteintrittes besteht. Angesichts des demographischen Wandels alternder Gesellschaften mit zukuenftig sinkenden Erwerbspersonenzahlen ist dies positiv zu werten und steht im gemeinsamen Kontext mit der Verkuerzung der Schulausbildung, die in Deutschland zur Hochschulreife fuehrt, von 13 auf 12 Jahre. Die weitere akademische Spezialisierung durch ein Masterstudium richtet sich unter diesen Umstaenden eher an jene, die eine Karriere im Bereich der Forschung suchen oder sich fuer hoehere Leitungspositionen auf dem Arbeitsmarkt qualifizieren wollen. Weitere Aspekte von Flexibilitaet des zweistufigen Studiensystems liegen in den Optionen, die inhaltliche Schwerpunktsetzung des Bachelorstudiums im spaeteren Masterstudium - innerhalb bestimmter Grenzen (in der Art von der jeweiligen Hochschule definierter fachlicher Voraussetzungen) - zu veraendern oder den Studienort innerhalb des Landes zu wechseln bzw. das Masterstudium in einem anderen Land zu absolvieren. In diesem Sinne staerken die zwei Zyklen das Prinzip des lebenslangen Lernens; so ist bei veraenderten persoenlichen beruflichen Interessen, bei neuen Anforderungen des Arbeitsmarktes oder bei einem Wohnortswechsel ein spezifisches Masterstudium leichter anschliessbar.
3. Strukturelemente des Bachelor-/Mastersystems
Basis des neuen Systems ist die Modularisierung, einhergehend mit der Verlagerung und damit verbundenen vielfachen Aufteilung akademischer Pruefungen auf die einzelnen Module (vgl. zur Modularisierung Maassen 2004, S. 37-42). Ein Modul umfasst mindestens eine Lehrveranstaltung, haeufig werden mehrere, miteinander inhaltlich zusammenhaengende Lehrveranstaltungen kombiniert. Passend ist in diesem Sinne die Verknuepfung von Vorlesung und Uebung - in Ersterer wird Lehrstoff ueberwiegend praesentiert, in Letzterer sollen Uebungsaufgaben die Inhalte festigen. Bei einem ergaenzenden Seminar zu einer Vorlesung geht es hingegen meist um die Vertiefung ausgewaehlter Bestandteile. Tutoriate sind eine weitere, haeufig genutzte Kombinationsform sowohl fuer Vorlesungen als auch fuer Seminare, sie dienen zur Nachbesprechung der Lehrinhalte unter Anleitung eines
studentischen Tutors. Schliesslich werden in mehreren Fachgebieten auch Tagesexkursionen mit den Lehrveranstaltungen kombiniert, um das Gelehrte an praktischen Beispielen zu verdeutlichen.
Fuer jedes Modul werden Kreditpunkte gemaess dem European Credit Transfer System (ECTS) vergeben (vgl. Maassen 2004, S. 43-45, Haerter/Wunderlich 2009), in Uebernahme der englischen Bezeichnung «creditpoints» ueblicherweise abgekuerzt mit CP. 1 CP steht dabei fuer eine Arbeitsmenge (workload) von 30 Stunden. Pro Semester wird die Ableistung von 30 CP, pro Jahr folglich 60 CP erwartet. Das sind 1.800 Jahresarbeitsstunden und dieser Wert entspricht in etwa der tariflichen Jahresarbeitszeit auf dem europaeischen Arbeitsmarkt. Fuer ein 6-semestriges Bachelorprogramm folgt daraus ein Anspruch von 180 CP, bei 8 Semestern sind es 240 CP. Fuer die Masterprogramme mit ihren 2- bis 4-semestrigen Studienzeiten wird analog der Erwerb von 60-120 CP erwartet. Konsekutive Studienprogramme einer Universitaet duerfen, wie schon erwaehnt, nicht laenger als 10 Semester dauern, also bis zu 300 CP beanspruchen. Dabei ist der Aussagewert der Kreditpunkte beschraenkt auf die quantitative Arbeitsleistung und die Feststellung, dass die abschliessende Modulpruefung bestanden wurde. Die Benotung ist nicht teil des Kreditpunktesystems, sie erfolgt separat. Die Bewertungen der Module bestimmen bei der Zeugniserstellung die Abschlussnote, gewichtet durch die Kreditpunkte. So geht ein Modul, das einen Zeitaufwand von 10 CP verlangt, mit dem doppelten Gewicht in die Endnote ein wie ein Modul mit 5 CP. An der Leuphana Universitaet Lueneburg wurde im Rahmen eines Vergleiches der Semesterwochenstunden (SWS) der alten Studiengaenge und der neuen Studienprogramme berechnet, wie viele Semesterwochenstunden fuer die genannten Kreditpunktgroessen aequivalent sind. Demnach entsprechen 5 CP etwa 2-3 SWS, 10 CP 4-5 SWS - dies sind auch die Vorgaben, die in Lueneburg zum Standard geworden sind. Anders als an anderen Universitaeten hat man sich naemlich dazu entschlossen, einheitliche Modulgroessen zu verwenden. Meist sind dies Module von 5 CP, groessere Module koennen ein Vielfaches von 5 CP verwenden, wobei fuer Lehrveranstaltungen aber nur Module mit 10 CP Verwendung finden. Das groesste Modul ist die Bachelorarbeit (englisch: Thesis), die zusammen mit der «Bachelorkonferenz» - einer kolloquiumsartigen Vorstellung der einzelnen Projekte der Abschlussarbeiten mit beratender Diskussion - 15 CP beansprucht. Im Unterschied zu den Diplom-, Magister- und Examensarbeiten sind Bachelorarbeiten aufgrund ihres Workloads deutlich kuerzer, naemlich 9 Wochen statt 4-6 Monate. Das hat einschraenkende Konsequenzen fuer Inhalt und Methodenwahl der Arbeiten, aber die deutschen Hochschulen koennten - wenn sie es wollten - hiervon nicht abweichen, weil eine Vorgabe der Kultusministerkonferenz nur 6-12 CP fuer die Bachelorarbeit vorsieht. Der Wert von 15 CP entsteht in Lueneburg durch die genannte Bachelorkonferenz (rechnerisch: 12+3 CP). Die Abschlussarbeiten der Masterphase sind demgegenueber in ihrer zeitlichen Bemessung und damit ihrer inhaltlichen Tiefe den Abschlussarbeiten der alten Studiengaenge gleichgestellt.
Wesensmerkmal der Modularisierung ist nicht nur das geschilderte Berechnungssystem fuer die Studienleistungen, sondern ein weiterer Kerngedanke ist die Standardisierung. Studienleistungen in Form von Modulen sollen austauschbar sein, was eine recht genaue Definition der vermittelten Inhalte voraussetzt. Dies soll die Modulbeschreibung leisten. Fuer jedes Modul werden standardisierte Angaben erhoben und im Modulhandbuch fuer ein Studienprogramm zusammengefasst. Diese standardisierten Angaben enthalten folgende Elemente (vgl. Haerter/Wunderlich 2009):
• Modultitel und eine administrativ vergebene Modulnummer (zur Erleichterung bei der elektronischen Datenverarbeitung),
• Lehrveranstaltungen des Moduls,
• Modulverantwortliche Person(en), diese sind meist auch die Lehrenden, es kann jedoch zu Abweichungen kommen, z. B. durch den Einsatz von Lehrbeauftragten,
• Lehrinhalte, in der Praxis ist das eine Zusammenfassung des Themenplanes einer Veranstaltung,
• zu erwerbende Kompetenzen, differenziert nach inhaltlichen, methodischen, sozialen Lernzielen und Selbstkompetenz,
• Lehrform (z. B. Vorlesung oder Seminar mit begleitenden Exkursionen),
• Pruefungsleistung (z. B. Hausarbeit, Klausur, muendliche Pruefung etc.),
• Periodizitaet des Lehrangebotes, das ist in der Regel zweisemestrig, wobei anzugeben ist, ob die Lehrveranstaltung im Winter- oder im Sommersemester angeboten wird,
• Voraussetzungen fuer die Teilnahme (z. B. das erfolgreiche Absolvieren eines vorausgehenden Moduls),
• Angabe, ob es sich um ein Pflicht-, Wahlpflicht- oder Wahlmodul handelt,
• Teilnehmerkapazitaet (abhaengig von der Groesse des zugaenglichen Raumes und der Veranstaltungsart).
Ausser den Modulbeschreibungen gibt es auf Studienprogrammebene auch noch ein Transcript of Records und ein Diploma Supplement (vgl. Maassen 2004, S. 37, 65-67). Ersteres listet die von den Studierenden absolvierten Module mit ihren Bewertungen auf, Letzteres dient der Beschreibung des Ausbildungsprogrammes unabhaengig von den im Einzelfall belegten Lehrveranstaltungen. Das Diploma Supplement ist damit eine uebergreifende Beschreibung der inhaltlichen Hauptelemente eines Studienprogramms und der dabei vermittelten Kompetenzen/Qualifikationen.
4. Vorteile und Probleme des Bachelor-/Mastersystems und seiner Umsetzung
Die vorangegangene Auflistung mag es schon andeuten: Die Studienreform hat den Bedarf zur Beschreibung, was man in welcher Form, wann und mit welchen Zielen lehrt, massiv erhoeht, sodass ihr der Vorwurf einer erheblichen Buerokratisierung des Hochschulwesens gemacht wird (hierzu und zu weiteren Kritikansaetzen vgl. Liesner / Lohmann 2009, Pongratz 2009, Scholz/Stein 2009). Der Aufwand zur Erstellung des Studienprogrammes, bestehend aus Modulbeschreibungen, Transcript of Records, Diploma Supplement und einer ganzen Reihe weiterer Beschreibungen fuer die Akkreditierungsinstitution (z. B. Pruefungsordnung, ggf. mit weiteren faecherspezifischen Anlagen) ist insbesondere zu Beginn der Umstellung des Ausbildungsprogrammes ausserordentlich belastend fuer alle Beteiligten; der spaetere Aenderungs- bzw. Optimierungsaufwand ist allerdings ueberschaubar. Dauerhaft kritisch ist jedoch zu werten, dass die einmal erfolgte Standardisierung der Ausbildung die Kreativitaet fuer das Angebot thematisch neuer Lehrveranstaltungen oder auch nur bezueglich der Veraenderung der Lehrveranstaltungsart (z. B. Seminar statt Vorlesung) oder der Pruefungsform stark einschraenkt. Jede dieser Initiativen bedarf meist einer Aenderung der Pruefungsordnung oder ihrer Anlagen, womit ein Zeitverzug von mindestens einem Jahr kalkuliert werden muss. Der buerokratische Aufwand zur Verwaltung des Ausbildungssystems ist deshalb auch auf Dauer deutlich hoeher als bei den flexibleren Magister-, Diplom- oder
Examensstudiengaengen, deren Pruefungs- und Studienordnungen sowieso schon mehr Freiheiten bei der Gestaltung des Lehrangebotes beliessen. Grund dafuer ist der Uebergang von den punktuellen Pruefungen der alten Studiengaenge zur kontinuierlichen Leistungsueberpruefung in den neuen Studienprogrammen. Da nunmehr jede Modulleistung in die Endnote eingeht, wird pruefungsrechtlich aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ein viel hoeherer Standardisierungsgrad abgeleitet als er bei den frueheren Leistungsnachweisen erforderlich war, welche nur eine Pruefungs v o r leistung darstellten, also eine Leistung, die nur zur Zulassung zur Zwischen- oder Endpruefung diente.
Der Buerokratisierung wird entgegengehalten, dass die Studienprogramme nun transparenter fuer Studieninteressierte und Studiengangwechsler sind. In der Tat werden sehr viel mehr Informationen ueber Lehrveranstaltungen dargelegt und dies nicht nur fuer das jeweils anstehende Semester, sondern fuer ein ganzes Studienprogramm. Bei intensiver Kenntnisnahme der Modulbeschreibungen ist es fuer angehende Studierende womoeglich leichter, einen Eindruck von dem Studium zu erhalten, fuer das sie sich interessieren. In der Praxis ist jedoch immer wieder festzustellen, dass die Modulhandbuecher nicht so umfassend gelesen oder viele Inhalte vor allem der Veranstaltungen in hoeheren Semestern in Umfang und Schwierigkeitsgrad nicht realistisch eingeschaetzt werden koennen. Die frueheren Studienordnungen oder Studienempfehlungen, die sich auf eine Nennung der Themen von Pflicht-/Wahlpflicht- und Wahlveranstaltungen mit ihren SWS-Angaben beschraenkten, waren sicherlich nicht so informationsgeladen, aber dafuer uebersichtlicher. Auch dem Argument, dass die Umstellung auf die neuen Studiengaenge in besonderer Weise didaktische und methodische Curriculardiskussionen anstoesst, die zur Verbesserung der Lehre fuehren, ist zwar einerseits zuzustimmen, dieser einmalige Vorteil wird aber andererseits durch den genannten hohen administrativen Aufwand bei selbst geringfuegiger Veraenderung von Studienprogrammen schnell wieder aufgezehrt, sodass allfaellige Verbesserungen womoeglich bis zu einer groesseren Novellierung unterbleiben.
Ein sehr gewichtiger Nachteil der Modularisierung ist ihre mangelnde Aequivalenz. Die genaue Definition der Inhalte und weiterer Parameter von Veranstaltungen ist sicherlich eine notwendige Voraussetzung fuer eine Vereinheitlichung und damit Austauschbarkeit von Modulen zwischen europaeischen Hochschulen, es fehlt aber das Entscheidende: eine Regelungsinstanz, die die Vereinheitlichung hinsichtlich Inhalten und Modulgroessen verpflichtend leistet. In der Praxis kreiert jede Hochschule ihr eigenes Modulsystem mit der Folge, dass Inhalte und erst recht die Bemessung mit Kreditpunkten alles andere als einheitlich sind. Man kann geradezu von einem akademischen Wildwuchs sprechen, denn die meisten deutschen Universitaeten arbeiten mit variierenden und selbst zwischen den Fakultaeten nicht vereinheitlichten Modulgroessen, z. B. 2, 3, 8, 9 oder 12 CP pro Modul. Die Antworten auf die Frage einer sinnvollen Teilung oder Kombination von Lehrinhalten fallen damit gaenzlich unterschiedlich aus und es wird wohl noch lange dauern, vielleicht europaweit nie gelingen, hierzu einheitliche Vorstellungen zu entwickeln.
Der eben beschriebene Umstand hat einen weiteren Nachteil zur Folge: Der Wechsel des Studienortes wird sowohl national als auch international durch die uneinheitliche Standardisierung deutlich erschwert. An vergleichbare CP-Groessen ist nach dem Gesagten ohnehin nicht zu denken, es kann aber auch passieren, dass es Module, die im Studienprogramm der einen Hochschule verpflichtend gefordert werden, im Programm einer anderen Universitaet gar nicht gibt. Dies waere nur von begrenzter Bedeutung, wenn nicht die Programmstandardisierung bei den Hochschulen einen starken Drang zu einer sehr genauen Festlegung der Module ausgeloest haette. Es mangelt dadurch an Wahlmoeglichkeiten und je geringer die Flexibilitaet in der Anrechenbarkeit andernorts
studierter Module ist, desto schwerer ist studentische Mobilitaet zu realisieren. Zu oft ist ein Studienortwechsel mit Zusatzleistungen oder mit Verzoegerungen im Studienablauf verbunden, nicht selten erfordert ein Intermezzo an einer anderen Hochschule ein zusaetzliches Semester oder gar ein zusaetzliches Studienjahr, um versaeumte Module nachzuholen. Die Mobilitaetsquoten der Studierenden in den Bachelor-/Masterprogrammen liegt deshalb deutlich unterhalb jener der alten Studiengaenge. Es bleibt nur die (immerhin nicht unberechtigte) Hoffnung, dass die verringerte Mobilitaet innerhalb der Studienprogramme durch eine erhoehte Mobilitaet zwischen dem Bachelor- und Masterzyklus ausgeglichen wird.
Das naechste Grundproblem betrifft die studentische Arbeitsbelastung. Zwar deutet sich an, dass die Umsetzung der frueheren Lehrveranstaltungen in Module wohl nur vereinzelt die Belastung im Sinne eines unvertretbar hohen Workloads gesteigert hat, aber eine Tendenz, moeglichst viele, als «unverzichtbar» angesehene Inhalte in das sechssemestrige Bachelorstudium zu integrieren, ist unverkennbar. Problematischer aber ist wohl die Pruefungsbelastung. Jedes Modul schliesst mit einer Pruefung ab, was die Zahl von Klausuren, Hausarbeiten etc. ansteigen liess. Am spuerbarsten ist dies im Vergleich mit Magisterstudiengaengen, die einen relativ hohen Anteil an reinen Belegvorgaben hatten, die nicht mit einem Leistungsnachweis abschlossen. Demgegenueber sahen viele Diplomstudiengaenge schon immer eine relativ hohe Zahl an Leistungsnachweisen vor, die aber haeufig nicht oder nur zum Teil in die Abschlussnote eingingen, die Hauptbedeutung der Notenbildung lag stets bei den Abschlussarbeiten und schriftlichen und/oder muendlichen Examenspruefungen. Individualpsychologisch sehen sich die heutigen Bachelor- und Masterstudierenden am Ende jedes Semesters in der Situation, „Examenspruefungen" abzulegen, weil bereits die Leistungen des ersten Semesters fuer die Bildung der Endnote herangezogen werden. Dies kann insofern als Vorteil angesehen werden, als im Gegensatz zu frueher weniger die persoenliche Tagesform ueber die Gesamtbenotung entscheidet, die studienbegleitenden Pruefungsleistungen deshalb den Leistungsstand besser repraesentieren. Wenn allerdings am Semesterende innerhalb von 1-3 Wochen 5-7 Pruefungen abzulegen sind, laesst diese Pruefungsakkumulation eine hinreichende Vorbereitung kaum zu und dies kann zu strukturellen Verzerrungen im Leistungsbild fuehren, die doch nicht mehr repraesentativ fuer die Kandidaten sind.
Weniger bedeutsam sind Problemnennungen hinsichtlich der Zukunftsperspektiven der Bachelorabsolventen. Zwar ist es richtig, dass die Stellenausschreibungen den Wandel in den Studienabschluessen noch laengst nicht vollstaendig adaptieren, angesichts der raschen und kompletten Umstellung der Studienabschluesse, wie sie in Deutschland praktiziert wurde, werden aber binnen kurzem die Absolventen der alten Studiengaenge vom Arbeitsmarkt absorbiert worden sein. Den Arbeitgebern und Personalchefs wird gar nichts anderes uebrig bleiben, als die nachwachsende Generation mit den Bachelorabschluessen aufzunehmen, sofern Stellen mit akademisch ausgebildetem Personal besetzt werden sollen. Die Bachelorkandidaten sind dann im Durchschnitt juenger, denn schon jetzt zeigt sich eine deutliche Absenkung der durchschnittlichen Fachstudienzeit bis zum ersten Abschluss (6,6 Fachsemester in Bachelorstudiengaengen im Pruefungsjahr 2009, HRK 2010) im Gegensatz zu durchschnittlichen Studienzeiten, die beim Diplom und Magister je nach Studiengang und -ort an Universitaeten zwischen 11 und 14 Semestern lagen. Die Bachelorkandidaten werden deshalb nicht mehr das gewohnte, sehr umfassende inhaltliche und methodische Kenntnisspektrum mitbringen, wie man es von Diplom- und Magisterabsolventen gewohnt sein mag. Das muss aber nicht negativ ins Gewicht fallen, denn sehr wohl werden sie viele Fertigkeiten erworben haben, die fuer den Start in ein Berufsfeld genuegen. Schliesslich
erfolgte auch fuer die bisherigen Diplom- und Magisterabsolventen ein wesentlicher Teil ihrer beruflichen Sozialisation erst nach der Hochschule im «training on the job».
Ein letztes Problemfeld sind die Anfangsschwierigkeiten der Umstellung, welche die Diskussion in Russland aktuell praegen, wie anlaesslich einer internationalen Bildungskonferenz im November 2011 in Izhevsk deutlich zu spueren war. Diese Startprobleme werden aber nach der erstmaligen Implementierung der neuen Programme ueberwunden sein - so jedenfalls die Erfahrungen in Lueneburg und an vielen anderen deutschen Hochschulen. Die anfaenglichen Huerden sind vor allem neuen Begrifflichkeiten geschuldet, die aber bei naeherer Betrachtung keine echten Probleme bilden. Drei Beispiele:
Module sind trotz allen Beschreibungsaufwandes im Kern doch nichts anderes als Kombinationen inhaltlich zusammenhaengender Lehrveranstaltungen. Vorlesungen und begleitende Uebungen - um nur ein Beispiel aufzugreifen - gab es immer schon, nun bilden sie eben ein Modul und damit aendert sich entweder gar nichts oder besserenfalls werden Lehrende angespornt, die Verknuepfung von Lehrveranstaltungen systematischer zu planen.
Die Bemessung des Workloads bereitet Schwierigkeiten, wenn man die falsche Wegrichtung waehlt. Wenig aussichtsreich erscheint es, die studentischen Arbeitsstunden fuer die Vor- und Nachbereitung einer Lehrveranstaltung nebst ihrer Pruefungsbestandteile (Klausur, Referat etc.) messen oder auch nur schaetzen zu wollen, um daran Workload, Kreditpunkte und fuer den gesamten Studiengang die Zahl der Module festlegen zu wollen. Es mangelt (auch immer noch in Deutschland) an Studien, die aussagekraeftig belegen koennten, wie viel studentische Arbeitszeit in einer Lehrveranstaltung steckt. Angesichts der Unterschiedlichkeit von Faechern, Lehrformen der Dozenten und Arbeitseffektivitaet der Studierenden waere aber die Aussagekraft von irgendwann vielleicht vorliegenden Durchschnittswerten ohnehin zweifelhaft. Guenstiger ist der umgekehrte, organisationspragmatische Weg: (Wie in Lueneburg) eine einheitliche Modulgroesse in CP so festlegen, dass sie mit bisherigen Veranstaltungsformaten gut kompatibel ist, also 5 oder 6 CP fuer ein Modul mit 2-3 SWS. Im naechsten Schritt ergibt sich aus den zur Verfuegung stehenden Kreditpunkten des Studienganges, z. B. 180 CP fuer einen sechssemestrigen Bachelor, die moegliche Zahl von Modulen/Lehrveranstaltungen, und dies setzt den Rahmen, was man in einem Bachelorprogramm unterbringen kann und was in einen Master zu verschieben ist.
Kompetenzen sind begriffliche Deutungen der Fertigkeiten, die Studierende durch das Studium erwerben sollen. Gebraeuchlich ist eine Umschreibung, die anzeigt, dass die Studierenden nach einem Kurs in der Lage sein sollen, etwas zu tun, was sie vorher (moeglicherweise) noch nicht konnten. Damit ist der juengere Begriff der Kompetenz, der nicht nur in der Hochschul-, sondern auch in der schulischen Unterrichtsdidaktik Einzug gehalten hat, nicht weit entfernt von dem vertrauteren Terminus des Lernzieles. Die Lernzieldiskussion entstammt den 1970-er Jahren und fuehrte damals zu aeusserst differenzierten Katalogen von Grob-, Fein- und Feinstlernzielen. Diese sehr feine Untergliederung war fuer die ganzheitlich zu verstehenden Unterrichtssituationen nicht unbedingt vorteilhaft, sodass die groeber formulierten Kompetenzen eigentlich eine Erleichterung darstellen. In diesem Sinne sollte man Kompetenzen, die man anstrebt, offensiv formulieren, und dies - wie schon bei den Lernzielen - auf inhaltlicher, methodischer und sozialer Ebene, ferner auch bezueglich der Selbstorganisation der Lernenden tun. Nicht immer kann in jeder dieser vier Kategorien eine Eintragung in der Modulbeschreibung erfolgen - in einer Vorlesung werden nun einmal Inhalte vermittelt, vielleicht auch Forschungsmethoden, wenn gerade darueber gelehrt wird. Aber demokratische und kreativ aktivierende Sozialformen bleiben doch eher Seminaren vorbehalten. Auch
Selbstorganisation (z. B. die Zeitplanung und stringente Recherche fuer eine Referatserstellung nebst optisch ansprechender visueller Veranschaulichung) ist etwas, was man am ehesten in Seminaren erwirbt. Und ueberdies wird haeufig ein Modul allein eine Kompetenz nicht vollstaendig ausbilden koennen, dazu bedarf es einer Sozialisation in mehreren Universitaetsveranstaltungen. Das impliziert natuerlich, dass die Messung der Erreichung von Kompetenzen auf Modulniveau kaum sinnvoll ist, abgesehen davon, dass eine derartige Messung vor ungeloesten methodischen Problemen steht (vgl. Jahnig/Seeber 2011). Dies ist aber kein Grund, von der Angabe einer Kompetenz als angestrebtes Ziel abzusehen, selbst wenn man sich zu einer wissenschaftlich belegbaren, paedagogischen oder psychologischen Begruendung von Kompetenzen/Lernzielen und der Messung ihrer Erreichung nicht in der Lage sieht. Vieles bei der Kompetenzdefinition muss in diesem Sinne auf absehbare Zeit der erfahrungsbasierten Einschaetzung von Lehrenden vorbehalten bleiben. Deren Evaluation steht nicht vor der Modularisierung, sondern ist dieser notgedrungen nachgeschaltet. In diesem Sinne darf die Studienorganisation in einem pragmatisch organisierbaren Rahmen bleiben. Ungeachtet dessen muss man von Hochschullehrenden einige Basisueberlegungen zu dem, was man in einer Ausbildung erreichen will, erwarten und verlangen koennen. Was in den Schulen schon seit Jahrzehnten ueblich ist, wird die Hochschuldidaktik nicht ueberfordern.
5. Ziel-Ist-Vergleich und «Reparaturmoeglichkeiten»
Ein Vorzug des Bologna-Prozesses gegenueber anderen und kleineren Studienreformen war und ist seine Zielorientierung. Von Anfang an wurden die Ziele der Reform klar definiert, was eine Kontrolle der Zielerreichung leicht macht. Fuer Deutschland gibt die Kultusministerkonferenz an (KMK 2010):
a) Senkung der Studiendauer bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss -Das ist erfuellt, auch wenn die Regelstudienzeit konsekutiver Bachelor-/Masterprogramme mit 10 Semestern die Regelstudienzeit mancher aelterer Universitaetsstudiengaenge (meist 910 Semester) knapp und der Studiengaenge von Fachhochschulen (meist 8 Semester, teilweise mit integrierten Praxissemestern) deutlich uebersteigt. Etliche Kandidaten werden jedoch schon nach dem Bachelor den Berufseintritt suchen, und die striktere Studienorganisation (mit geringeren Freiheitsgraden) von Bachelor- und Masterprogrammen lassen erwarten, dass die gesamte durchschnittliche Studiendauer zumindest gegenueber den frueheren Studiengaengen an Universitaeten sinkt.
b) Bachelorabschluss als erster berufsqualifizierender Abschluss, der auch nicht fachlich gebundene Schluesselqualifikationen ausweist - Beides weisen die Studienprogramme in der Tat aus, und die Akzeptanz der Bachelorabsolventen auf dem Arbeitsmarkt ist sehr wahrscheinlich.
c) Zugang zu weiterfuehrenden Masterstudiengaengen fuer die besten 30 % der Bachelorabsolventen - Hier deutet sich eine Aufweichung in Richtung 50 % an. Bisherige Erfahrungen deuten darauf hin, dass die vorgesehenen Masterstudienplaetze ausreichen. Ungeachtet dessen erscheint eine nachgewiesene hinreichende Qualifikation fuer die staerker theoretisch und forschungsmethodisch orientierte Fortsetzung eines Studiums argumentativ schluessig. Meist wird als Zugangsvoraussetzung eine Abschlussnote von mindestens 2,5 vorgesehen.
d) Bessere Strukturierung der Studienprogramme - Strukturiert sind sie zweifellos, aber besser werden sie dadurch nicht. Es fehlt in hohem Ausmass an Wahlfreiheiten sowohl fuer Lehrende in ihrem Lehrangebot als auch fuer Lernende, die sich sehr haeufig in ein System eingebunden sehen, das ihnen wie in der Schulzeit feste Stundenplaene vorgibt.
Universitaere Bildung hatte frueher den Ruf von akademischer Lehr- und Lernfreiheit. Im Gefolge der Studienreformen ist (auch schon vor dem Bologna-Prozess) davon nicht mehr viel uebrig geblieben.
e) Mehr studienbegleitende Pruefungen und damit hoehere Relevanz kontinuierlichen Lernens als es im System punktueller Zwischen- und Endpruefungen ueblich war - Das ist erfuellt, aber der Preis seitens der Studierenden ist hoch. Wenig effizientes Bulimie-Lernen fuer Klausuren und muendliche Pruefungen sowie Probleme, Studium und Erwerbstaetigkeit fuer die Studienfinanzierung miteinander zu vereinbaren, werden intensiv beklagt.
f) Erhoehung der studentischen Mobilitaet - Innerhalb der Studienprogramme ist das Gegenteil der Fall, die Hoffnung ruht auf einer erhoehten Mobilitaet zwischen Bachelor-und Master-Zyklus.
Die Uebersicht macht deutlich, dass nur ein Teil der Ziele der Bologna-Reform erreicht wurde, die ungewollten Nebeneffekte aber erhebliche Nachteile mit sich brachten. Nicht alle, aber wenigstens einige dieser Nachteile sind immerhin korrigierbar, wie Erfahrungen mit der Umsetzung der Studienreform ergeben haben und woraus insbesondere fuer das Bachelorprogramm Kulturwissenschaften an der Leuphana Universitaet Lueneburg bereits Konsequenzen gezogen wurden. So kann man dem Mangel an Lehr- und Lernfreiheiten entgegenwirken durch:
- Mut zu einem hohen Anteil an Wahl- bzw. Wahlpflichtmodulen; auch universitaere Lehre muss sich als exemplarisches Lernen begreifen, fuer das eine Basis an Kenntnissen zweifellos sinnvoll ist, aber noch die Moeglichkeit der individuellen Schwerpunktbildung eroeffnet werden muss.
- Variable Module, die inhaltlich sehr offen formuliert sind und mit unterschiedlichen Lehrveranstaltungen bedient werden koennen, welche von Semester zu Semester oder Jahr zu Jahr wechseln; ein Beispiel: Unter «Sektorale Wirtschaftsgeographie» kann man bereits Agrargeographie, Industriegeographie oder Einzelhandelsgeographie anbieten, unter der noch offeneren Modulbezeichnung «Sektorale Kultur- und Wirtschaftsgeographie» koennten weitere Veranstaltungen subsumiert werden, etwa Siedlungsgeographie, Bevoelkerungsgeographie, Politische Geographie, Verkehrsgeographie und andere.
- Module mit zwei oder drei Lehrveranstaltungen (insbesondere Vorlesungen), aus denen nur eine oder zwei mit einer Pruefung abschliessen. In Lueneburg wird das fuer das Modul «Physische Geographie» praktiziert, bestehend aus je einer Vorlesung zur Geomorphologie und zur Klimatologie. Es wird empfohlen, beide Vorlesungen zu hoeren, was nicht im selben Semester passieren muss, die Pruefung wird nur in einer der beiden Veranstaltungen nach Wahl der Studierenden abgelegt.
Auch das Problem des Pruefungsdruckes kann reduziert werden:
- Der erste Schritt liegt hier in der Kommunikation. Ein Modul mit 5 CP bestimmt bei einem sechssemestrigen Bachelor auch nur 5/180 (fuenf Hundertachtzigstel) der Endnote, das entspricht aufgerundet dem geringen Anteil von 2,8 % - schon diese simple Quantifizerung waere Grund genug fuer eine Relativierung von Aufregung und Pruefungsangst, jedenfalls kann eine nicht zufrieden stellende Note durch bessere Bewertungen in anderen Modulen leicht kompensiert werden.
- Eine Blockung und zeitliche Staffelung von Modulen kann Pruefungen entzerren helfen. Statt beispielsweise sechs Module mit je 2 SWS kontinuierlich ueber ein gesamtes Semester laufen und alle geblockt am Ende mit Pruefungen abschliessen zu lassen, kann es
besser sein, in der ersten Haelfte des Semesters drei Module mit 4 SWS und Pruefungen zur Semestermitte anzubieten und in der zweiten Haelfte die naechsten drei Module mit 4 SWS.
- Module ohne Ziffernbenotung, auch pass/fail-Option (bestanden / nicht bestanden) genannt, reduzieren den Pruefungsaufwand. Eine Pruefung bleibt zwar bei jedem Modul erforderlich und auch der Studienabschluss ist daran gebunden, dass ein solches Modul mit „bestanden" bewertet wurde, aber der psychische Druck faellt viel geringer aus, weil die Leistung nicht in die Endnotenbestimmung eingeht. Denkbar ist es bei dieser Loesung auch, eine definierte Zahl von Modulen von der Ziffernbenotung freizustellen und die Auswahl dieser Module den Studierenden zu ueberlassen. Werden beispielsweise bis zu 30 CP fuer unbenotete Pruefungen vorgesehen, errechnet sich die Endnote eines sechssemestrigen Bachelors mit 180 CP nur noch aus den verbleibenden 150 CP. Datentechnisch loesbar ist dabei auch die Variante, dass Studierende die notenbefreiten 30 CP nicht ausschoepfen und mehr Benotungen erwerben als erforderlich. In diesem Falle gehen alle benoteten Leistungen mit ihren entsprechend kumulierten Kreditpunkten als Notengrundlage ein, im Beispiel also mit einer Groesse zwischen 150 und 180 CP.
6. Chance: Neue Studienmodelle erdenken
Die Bologna-Reform fordert zu Innovationen auf und es mag erstaunen, wie wenig von dieser prinzipiellen Anregung Gebrauch gemacht wird. Wohl zu oft wird lediglich versucht, moeglichst viel von Inhalten und Strukturen alter Studiensysteme in eine neue Ordnung hinueber zu retten. Insofern sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Leuphana Universitaet versuchte, ein neues Studienmodell zu erdenken und aktuell umsetzt, das in Deutschland sehr viel Beachtung gefunden hat. Folgende Elemente gehoeren zu diesem Modell:
- Vereinigung aller frueheren Studiengaenge in einem Leuphana-Bachelor, in dem die frueheren Studiengaenge jetzt die Hauptfaecher (Major, 90 CP) bilden. Ergaenzt werden diese durch Nebenfaecher (Minor, 30 CP). Im Masterbereich tauchen die alten Studiengaenge wieder auf, wenn auch in reformierter Form mit einem hoeheren Grad an interdisziplinaeren Inhalten.
- Zur Bachelorausbildung gehoert ein begleitendes Komplementaerstudium von 30 CP mit disziplinuebergreifenden Inhalten aus den Gebieten Kunst/Aesthetik, Methoden/Modelle, Natur/Technik, Projekte/Praxis, Sprache/Kultur und Verstehen/Veraendern. Ein studienbegleitender Strang von Veranstaltungen ausserhalb der gewaehlten Major-/Minorfaecher ist im Zuge der Studienreform an vielen deutschen Universitaeten etabliert worden, er widmet sich aber haeufig sehr stark den propaedeutischen Inhalten, beispielsweise dem Erlernen korrekten Zitierens und systematischer Literaturnachweise oder Techniken wissenschaftlichen Schreibens. In Lueneburg versucht man, eine andere Anspruchsebene zu verwirklichen. Auch in den Masterstudiengaengen gibt es einen Komplementaeranteil (15 CP).
- Ebenfalls fachuebergreifend ist das gesamte erste Bachelorsemester konzipiert («Leuphanasemester», 30 CP). In diesem Semester arbeiten Studierende aller Studienbereiche gemischt in einer grossen Zahl von Teams an einem gemeinsamen Projekt. Alle Projekte stehen unter einem zentralen Thema, z. B. Kunst im Stadtraum oder Gesundheitspolitik. Ausserdem werden Module in Geschichte, Methodenlehre und Nachhaltigkeit belegt. Hinzu kommt ein Einfuehrungsmodul fuer den gewaehlten Majorbereich. Das Fachstudium im engeren Sinne beginnt dadurch erst im 2. Semester. Das Element des gemeinsamen Eingangssemesters findet sich ausserhalb von Lueneburg kaum.
Mit dieser Struktur moechte die Leuphana Universitaet Lueneburg ihre Studierenden dazu bringen, interdisziplinaer und vernetzt zu denken, sich bei Bedarf auch
in fachliche Zusammenhaenge nicht gewaehlter Wissenschaftsdisziplinen einarbeiten zu koennen. Dieser temporaer generalistische Ansatz soll den Absolventen vielfaeltige Einsatzmoeglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt eroeffnen, aber auch innerhalb des Studiums ein hoeheres Mass an Wahlfreiheit offerieren. Das Studium in Lueneburg soll damit nicht nur fuer eine gute Berufsbefaehigung sorgen, sondern auch einer humanistischen Bildungsidee folgend die Persoenlichkeitsbildung foerdern. Nicht die blosse Aneignung von Wissen steht im Vordergrund, sondern das «wie» (Arbeits- und Erhebungsmethoden) und das «warum» (Reflexion der Bildungs- und Arbeitsziele). Studieren beinhaltet damit die Aneignung einer Haltung, zu der Offenheit, Mut zu Neuem und Hinterfragen von Altem gehoert. Der Blick ueber die fachlichen Grenzen erscheint noetig, um sich diese Faehigkeiten anzueignen, und rechtfertigt aus der Lueneburger Sicht die Kuerzung des Anteils der Ausbildung im Hauptfach.
7. Fazit
Die Bologna-Reform ist weit fortgeschritten und auch nicht mehr als umkehrbar zu denken. Nach heutiger Einschaetzung bergen die Abschluesse Bachelor und Master das Potenzial, allgemein anerkannte Studienwege und -abschluesse nicht nur in Europa, sondern sogar weltweit vorzuzeichnen. Bedauerlich ist, dass die Reform zu Lasten vieler akademischer Freiheiten gegangen ist und den administrativen Aufwand immens in die Hoehe schnellen liess. Sichtbarste und fuer Hochschulabsolventen im Sinne einer Verbesserung der beruflichen Einstiegsmoeglichkeiten sogar als erfreulicher Nebeneffekt zu wertende Erscheinung ist die Entstehung zahlreicher Stellen fuer wissenschaftliche Mitarbeiter in den universitaeren Abteilungen fuer Studienorganisation und Qualitaetsmanagement. Im Sinne des Gesamtsystems ist dies dennoch kritisch zu werten, denn mehr Administration der Ausbildung ist laengst nicht gleichbedeutend mit deren Verbesserung - Letztere steht und faellt vielmehr mit dem Engagement der Dozenten. Der Aufwand fuer eine Erstumstellung auf Bachelor und Master ist betraechtlich und manch einer mag die Huerden vielleicht sogar als unueberwindlich oder die Studienqualitaet massiv beeintraechtigend einschaetzen. Naehert man sich dem Umstellungsprozess aber pragmatisch, erscheinen nicht nur viele Aufgaben als loesbar, sondern man kann ausserdem die aufgezeigten Nachteile der Studienreform minimieren. Es bleibt allerdings noch zu hoffen, dass die Uebernahme der Reform durch Nicht-EU-Staaten nicht bei einer gleichen Benennung von Studienabschluessen stehen bleibt, sondern diese ueber eine Akkreditierung auch international als gleichwertig anerkannt werden. Gerade im deutsch-russischen Verhaeltnis war dies auf der Ebene von Diplomen bislang nicht der Fall, sodass fuer die Integration Russlands in den europaeischen Bildungsraum in der gegenseitigen Akzeptanz der neuen Studienabschluesse auch eine Integrationschance liegt, die zu nutzen sich lohnt.
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